BGE 87 I 211 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
34. Urteil vom 24. Mai 1961 i.S. Kesselring gegen Vormundschaftsbehörde der Stadt Luzern und Regierungsrat des Kantons Luzern. | |
Regeste |
Art. 88 OG: Fehlen der Legitimation der ausserehelichen Mutter, die Anordnung einer Vormundschaft über ihr aussereheliches Kind mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten. | |
1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid des Regierungsrates vom 5. Dezember 1960, mit dem unter Bestätigung eines Beschlusses des Stadtrates von Luzern als Vormundschaftsbehörde über das 1959 geborene aussereheliche Kind Walter Kesselring eine Vormundschaft angeordnet wurde, weil eine vormundschaftliche Kontrolle der Pflege und Erziehung des Kindes, das sich bei der Mutter aufhalte, notwendig sei, diese nicht das Vertrauen verdiene, das Voraussetzung für die Einräumung der elterlichen Gewalt über das aussereheliche Kind sein müsse. | |
Es wird beantragt, den Entscheid des Regierungsrates aufzuheben, weil die Nichteinräumung der elterlichen Gewalt an die Beschwerdeführerin willkürlich sei und das Verbot rechtsungleicher Behandlung verletze.
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2. Die Vorschriften des Zivilgesetzbuches über das aussereheliche Kindesverhältnis geben weder dem Vater noch der Mutter des ausserehelichen Kindes einen Anspruch auf Zuweisung der elterlichen Gewalt. Für den Fall der Unterstellung des Kindes unter die Gewalt eines der Eltern steht zwar dem andern Teil ein Recht auf angemessenen persönlichen Verkehr zu (Art. 326 Abs. 1), wobei offen bleiben kann, ob die Verweigerung des Rechtes ein den Eltern um ihrer selbst willen eingeräumtes Recht verletzen würde. Nicht nur beim Entscheid darüber, sondern auch wenn die Vormundschaftsbehörde die Gewalt einem Elternteil nicht zuweist, oder ihm diese wieder entzieht, oder andere Massnahmen trifft, wie Einweisung des Kindes in eine Familie, in ein Heim oder in eine Anstalt, muss das leibliche und geistige Wohl des Kindes wegleitend sein. Wenn daher ein Elternteil die Zuweisung der Gewalt an sich verlangt oder sich gegen deren Entzug oder sonst gegen eine Massnahme der Behörde zur Wehr setzt, macht er das Kindesinteresse geltend, verlangt er, dass die Vormundschaftsbehörde keine Anordnung treffe, die nicht zum Wohl des Kindes gereiche. Die Behörde ist (im Rahmen des ihr zukommenden Ermessens) frei, das Kind unter die elterliche Gewalt des Vaters oder der Mutter zu stellen (Art. 324 Abs. 3), und die Überschreitung oder der Missbrauch ihres Ermessens öffnet zwar den Weg der vormundschaftlichen Aufsichtsbeschwerde (Art. 420). Diese stellt jedoch kein Rechtsmittel dar, mit dem ein Elternteil ein eigenes ihm zustehendes Recht, eine Befugnis, die sich aus der Persönlichkeit oder aus den verwandtschaftlichen Beziehungen zum Kind ergeben würde, geltend macht. Das allgemeine Interesse, das vom ZGB für das Verfahren vor der Vormundschaftsbehörde als ausreichend anerkannt wird, genügt aber, wie übrigens die II. Zivilabteilung als Staatsgerichtshof bereits wiederholt festgestellt hat (Urteile vom 20. März 1947 i.S. Schulthess und vom 22. Februar 1950 i.S. Graber) nicht für die Legitimation eines Elternteils oder eines Dritten, Verwandten usw. zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Entscheid der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde (Urteil vom 11. Februar 1959 i.S. Jäger). Es bedürfte hiefür einer Beeinträchtigung von dem Beschwerdeführer unmittelbar zustehenden Rechten (Art. 88 OG).
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