BGE 87 I 182 | |||
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29. Auszug aus dem Urteil vom 31. Mai 1961 i.S. Hanhart gegen Gemeinde Diessenhofen und Bezirksrat Diessenhofen. | |
Regeste |
Beteiligung der Wehrmänner an Wahlen und Abstimmungen. | |
Sachverhalt | |
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Am 4./5. März 1961 fanden in Diessenhofen Gemeindewahlen statt, u.a. für den Stadtammann und die Mitglieder des Stadtrates. Bei der Stadtammannwahl erreichte Bruno Meier gerade das absolute Mehr und wurde als gewählt erklärt.
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Rudolf Hanhart führte gegen diese Wahl Beschwerde. Er machte eine Reihe von Unregelmässigkeiten geltend, verlangte im Hinblick auf das knappe Wahlergebnis eine genaue Kontrolle der Wahl und warf die Frage auf, wie die von Friedrich Orsinger am Donnerstag, den 2. März 1961 vor dem Einrücken in den Militärdienst abgegebene Stimme behandelt worden sei.
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Der Bezirksrat Diessenhofen führte eine Untersuchung durch und wies am 19. März 1961 die Beschwerde ab. Er stellte eine Unregelmässigkeit fest, die jedoch keinen Einfluss auf das Wahlergebnis hatte, und führte aus, dass der Gemeindebuchhalter die von Orsinger am Donnerstag vor den Wahlen abgegebenen Stimmzettel mit Recht vernichtet habe, da die vorzeitige Stimmabgabe gemäss § 21 Abs. 2 des kantonalen Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen vom 10. Januar 1953 erst ab Freitag erfolgen könne.
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Gegen diesen Entscheid führt Rudolf Hanhart Beschwerde gemäss Art. 85 lit. a OG. Das Bundesgericht heisst sie gut und hebt den Entscheid des Bezirksrats und die Wahl des Stadtammanns auf.
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Aus den Erwägungen: | |
Es ist unbestritten, dass Orsinger auf den Wahltermin durch einen persönlichen Marschbefehl zu einem Wiederholungskurs nach Willisau aufgeboten war, wo er schon am Abend des 2. März 1961 einzurücken hatte; dass er deshalb am Donnerstag den 2. März seine Stimmkarte und die Wahlzettel in einem verschlossenen Umschlag auf der Gemeindekanzlei abgab; dass der Gemeindebuchhalter Sommerhalder sie in Vertretung des Stimmregisterführers entgegennahm mit der Bemerkung, das sei in Ordnung; dass Sommerhalder dann aber die Wahlzettel als ungültig vernichtete, nachdem er das kantonale Wahlgesetz konsultiert und gefunden hatte, dass nach dessen § 21 Abs. 2 die vorzeitige Stimmabgabe nur am Freitag und Samstag gestattet ist. Der Bezirksrat hat die von Hanhart deswegen erhobene Beschwerde abgewiesen mit der Begründung, das Vorgehen Sommerhalders entspreche dem Wahlgesetz.
