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77. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Dezember 1961 i.S. Schoch und Bernhard gegen den Regierungsrat des Kantons Aargau. | |
Regeste |
1. Anmeldung eines Kaufvertrages zur Eintragung in das Grundbuch (Art. 963 ZGB). Wegen der Abweisung der Anmeldung kann nur der Anmeldende Beschwerde führen (Art. 103 Abs. 1 GBV), dem es im übrigen anheim steht, die Anmeldung zurückzuziehen, solange die Hauptbucheintragung nicht vollzogen ist. Bestätigung der Rechtsprechung (Erw. 1). |
3. Ob ein Kaufvertrag noch zu Recht bestehe und der sich daraus für den Käufer ergebende Anspruch auf Eigentumsübertragung dem Anspruch eines spätern Käufers desselben Grundstückes vorgehe, ist eine Frage des materiellen Rechtes. Eine für die Dauer des vom ersten Käufer angehobenen Rechtsstreites auf Grund des kantonalen Prozessrechtes getroffene richterliche Anordnung, wonach der zweite Kaufvertrag während der Prozessdauer nicht angemeldet werden dürfe oder eine schon erfolgte Anmeldung zurückgezogen werden solle oder wenigstens vorderhand unter Vorbehalt des Prozessausganges nicht durch Eintragung in das Hauptbuch vollziehbar sei, ist für das Grundbuchamt verbindlich. (Erw. 3.) | |
Sachverhalt | |
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B.- Nach Überweisung des Restbetrages von Fr. 200'000.-- für Schoch meldete Notar Steidel gestützt auf eine Ermächtigung laut dem Kaufvertrag vom 3. März 1960 diesen am 15. Juli um 9.30 Uhr zur Eintragung an. Um 11.50 Uhr desselben Tages folgte die Anmeldung des Kaufvertrages Bernhard/Sprenger durch den beurkundenden Notar Meier. Den ersten Vertrag gab das Grundbuchamt dem anmeldenden Notar "bzw. der Überbringerin" sofort zurück, schrieb ihn aber gleichwohl unter dem erwähnten Anmeldedatum in das Tagebuch ein und wies die Anmeldung am 25. Juli 1960 ab. Der zweite Vertrag steht ebenfalls mit dem Datum der Anmeldung im Tagebuch; das Grundbuchamt Baden hat diese Anmeldung nicht beanstandet, jedoch die Eintragung mit Rücksicht ![]() | 2 |
C.- Zunächst verweigerte das Grundbuchamt freilich die Vormerkung von Verfügungsbeschränkungen, die das Gerichtspräsidium Baden auf Gesuche des Schoch vom 15. und 18. Juli 1960 sogleich an diesen Tagen vorsorglich anordnete (und mit Entscheiden vom 29. August 1960 bestätigte). Dagegen berücksichtigte es eine dritte gerichtliche Verfügung, die Schoch in einem weitern Befehlsverfahren "betreffend Suspendierung einer Anmeldung beim Grundbuchamt" am 30. August 1960 vorsorglich erwirkte.
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Diese Verfügung lautet:
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Es wird festgestellt, dass der Kläger einen Anspruch auf gerichtliche Zusprechung des Eigentums an GB. Baden Nr. 513, Kat. Pl. 62/519 erhebt. Die Rechtswirkungen (d.h. die mit der Anmeldung verbundene Eintragungsbewilligung) der Anmeldung des zwischen der Beklagten und Herrn Sprenger am 14. Juli 1960 abgeschlossenen Kaufvertrages über die Liegenschaft GB. Baden Nr. 513, Kat. Pl. 62/519 sind daher solange zu suspendieren, bis zwischen den Parteien rechtskräftig entschieden ist, ob dem Kläger, gestützt auf seinen Kaufvertrag vom 3. März 1960 das Eigentum an Grundbuch Baden Nr. 513, Kat. Pl. 62/519 im Sinne von Art. 665 ZGB gerichtlich zugesprochen wird oder nicht."
