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39. Auszug aus dem Urteil vom 21. Dezember 1960 i.S. Verband Zahntechnischer Laboratorien der Schweiz und Mitbeteiligte gegen Kanton Zürich. | |
Regeste |
Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen rechtswidriger Begünstigung Dritter durch einen kantonalen Erlass. Präzisierung der Rechtsprechung (Erw. 1). | |
Sachverhalt | |
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In der Volksabstimmung vom 3. April 1960 wurde entgegen der Empfehlung des Kantonsrates und des Regierungsrates ein Initiativbegehren angenommen, mit dem die Ergänzung der im MG enthaltenen Bestimmungen über die Zahnärzte und Zahntechniker durch folgenden § 30 bis verlangt worden war:
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"1. Zahntechniker erhalten von der Direktion des Gesundheitswesens die Bewilligung zur Tätigkeit als Zahnprothetiker, sofern sie:
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a) Schweizerbürger sind,
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b) fünf Jahre Wohnsitz im Kanton und einen guten Leumund nachweisen,
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c) nach bestandener Lehrabschlussprüfung zehn Jahre auf ihrem Beruf tätig waren,
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d) während dieser Zeit eine entsprechende Zusatzausbildung genossen haben und hierauf,
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e) eine kantonale Prüfung für Zahnprothetiker erfolgreich bestehen.
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2. Die Bewilligung ermächtigt den Zahnprothetiker zur Abdrucknahme für die Herstellung abnehmbaren Zahnersatzes (Ganz- oder Teilgebisse) sowie zur Einpassung derselben. Zahnärztliche Tätigkeit, wie Zahnziehen, Plombieren, Wurzelbehandlung und dergleichen sind ihm verboten.
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3. Der Regierungsrat ernennt nach Anhörung des zuständigen Berufsverbandes die Prüfungskommission und erlässt das Prüfungsreglement für Zahnprothetiker-Prüfungen.
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Ebenso erlässt er eine Tarifordnung über die Tätigkeit der Zahnprothetiker.
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4. Wiederholte schwerwiegende Übertretung der Befugnisse wird durch vorübergehenden oder dauernden Entzug der Bewilligung geahndet. In besonders schwerwiegenden Fällen kann die Laboreinrichtung des Zahnprothetikers konfisziert werden.
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5. Übergangsweise und zur Vermeidung unbilliger Härten wird Bewerber, die eine entsprechende Ausbildung zum Zahntechniker nachweisen können, die Zahnprothetiker-Prüfung erlassen, sofern sie schon bisher jahrelang als Zahnprothetiker tätig waren und wegen ihres offenen Einstehens für eine Neuregelung der Kompetenzabgrenzung zwischen Zahnarzt und ![]() | 13 |
Durch Beschluss vom 11. April 1960 erklärte der Kantonsrat das Initiativbegehren als vom Volke angenommen.
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B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 2. Mai 1960 stellen der Verband Zahntechnischer Laboratorien der Schweiz und die Schweiz. Zahntechniker-Vereinigung für sich und ihre Sektionen Zürich, ferner ein Laborinhaber und ein Zahntechniker, beide wohnhaft in Zürich, den Antrag, Ziff. 5 des § 30 bis MG, der erste Satz von Ziff. 3, soweit darin die Anhörung von nur einem Berufsverband vorgesehen ist, und der zweite Satz von Ziff. 3 seien wegen Verletzung der Art. 4 und 31 BV aufzuheben. Zur Begründung wird vorgebracht:
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a) Durch die in Ziff. 5 enthaltene Übergangsbestimmung würden unter den Zahntechnikern zwei Kategorien geschaffen, nämlich einerseits solche, denen die Zahnprothetiker-Prüfung erlassen werde, und anderseits solche, die sowohl die Prüfung zu bestehen als auch sämtliche Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung zu erfüllen hätten. Diese Unterscheidung sei unsachlich und willkürlich. Die Bevorzugung von Bewerbern, die bisher eine widerrechtliche Tätigkeit ausgeübt hätten, lasse sich mit keinen ernsthaften Gründen rechtfertigen und verstosse nicht nur gegen Art. 4, sondern auch gegen Art. 31 BV.
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b) .....
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C.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich stellt keinen Antrag, ist aber mit den Ausführungen der Beschwerdeführer weitgehend einverstanden.
