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12. Urteil vom 16. Mai 1962 i.S. Falk gegen Direktion der Justiz des Kantons Zürich und Baugenossenschaft Rotach | |
Regeste |
Beschränkung des Kündigungsrechts. |
Die Kantone dürfen bei der Einführung der bundesrechtlichen Beschränkungen des Kündigungsrechts nicht nurderen örtlichen, sondern, auch den sachlichen Geltungsbereich beschränken. |
Eine kantonale Bestimmung, nach welcher diese Beschränkungen nur für Mietverträge über Wohnungen mit einem Jahreszins bis zu einem bestimmten Betrag gelten, ist daher nicht bundesrechtswidrig (Erw. 2). |
Verstösst eine solche Bestimmung gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit? (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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"Die Vorschriften des Bundes über die Beschränkung des Kündigungsrechtes und über die Verlängerung von Mietverträgen mit fester Vertragsdauer finden im ganzen Kantonsgebiet Anwendung.
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Sie gelten für die der Mietzinskontrolle unterstehenden Mietverträge bzw. Untermietverträge und nichtlandwirtschaftlichen Pachtverträge über
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a) Räume, welche dem Mieter vertragsgemäss zu Wohnzwecken dienen. Ausgenommen sind Wohnungen mit einem Netto-Jahreszins über Fr. 3600.--.
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b) Räume, welche dem Mieter vertragsgemäss zu Geschäftszwecken dienen ..."
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B.- Der Beschwerdeführer Hans Falk ist auf Grund eines Vertrags vom 1. Juni 1949 Mieter des Einfamilienhauses Wasserwerkstrasse 31 in Zürich, das im Jahre ![]() | 6 |
Mit Schreiben vom 27. Mai 1961 kündigte die Vermieterin den Mietvertrag auf Ende September 1961 in der Annahme, die Mietsache sei nach § 1 Abs. 2 lit. a zürch. VO den Bestimmungen über die Beschränkung des Kündigungsrechtes nicht unterstellt. Der Mieter erhob Einsprache mit der Begründung, diese kantonale Bestimmung sei bundesrechtswidrig und verstosse überdies gegen das Verbot rechtsungleicher Behandlung.
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Das Mietamt der Stadt Zürich kam zum Schluss, dass jene Bestimmung gegen Bundesrecht verstosse, da dieses die Kantone nicht zur Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzes ermächtige. Es trat daher auf die Einsprache auf die Kündigung ein und hiess sie mangels gesetzlicher Kündigungsgründe gut.
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Hiegegen rekurrierte die Vermieterin an die Justizdirektion des Kantons Zürich. Diese hiess den Rekurs mit Verfügung vom 9. Januar 1962 gut, hob den Entscheid des Mietamts auf und trat auf die Einsprache des Mieters gegen die Kündigung nicht ein. In den Erwägungen führte sie aus, dass weder das Mietamt noch die Justizdirektion zur Überprüfung der zürch. VO auf ihre materielle Übereinstimmung mit dem Bundesrecht befugt und deren § 1 Abs. 2 lit. a daher für diese Behörden verbindlich sei. Übrigens sei, wie mit eingehender Begründung beigefügt wird, der Ausschluss des Mieterschutzes für Wohnungen mit Mietzinsen über Fr. 3600.-- jährlich zweifellos weder bundesrechtswidrig noch mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit unvereinbar.
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C.- Gegen diese Verfügung der Justizdirektion reichte Hans Falk beim Bundesgericht gleichzeitig eine Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68 lit. a OG und eine staatsrechtliche Beschwerde im Sinne von Art. 84 lit. a OG ein.
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Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt Falk die Aufhebung der Verfügung der Justizdirektion. Er beruft sich auf Art. 4 BV sowie Art. 2 Üb. Best. der BV und erhebt folgende Rügen:
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a) Indem die Justizdirektion die Prüfung der Frage, ob die zürch. VO bundesrechtswidrig sei, ablehne, beschränke sie ihre Kognition willkürlich.