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Am 26. September 1960 bestätigte das Gerichtspräsidium Baden diese Verfügung unter Ansetzung einer Monatsfrist an Schoch zur Einreichung der Hauptklage. Das Grundbuchamt nahm von der gerichtlichen Verfügung Notiz und trug ihr Rechnung, indem es einstweilen von einer Eintragung des Vertrages Bernhard/Sprenger absah. Schoch erhob binnen der ihm dazu eingeräumten Frist beim Bezirksgericht Baden die Hauptklage gegen Frau Bernhard mit den Begehren:
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"1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass gestützt auf den zwischen den Parteien am 3. März 1960 abgeschlossenen Kaufvertrag die Beklagte nicht mehr berechtigt war, das Grundstück GB. Baden Nr. 513, Kat. Plan 62/519 mit einem zweiten Kaufvertrag vom 14. Juli 1960 an Herrn Paul Sprenger, Baden, zu verkaufen.
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2. Dementsprechend sei die Anmeldung des Kaufvertrages beim GB zwischen der Beklagten und Herrn Sprenger als rechtsunwirksam und zurückgezogen zu erklären und das GB Amt Baden sei zu verhalten, diese Anmeldung abzuweisen. Eventuell sei die Beklagte zu verpflichten, diese Anmeldung sofort zurückzuziehen.
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D.- Wegen der Abweisung der Anmeldung des Kaufvertrages vom 3. März 1960 wie auch wegen der Weigerung des Grundbuchamtes, die vom Richter am 15. Juli 1960 vorsorglich angeordnete Verfügungsbeschränkung vorzumerken, beschwerte sich Schoch bei der kantonalen Justizdirektion als Aufsichtsbehörde über das Grundbuchwesen. Frau Bernhard beschwerte sich ihrerseits bei derselben Behörde über die Berücksichtigung der vom Richter im dritten Befehlsverfahren angeordneten "Suspension", die dem eidgenössischen Grundbuchrecht widerspreche.
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Ferner zog sie die gerichtlichen Entscheidungen betreffend Verfügungsbeschränkung und Suspendierung auf dem Beschwerdeweg an das Obergericht weiter. Dieses sistierte indessen mit Beschlüssen vom 28. Oktober und 25. November 1960 die Behandlung dieser Beschwerden bis zur Erledigung der von der Verkäuferin eingereichten Grundbuchbeschwerde.
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Während anderseits die Justizdirektion des Kantons Aargau die Beurteilung der Grundbuchbeschwerden beider Parteien "bis zur rechtskräftigen Erledigung des zivilprozessualen Hauptverfahrens" aussetzte, fällte der Regierungsrat am 24. Februar 1961 folgenden Entscheid:
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"1. (Aufhebung der Sistierungsverfügung der Justizdirektion.)
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"2. Auf die Beschwerde des Herrn Hans Schoch gegen die grundbuchamtliche Abweisung des Vertrages Bernhard/Schoch wird nicht eingetreten.
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"3. Die Beschwerde des Herrn Hans Schoch gegen die grundbuchamtliche Abweisung der richterlichen Verfügungsbeschränkung vom 15. Juli 1960 wird abgewiesen.
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"4. Die Beschwerde der Frau Bernhard wird teilweise und in dem Sinne abgewiesen, als die mit richterlicher Verfügung vom 30. August 1960 ausgesprochene teilweise Kanzleisperre für vorläufig im Grundbuch Baden in der notierten Form zu verbleiben hat, unter dem Vorbehalt, dass nicht das Obergericht deren materielle Unzulässigkeit feststellt."
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F.- Der Regierungsrat des Kantons Aargau beantragt Abweisung beider Beschwerden.
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Frau Bernhard beantragt Abweisung der Beschwerde Schochs und dieser Abweisung der Beschwerde der Frau Bernhard.
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Das eidgenössiche Justiz- und Polizeidepartement erachtet die kantonale Entscheidung als zutreffend und stellt deshalb den Antrag, "es seien die beiden Beschwerden nicht gutzuheissen".