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Die Ausübung des Stimmrechts durch Wehrmänner ist jedoch auch mit Bezug auf kantonale Angelegenheiten durch das Bundesrecht geordnet, nämlich durch den BRB betreffend die Beteiligung der Wehrmänner an eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Wahlen und Abstimmungen vom 10. Dezember 1945 (BS I S. 165). Diese bundesrechtliche Regelung ist abschliessend; die Kantone sind lediglich ermächtigt, ihre Wahlgesetze derselben anzupassen, aber nicht befugt, davon abweichende Vorschriften zu erlassen (BGE 70 I 244Erw. 3). Sie würde dem thurgauischen Wahlgesetz selbst dann vorgehen, wenn dieses nicht in § 22 ausdrücklich bestimmte, dass die Beteiligung der Wehrmänner an Wahlen und Abstimmungen auch für Kanton und Gemeinde nach den eidgenössischen Vorschriften erfolgt. Gemäss Art. 9 Abs. 1 des zitierten BRB ist Wehrmännern, die nach Zustellung des Abstimmungsmaterials an die Stimmberechtigten der Wohngemeinde einzurücken haben, Gelegenheit zu geben, vor dem Einrücken das Stimmrecht auszuüben. Diese Vorschrift steht zwar im Titel über die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen, ist aber gemäss Art. 13 Abs. 3 entsprechend auch auf diejenigen der Kantone und Gemeinden anzuwenden. (Die Verweisung bezieht sich nicht nur, wie aus dem Zusammenhang mit Abs. 1 geschlossen werden könnte, auf durch Vermittlung der Truppe durchgeführte Abstimmungen, sondern auch auf den Sonderfall von Art. 9 Abs. 1; gerade wenn, wie hier, bei der Truppe keine Abstimmung stattfindet, ist es erst recht wichtig, dass der Wehrmann sein Stimmrecht in der Wohngemeinde ausüben kann.) Orsinger, dem das Abstimmungsmaterial zugestellt worden war, war danach berechtigt, sein Stimmrecht in Diessenhofen "vor dem Einrücken" auszuüben. Da er schon am Donnerstag Abend einrücken musste, war die kantonalrechtliche Beschränkung auf Freitag und Samstag nicht anwendbar,weil zum Bundesrecht in Widerspruch stehend; dieses gewährt das Recht von der Zustellung des Abstimmungsmaterials an.
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Gemeinde und Bezirksrat Diessenhofen bestreiten denn auch nicht, dass Orsinger wegen des Aufgebots an sich zur Stimmabgabe schon am Donnerstag berechtigt war. Sie machen lediglich geltend, er habe sich nicht auf den Militärdienst als Grund hiefür berufen, geschweige denn durch Vorlage des Dienstbüchleins und des Marschbefehls ausgewiesen, wie das die allgemeinen Erläuterungen auf dem Aufgebotsplakat verlangten. Ob Orsinger bei seiner vorzeitigen Stimmabgabe den Militärdienst als Grund erwähnt hat oder nicht, darüber gehen die Darstellungen der Parteien auseinander. Der Gemeindebuchhalter Sommerhalder sagte in seiner Einvernahme durch das Bezirksamt aus, Orsinger habe erklärt, er müsse fort und sei am Sonntag nicht da. Das Bezirksamt klärte diesen Punkt nicht näher ab, obwohl Hanhart schon in der kantonalen Beschwerde geltend gemacht hatte, Orsinger habe in den Militärdienst einrücken müssen. In einer öffentlichen Erklärung präzisierte Sommerhalder, von Militärdienst sei kein Wort gefallen. Wie es sich damit verhält, kann indessen dahingestellt bleiben. Auch wenn die Darstellung Sommerhalders richtig ist, war Orsinger zur vorzeitigen Stimmabgabe berechtigt. Massgebend hiefür ist, dass er tatsächlich zum Militärdienst einrücken musste, nicht, ob er sich hierauf berufen und Dienstbüchlein und Marschbefehl vorgewiesen hat; der Hinweis auf diese Beweismittel in den allgemeinen Erläuterungen auf dem Aufgebotsplakat stellt zweifellos kein Gültigkeitserfordernis dar. Wenn der Beamte auf der Gemeindekanzlei Stimmkarte und Wahlzettel von ihm entgegennahm auf die blosse Berufung auf seine Abwesenheit hin und dazu bemerkte, es sei in Ordnung, hatte Orsinger keinen Anlass, sich noch besonders auf den Militärdienst zu berufen und gar darüber auszuweisen. Sommerhalder hat ihn nicht etwa (wie die Gemeinde in der Beschwerdeantwort behauptet) zu der irrtümlichen Auffassung bewogen, er sei zur vorzeitigen Stimmabgabe berechtigt; diese Auffassung war vielmehr richtig, und wegen des Verhaltens des Beamten hat er es lediglich unterlassen, sie näher zu begründen und zu belegen, wozu er sonst ohne weiteres in der Lage gewesen wäre. Durch die Nichtberücksichtigung der Stimme Orsingers ist somit entgegen den Vorschriften des Bundesrechtes ein Stimmberechtigter von der Teilnahme an den Wahlen ausgeschlossen worden.
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