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b) Die Justizdirektion habe auf Grund einer bundesrechtswidrigen kantonalen Bestimmung entschieden und damit den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts verletzt.
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c) § 1 Abs. 2 lit. a zürch. VO verstosse gegen das Gebot der Rechtsgleichheit.
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Die Begründung dieser Rügen ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.
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D.- Die Justizdirektion des Kantons Zürich und die Baugenossenschaft Rotach schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Der angefochtene Entscheid beruht auf der Annahme, dass die zürch. Verordnung über die Beschränkung des Kündigungsrechts und damit die in § 1 Abs. 2 lit. a derselben enthaltene Bestimmung für die kantonalen Mieterschutzbehörden (Mietämter der Gemeinden und kantonale Justizdirektion) schon deshalb verbindlich seien, weil diese als untergeordnete Verwaltungsbehörden nicht befugt seien, eine vom Regierungsrat als Oberbehörde auf Grund einer Ermächtigung des Bundesrates erlassene Verordnung daraufhin zu prüfen, ob sie bundesrechtswidrig sei oder gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit verstosse. Indessen wird diese Frage für die streitige Bestimmung in einer zusätzlichen Erwägung des angefochtenen ![]() | 18 |
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Nach Art. 1 der jeweils auf 4 Jahre befristeten Zusätze von 1952, 1956 und 1960 zur BV (AS 1952 S. 1055, 1956 S. 767, 1960 S. 993) kann der Bund Vorschriften über Mietzinse sowie zum Schutze der Mieter erlassen und seine Befugnisse den Kantonen übertragen. Gestützt hierauf hat die Bundesversammlung in den Art. 6 der Bundesbeschlüsse über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle vom 10. Juni 1953 und 28. September 1956 (AS 1953 S. 891 und 1956 S. 1618) sowie in Art. 13 des BB über Mietzinse für Immobilien usw. vom 21. Dezember ![]() | 20 |
Auf Grund dieser seit 1954 geltenden Ordnung steht jedenfalls fest, dass die Kantonsregierungen zur Einführung der Kündigungsbeschränkungen nicht verpflichtet, sondern lediglich ermächtigt sind. Von einer Ermächtigung aber kann, sofern sich aus ihr nichts Gegenteiliges ergibt, nicht nur in vollem, sondern auch in beschränktem Umfange Gebrauch gemacht werden. Für die in Art. 18 EGG enthaltene Ermächtigung der Kantone, ein Einspracherecht gegen Liegenschaftskäufe nach Massgabe der Art. 19 ff. EGG einzuführen, hat das Bundesgericht daher entschieden, dass die Kantone zwar nicht über das Mass der nach Art. 19 und 21 EGG zulässigen Beschränkungen der Vertragsfreiheit hinaus, wohl aber weniger weit gehen dürfen (BGE 87 I 236 und 329). Das Gleiche muss für die Ermächtigung zur Einführung der Kündigungsbeschränkungen gelten. Die Kantone sind nicht befugt, weiter als die bundesrechtlichen Vorschriften in das Vertrags- und Eigentumsrecht einzugreifen und etwa die Umwandlung von Wohnin Geschäftsräume zu verbieten (BIRCHMEIER, Mietnotrechtserlasse S. 5 und dort in Anm. 2 angeführter Entscheid des Bundesrates vom 6. Juni 1947 i.S. Düring). Dagegen ist es ihnen nicht verwehrt, bei der Anwendbarerklärung der bundesrechtlichen Vorschriften deren Anwendungsbereich auch sachlich, d.h. auf Mietverträge über bestimmte Kategorien von Mietsachen, zu beschränken. Die bundesrechtliche ![]() | 21 |