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. In Ziff. 2 des angefochtenen Entscheides mit zugehöriger Begründung spricht der Regierungsrat dem ersten Käufer Schoch das Recht zur Beschwerde wegen der Abweisung der Anmeldung des von Frau Bernhard mit ihm abgeschlossenen Kaufvertrages ab. Dieser Entscheidung ist zuzustimmen. Sie entspricht der Vorschrift des Art. 103 Abs. 1 der Grundbuchverordnung, wonach sich über die Abweisung einer Anmeldung nur der Anmeldende beschweren kann, und der ständigen Rechtsprechung (BGE 60 I 139/42, BGE 85 I 166). Freilich hat auch der Käufer ein Interesse am Vollzug des Vertrages und insbesondere an dessen Eintrag im Hauptbuche, womit erst das Eigentum auf ihn übergeht, Art. 972 Abs. 1 ZGB (worauf neulich LIVER, ZbJV 96/1960 S. 449, hinweist). Allein das Beschwerderecht gegenüber einer die Anmeldung abweisenden Verfügung des Grundbuchamtes ist ein Ausfluss des der Anmeldung zu Grunde liegenden Verfügungsrechtes des Eigentümers. Findet sich dieser mit der Abweisung ab, ohne die Anmeldung allenfalls in verbesserter Form zu erneuern, so befindet sich der Käufer in derselben Rechtsstellung, wie wenn keine Anmeldung erfolgt oder die Anmeldung zurückgezogen worden wäre. Er kann den Verkäufer auf (bessere) Vertragserfüllung, gegebenenfalls auch auf gerichtliche Zusprechung des Eigentums belangen ![]() ![]() | 21 |
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Zwar vermöchte ihn eine im Grundbuch vorzumerkende Verfügungsbeschränkung auch bei dem vom Regierungsrat angenommenen Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit ![]() | 23 |
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Ob zum Schutz eines streitigen Anspruchs auf Grund des kantonalen Prozessrechts eine teilweise Grundbuchsperre, also das Verbot der Eintragung eines andern Rechtes, angeordnet werden könne - was über die Vormerkung einer Verfügungsbeschränkung gemäss Art. 960 ZGB und deren Wirkungen nach dessen Abs. 2 hinausgeht - braucht hier nicht in umfassender Weise geprüft zu werden. Hervorzuheben ist, dass eine solche Sperre sich mit der Rechtsnatur und dem Zweck des Grundbuches durchaus verträgt. Das Bundesrecht kennt denn auch selbst Eintragungsverbote (vgl. Art. 137 SchKG, Art. 41/42 EntG). Im übrigen erscheint ein solches Verbot auf kantonalrechtlicher Grundlage jedenfalls dann als zulässig, wenn es sich als Reflexwirkung einer das materielle Recht betreffenden gerichtlichen Entscheidung oder Verfügung ergibt. So verhält es sich hier. Die vom Richter ausgesprochene "Suspendierung" der Wirkungen der den zweiten Kaufvertrag betreffenden Anmeldung richtet sich ihrem wahren Inhalte nach in erster Linie an die anmeldende Eigentümerin; sie gestaltet die materielle Rechtslage in einer dann ohne weiteres auch für das Grundbuchamt verbindlichen Weise, so dass sich die teilweise Kanzleisperre nicht als unmittelbarer Befehl an jenes Amt, sondern als Auswirkung einer an und für sich die Rechtsverhältnisse zwischen den in materieller Hinsicht Beteiligten betreffenden prozessualen Verfügung darstellt. Gegen derartige gerichtliche Massnahmen ist vom Standpunkt des eidgenössischen Grundbuchrechts aus nichts einzuwenden. Läge bereits ein rechtskräftiges Sachurteil zu Gunsten Schochs vor, so wäre dadurch der Rechtsgrund ![]() ![]() | 26 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Beschwerde des Hans Schoch wird, soweit sie nicht gegenstandslos geworden ist, abgewiesen.
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