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43. Auszug aus dem Urteil vom 11. Oktober 1961 i.S. Steiner gegen Gemeinderat von Beinwil a.S und Regierungsrat des Kantons Aargau. | |
Regeste |
Art. 4 BV. | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.- § 1 der aargauischen Verordnung über den Schutz des Hallwilersees und seiner Ufer vom 27. Juli 1956 (VO) erklärt den Hallwilersee und seine Ufer als geschütztes Gebiet. Das Schutzgebiet umfasst nach § 2 die Seefläche als Wasserzone, einen Uferstreifen, der das Sumpfgebiet am Ausfluss des Aabachs und die Umgebung des Schlosses Hallwil mit umfasst, als Sperrzone und die Hänge westlich und östlich des Sees als allgemeine Schutzzone. In der Wasserzone und in der Sperrzone sind Bauten jeder Art untersagt (§§ 3 und 5). In der allgemeinen Schutzzone werden Neu- und Umbauten sowie andere das Landschaftsbild verändernde Massnahmen gemäss § 6 Abs. 1 bewilligt, soweit dieses nicht verunstaltet oder erheblich beeinträchtigt wird. § 6 Abs. 3 sah vor, dass Ferienhäuser nur in den als Ferienhauszone ausgeschiedenen Teilen der Schutzzone errichtet werden durften. Diese Bestimmung ist indes vom Regierungsrat auf Grund eines Beschwerdeentscheids des Bundesgerichts mit Beschluss vom 20. März 1959 aufgehoben worden.
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B.- Otto Steiner ist Eigentümer der Parzelle Nr. 389 in der "Kalberweid", Gemeinde Beinwil a.S. Dieses Grundstück liegt ungefähr 50 m vom Seeufer entfernt in der allgemeinen Schutzzone; es grenzt seewärts an die Sperrzone. Als Bestandteil der allgemeinen Schutzzone darf es nach § 6 Abs. 1 VO überbaut werden, sofern das Landschaftsbild dadurch nicht verunstaltet oder erheblich beeinträchtigt wird. Steiner reichte am 23. Dezember 1960 ein Baugesuch für ein Ferienhaus ein, das er auf seiner Parzelle erstellen möchte. Der Gemeinderat von Beinwil a.S. verweigerte die Baubewilligung mit der Begründung, das vorgesehene Haus sei ein moderner Bau, der sich im dort noch unberührten Landschaftsbild unschön ausnehmen und das Ufer verschandeln würde.
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Steiner führte dagegen Beschwerde. Der Regierungsrat ![]() ![]() | 4 |
C.- Steiner hat diesen Entscheid mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV (und der Eigentumsgarantie) angefochten.
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Aus den Erwägungen: | |
Der Regierungsrat hat die nachgesuchte Baubewilligung unter Berufung auf § 6 Abs. 1 VO verweigert. Nach dieser Bestimmung sind in der allgemeinen Schutzzone Bauten zulässig, sofern sie das Landschaftsbild nicht verunstalten oder erheblich beeinträchtigen.
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Der Regierungsrat räumt ein, dass gegen die Grösse und die architektonische Gestaltung des geplanten Baus "kaum Wesentliches" einzuwenden sei, weshalb sich die Verweigerung der Baubewilligung in dieser Hinsicht kaum rechtfertigen lasse. Er begründet die Annahme, dass das Bauvorhaben zu einer Verunstaltung der Landschaft führen würde, nicht etwa damit, dass das Ausmass oder die Form der geplanten Baute, die Durchbildung der einzelnen Bauteile oder das zur Verwendung gelangende Material sich nicht in das bestehende Landschaftsbild einfügen würden; er betrachtet dieses vielmehr als gefährdet, weil das geplante Ferienhaus als einziges Gebäude in der bisher noch unüberbauten Umgebung zum Blickfang würde und es demzufolge die gerade in ihrer Natürlichkeit begründete Schönheit des Ufergebiets erheblich beeinträchtigen würde. Die Gefahr für das Landschaftsbild wird somit nicht in der Ausgestaltung des konkreten Bauvorhabens erblickt, sondern darin, dass in diesem noch unüberbauten Gebiet überhaupt gebaut wird. Wenn der Regierungsrat weiter in Erwägung zieht, dass im Falle der Bewilligung des streitigen Baugesuchs aus Gründen der rechtsgleichen Behandlung auch auf den andern Parzellen dieses Gebiets Bauten zugelassen werden müssten, was es um der Verhinderung einer unschönen Streubauweise willen zu vermeiden gelte, so zeigt das eindeutig, dass die Überbauung dieses ![]() | 7 |
Der Beschwerdeführer macht demnach mit Recht geltend, dass der angefochtene Entscheid im Ergebnis auf ein vollständiges Bauverbot hinausläuft. Ein solches findet in der VO keine Grundlage. Sie spricht zwar für die Wasserzone (§ 3) und für die Sperrzone (§ 5) ein Bauverbot aus; in der allgemeinen Schutzzone lässt sie dagegen Bauten grundsätzlich zu, es sei denn, diese würden das Landschaftsbild verunstalten oder erheblich beeinträchtigen. Wäre der Regierungsrat beim Erlass der VO der Auffassung gewesen, auf der in Frage stehenden Parzelle wirke sich schlechthin jede Baute verunstaltend aus, so hätte er dieses Gebiet der Sperrzone zuteilen müssen. Mit der Zuweisung zur allgemeinen Schutzzone hat er dagegen zu erkennen gegeben, dass sich die Parzelle grundsätzlich zur Überbauung eignet. Ist er nachträglich zur gegenteiligen Ansicht gelangt, so hat er die Zoneneinteilung des Schutzgebiets in entsprechender Weise zu revidieren. Solange er dies nicht tut und das Grundstück des Beschwerdeführers der allgemeinen Schutzzone zugeteilt bleibt, hat der Regierungsrat die bestehende Ordnung zu wahren und die in § 6 Abs. 1 VO eingeräumte Überbauungsmöglichkeit offen zu halten. Legt er diese Bestimmung in einer Weise aus, die praktisch jede Überbauung verhindert, so läuft das dem Wortlaut und dem Sinne des § 6 VO klar zuwider. Der angefochtene Entscheid ist insofern willkürlich und damit verfassungswidrig; er ist deshalb aufzuheben.
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