Der Wortlaut der Art. 31 und 32 VMK mag freilich, wie auch der angefochtene Entscheid einräumt, die vom Beschwerdeführer vertretene Auslegung ebenfalls zulassen. Dass diese nicht dem Sinne der Ordnung entspricht, ergibt sich indessen eindeutig aus der Entstehungsgeschichte und der bisherigen unangefochtenen Handhabung der bundesrechtlichen Ordnung. Die Kündigungsbeschränkungen waren zunächst in dem vom Bundesrat gestützt auf ausserordentliche Vollmachten erlassenen BRB betreffend Massnahmen gegen die Wohnungsnot vom 15. Oktober 1941 (BMW) geregelt. Nach dessen Art. 1 waren die Kantone ermächtigt, die Bestimmungen des BMW oder einzelne derselben für das ganze Kantonsgebiet oder für bestimmte Gemeinden anwendbar zu erklären, "wenn und soweit dies zur Bekämpfung der Wohnungsnot erforderlich ist". Aus ![]() | 22 |
Von besonderer Bedeutung ist sodann, dass der Bundesrat, der die massgebenden Durchführungsvorschriften erlassen hat, offenbar von jeher der Auffassung war, die Kantonsregierungen seien befugt, von der ihnen erteilten Ermächtigung auch nur einen sachlich beschränkten Gebrauch zu machen. So berichtet er in seiner Botschaft zum BB von 1956 (BBl 1956 I S. 1053 ff.) eingehend von der in den Kantonen bezüglich des Kündigungsschutzes herrschenden "grössten Mannigfaltigkeit" und erwähnt nicht nur einen Kanton, wo der Schutz (nur an einem Ort und auch dort) nicht für Ein- und Zweizimmerwohnungen ![]() | 23 |
§ 1 Abs. 2 lit. a zürch. VO, wonach die Vorschriften des Bundes über die Beschränkung des Kündigungsrechtes nicht für Mietverträge über Wohnungen mit einem Netto-Jahreszins über Fr. 3600.-- gelten, ist demnach nicht bundesrechtswidrig.
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Nach der Rechtsprechung verstösst ein allgemein verbindlicher Erlass dann gegen Art. 4 BV, wenn er sich nicht auf ernsthafte, sachliche Gründe stützen lässt, sinn- und zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen trifft, die sich durch keine vernünftigen Gründe rechtfertigen lassen (BGE 84 I 105 mit Verweisungen). Die Beschränkung des Kündigungsschutzes auf verhältnismässig billige Wohnungen beruht, wie im angefochtenen Entscheid ausgeführt wird, auf der Überlegung, dass Mieter, welche einen grösseren Betrag für die Miete einer Altwohnung aufzuwenden vermögen, es leichter haben, eine Neuwohnung in ungefähr gleicher Preislage zu finden als jene Mieter, welche bisher weniger bezahlt haben und auf eine billigere Wohnung angewiesen sind. Dazu kommt, wie die Justizdirektion in der Beschwerdeantwort bemerkt, dass Wohnungen zu Zinsen über Fr. 3600.-- ausserhalb des Stadtgebietes, aber ![]() | 26 |
Die Festsetzung der Preisgrenze ist Ermessenssache und hängt von den örtlichen Verhältnissen ab. Ob der mit diesen vertraute Regierungsrat des Kantons Zürich die Preisgrenze im Jahre 1954 bei Fr. 3400.-- richtig augesetzt hat und ob sich angesichts der seitherigen Erhöhung der Mietzinsen in alten und neuen Bauten nicht eine Heraufsetzung gerechtfertigt hätte, hat das Bundesgericht nicht zu prüfen. Es könnte nur einschreiten, wenn diese Grenzziehung zwischen billigen und teueren Wohnungen offensichtlich und ohne jeden Zweifel unhaltbar wäre, was mit dem statistischen Nachweis, dass im Stadtgebiet von Zürich auch an Wohnungen mit Mietzinsen zwischen Fr. 3501.-- und 4000.-- grosser Mangel herrscht, noch nicht dargetan ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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