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16. Entscheid des Präsidenten des Bundesgerichts vom 7. Juli 1962 i.S. Paperconsult AG gegen Cepal und Mitbeteiligte. | |
Regeste |
Bezeichnung von Schiedsrichtern durch den Präsidenten des Bundesgerichts. |
- Bestimmung des für das Schiedsverfahren massgebenden Rechts. Genfer Protokoll über die Schiedsklauseln, vom 24. September 1923 (Erw. 1). |
- Voraussetzungen der Ernennung eines Schiedsrichters durch den Präsidenten des Bundesgerichts. Bedeutung des Umstands, dass die säumige Partei die Gültigkeit der Schiedsabrede bestreitet (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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"Règlement de litiges: Les litiges et différends qui pourraient s'élever au sujet de ce contrat doivent être réglés autant que possible à l'amiable. En cas d'échec, les litiges seront réglés par un tribunal arbitral. Chacune des parties désigne un arbitre dans les deux mois qui suivent la date de la constatation de l'échec des pourparlers à l'amiable. Les deux arbitres désignent le président dans le délai d'un mois après la nomination du deuxième arbitre. Si une partie devait omettre de désigner son arbitre dans le délai prévu ou si les arbitres ne pouvaient se mettre d'accord sur la personne du président dans le délai prévu, l'arbitre ou le président manquant serait désigné par le Président du Tribunal Fédéral Suisse.
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Le tribunal arbitral a son siège à Zurich; il juge d'après le droit suisse."
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Nachdem die Gesuchstellerin ihre Studienarbeiten abgeliefert hatte, entstanden wegen der Bezahlung der Rechnungen Differenzen, die auch in wiederholten Verhandlungen nicht behoben werden konnten. Die Gesuchstellerin teilte daher am 20. Dezember 1961 den Gesuchsgegnern mit, dass sie nunmehr die Angelegenheit dem Schiedsgericht unterbreite; gleichzeitig gab sie den Namen des von ihr bezeichneten Schiedsrichters bekannt und forderte die Gesuchsgegner auf, innert vertraglicher Frist ihren Schiedsrichter zu nennen. Die Gesuchsgegner antworteten nicht, worauf die Gesuchstellerin am 29. Januar 1962 Mitteilung und Aufforderung wiederholte, aber wiederum ohne Antwort blieb.
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B.- Unter Berufung auf Art. 15 des Vertrages vom 19. Juli 1960 ersuchte die Paperconsult AG den Präsidenten des Bundesgerichts, an Stelle der Gesuchsgegner einen Schiedsrichter zu ernennen.
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Mit Vernehmlassung vom 13. April 1962 bestritten die Gesuchsgegner die Zuständigkeit des Bundesgerichtspräsidenten zur nachgesuchten Bezeichnung eines Schiedsrichters. Sie machten Folgendes geltend: Der Vertrag vom 19. Juli 1960 unterstehe dem spanischen Recht; die normalen Vorkehren zur Einleitung des Schiedsverfahrens seien nicht getroffen worden; zu einem Schiedsverfahren und zur Bezeichnung der Schiedsrichter bestehe erst Anlass, wenn eine gütliche Lösung, wie sie in erster Linie vorgesehen und bisher nicht in die Wege geleitet worden sei, sich als unmöglich erweise; der Vertrag sei durch Schreiben der Gesuchsgegner vom 31. Januar 1961 aufgelöst worden, daher Art. 15 nicht mehr anwendbar; Art. 15 des Vertrages sei nach spanischem Recht nichtig, weil er einem Grundsatz der öffentlichen Ordnung widerspreche und die Erfordernisse des Gesetzes vom 22. Dezember 1953 nicht erfülle.