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D.- Das Initiativkomitee, das auf Gesuch hin als "weiterer Beteiligter" im Sinne von Art. 93 OG zur Vernehmlassung eingeladen wurde, hat eine solche eingereicht, ohne einen formellen Antrag zu stellen. Es bestreitet in erster Linie die Legitimation der Beschwerdeführer. In der Sache selbst sei die Beschwerde unbegründet. Dass die bisher illegal tätig gewesenen Zahntechniker übergangsweise ![]() | 19 |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und hebt Ziff. 5 von § 30 bis MG auf.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die neuere Praxis des Bundesgerichts hat daher Beschwerden gegen die Erteilung polizeilicher Bewilligungen an Dritte wie auch gegen sonstige Verfügungen wegen widerrechtlicher Begünstigung Dritter trotz der in der Rechtslehre dagegen erhobenen Einwendungen nicht mehr zugelassen (vgl. BGE 85 I 53 Erw. 3 Abs. 1 mit Zitaten). Ferner hat es in BGE 85 I 52 ff. festgestellt, dass die Rechtslage grundsätzlich keine andere sei, wenn sich die Beschwerde wegen unzulässiger Begünstigung Dritter nicht, wie in den bisher beurteilten Fällen, gegen eine Anwendungsverfügung, sondern gegen einen generellen Erlass richte; auch in diesem Falle sei die Legitimation zu verneinen, sofern die in Frage stehenden Interessen solche ![]() | 22 |
Prof. H. HUBER hat diese Betrachtungsweise in ZBJV 1960 S. 353/5 kritisiert und dagegen namentlich ins Feld geführt, dass dann, wenn der Bürger nicht befugt sei, eine durch das Gesetz gewährte Vergünstigung anzufechten, das Verbot rechtsungleicher Behandlung gegenüber dem Gesetzgeber nicht mehr durchsetzbar wäre und daher schliesslich die durch Art. 4 BV verpönten Vorrechte der Geburt, des Ortes usw. mit Erfolg wieder eingeführt werden könnten. Diese Kritik ist jedenfalls insofern unbegründet, als sie übersieht, dass das Bundesgericht in jenem Urteil nur die eigentliche Popularbeschwerde abgelehnt und die Legitimation zur Anfechtung einer durch das Gesetz eingeräumten Vergünstigung nur demjenigen, der an deren Aufhebung "nicht anders als jeder andere Angehörige des Kantons" interessiert ist, abgesprochen hat, nicht dagegen demjenigen, der daran "in besonderer Weise" interessiert ist. Danach fehlt zwar den steuerpflichtigen Kantonseinwohnern die Legitimation zur Anfechtung eines Gesetzes, das unter gewissen Voraussetzungen Steuervergünstigungen für im Kanton Wohnsitz nehmende Personen vorsieht, da damit lediglich das öffentliche Interesse daran, dass auf dem Gebiete des Steuerwesens keine Privilegien eingeräumt werden sollten, verfolgt, also ein allgemeines staatsbürgerliches Interesse geltend gemacht wird (BGE 85 I 55 Erw. 4). Gerade das trifft bei der vorliegenden Beschwerde nicht zu. Mit dieser wird in erster Linie beanstandet, dass die für die Ausübung des Berufs eines Zahnprothetikers geforderte Prüfung gewissen Personen erlassen ![]() ![]() | 23 |
a) Nach Ziff. 1 des § 30 bis MG wird die Bewilligung zur Tätigkeit als Zahnprothetiker ausser von gewissen Voraussetzungen wie Lehrabschlussprüfung und zehnjährige Tätigkeit als Zahntechniker (lit. c.), Genuss einer Zusatzausbildung (lit. d) auch vom erfolgreichen Bestehen einer kantonalen Prüfung für Zahnprothetiker abhängig gemacht (lit. e). Das Erfordernis einer solchen Prüfung lässt sich mit gesundheitspolizeilichen Gründen rechtfertigen, ist daher aus dem Gesichtspunkt von Art. 31 BV nicht zu beanstanden und wird von den Beschwerdeführern mit Recht nicht angefochten. Ihre Beschwerde richtet sich gegen Ziff. 5, wonach die Prüfung "zur Vermeidung unbilliger Härten" Bewerbern, die eine "entsprechende Ausbildung als Zahntechniker" nachweisen können, erlassen wird, sofern sie schon "jahrelang" als Zahnprothetiker tätig waren und wegen ihres offenen Einstehens für eine Neuregelung im Sinne von § 30 bis MG "entsprechenden Repressalien ausgesetzt waren oder Beeinträchtigungen in ihrem beruflichen Fortkommen erlitten haben". Diese Ausnahmebestimmung erweist sich in der Tat als unhaltbar. Wenn Ziff. 1 die Bewilligung zur Tätigkeit als Zahnprothetiker von den in lit. c und d genannten Voraussetzungen und einer besonderen Prüfung abhängig macht, so heisst das, dass die Erteilung der Bewilligung den Nachweis eines Ausbildungsstandes voraussetzt, der eine sachgemässe Behandlung der Patienten gewährleistet und diese vor gesundheitlichen Schäden bewahrt; nur aus diesen ![]() | 24 |
Der Einwand des Initiativkomitees, dass in früheren Fällen in ähnlicher Weise vorgegangen worden sei, ist unbehelflich. Selbst wenn der Gesetzgeber oder bei Erlass von Verordnungen der Regierungsrat früher durch gewisse Übergangsbestimmungen Art. 4 und 31 BV unangefochten verletzt haben sollten, so vermöchte dies auch abgesehen davon, dass die Verhältnisse nicht gleich lagen, die vorliegend gerügten Verfassungsverletzungen nicht zu rechtfertigen.
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