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C.- Mit Gegeneingabe vom 15. Mai 1962 hielt die Gesuchstellerin an ihrem Antrag fest und wies die vorerwähnten Einwendungen im einzelnen zurück. Zum Nachweis für die Zulässigkeit der Schiedsklausel und des Vorgehens der Gesuchstellerin auch nach spanischem Recht wurde ein Rechtsgutachten eines spanischen Dozenten vorgelegt. Weiter machte die Gesuchstellerin geltend, das Schiedsgericht unterstehe nach Art. 15 Abs. 2 des Vertrages dem Zürcher Recht; gemäss § 369 a der Zürcher ZPO entscheide das Schiedsgericht (unter Vorbehalt des Rekurses an das Obergericht) über die Gültigkeit einer Schiedsklausel und über seine Kompetenz auch dann, wenn die Gültigkeit des Schiedsvertrages bestritten wird; deshalb müsse in einem solchen Falle trotz Bestreitung der Gültigkeit der Schiedsklausel das Schiedsgericht doch gebildet werden, nötigenfalls im Wege der Ernennung ![]() | 8 |
Hierüber zieht der Präsident des Bundesgerichts in Erwägung: | |
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Gemäss Art. 2 Abs. 1 des vorerwähnten Genfer Protokolls ist für das Verfahren in Schiedssachen, einschliesslich der Zusammensetzung des Schiedsgerichts massgebend der Parteiwille und die Gesetzgebung des Landes, auf dessen Gebiet das Schiedsverfahren stattfindet. Landesgesetzgebung im letztern Sinne wäre hier das in der Schweiz geltende Recht, weil die Parteien in Art. 15 Abs. 2 ihres Vertrages Zürich als Sitz des Schiedsgerichts vereinbarten, das Schiedsverfahren also in Zürich stattzufinden hat. Hieraus würde auch folgen, dass in diesem Falle das Zivilprozessrecht des Kantons Zürich massgebliches Recht ist; denn nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung und herrschender schweizerischer Lehre ist die Schiedsabrede ein prozessrechtlicher Vertrag und als solcher wird er vom kantonalen Rechte beherrscht (BGE 41 II 534;BGE 71 II 116, 179;BGE 78 I 358, 361; GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht ![]() | 10 |
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Gemäss Art. 15 des Vertrages kann eine Partei, wenn sie ihren Schiedsrichter bezeichnet hat und die Gegenpartei innert 2 Monaten nach Konstatierung des Scheiterns von Verständigungsverhandlungen trotz Aufforderung ihren Schiedsrichter nicht nennt, den Präsidenten des schweizerischen Bundesgerichts ersuchen, an Stelle der säumigen Partei einen Schiedsrichter zu ernennen. Ein solches Gesuch hat die Paperconsult AG am 29. März 1962 gestellt.
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Weder im Gesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG), noch in der Bundeszivilprozessordnung, noch sonstwo ist vorgesehen, dass der Präsident des Bundesgerichts oder der Präsident einer Abteilung des Bundesgerichts auf Verlangen einer Partei einen Schiedsrichter zu ernennen habe. Es ist aber ständige Praxis, dass der Präsident des Bundesgerichts, wenn er (in seiner Eigenschaft als Inhaber dieses Amtes) in der Schiedsklausel als Ernennungsinstanz bezeichnet wurde, einem Begehren auf Ernennung eines Schiedsrichters entspricht, sofern die Gegenpartei mit der verlangten Ernennung einverstanden ist. Ob diese Praxis auf blosser Übung oder auf Gewohnheitsrecht beruht, braucht hier nicht erörtert zu werden.
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Eine andere Frage ist die, wie es sich verhält, wenn die Gegenpartei gegen ein solches Gesuch Widerspruch erhebt. Hier ist zu unterscheiden:
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Wird die Gültigkeit des Hauptvertrags bestritten, auf den ![]() | 15 |
Wird dagegen, wie im vorliegenden Falle, die Gültigkeit der Schiedsabrede bestritten, so kann der gestützt auf entsprechende Schiedsabrede von einer Partei um Ernennung eines Schiedsrichters ersuchte Dritte, z.B. der Präsident des Bundesgerichts, über die Gültigkeit der Schiedsabrede nicht befinden, sofern er nicht in gültiger Schiedsabrede dazu ausdrücklich ermächtigt worden ist. Und selbst im letzteren Fall besteht, anders als nach kantonalen Prozessordnungen für kantonale Richter, keine Rechtspflicht des Präsidenten des Bundesgerichts, einen Schiedsrichter zu ernennen; im vorliegenden Fall fehlt übrigens eine solche ausdrückliche Ermächtigung. Abgesehen davon, dass eine solche Rechtspflicht des Präsidenten des Bundesgerichts nicht besteht, müsste sie auch aus praktischen Erwägungen abgelehnt werden; denn die Abklärung der Frage der Gültigkeit der Schiedsabrede würde häufig ein kontradiktorisches Verfahren und Beweiserhebungen erfordern, was ausserhalb der Zuständigkeit des Präsidenten des Bundesgerichts liegt. Über die Gültigkeit und Tragweite einer Schiedsabrede und damit über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts kann endgültig nur der zuständige staatliche Richter entscheiden, nicht das Schiedsgericht (BGE 7 707, 27 II 515, 38 II 556/7, 40 ![]() | 16 |
Zu prüfen bleibt, ob der Präsident des Bundesgerichts bei bestrittener Gültigkeit der Schiedsabrede wenigstens vorfrageweise über die Gültigkeit der Schiedsabrede befinden kann. Diese Frage ist zu verneinen. Einem Dritten, z.B. einem Richter, dem die Parteien gemäss Schiedsabrede die Bezeichnung eines Schiedsrichters übertragen haben, kommt nur diese Befugnis zu, nicht aber die Zuständigkeit zur Beurteilung anderer Streitpunkte, wie sie dem ordentlichen Richter zusteht. Im Zweifel darf nicht angenommen werden, dass die Parteien dem für die Ernennung eines Schiedsrichters vorgesehenen Richter eine weitere Befugnis übertragen wollten, insbesondere etwa die Befugnis zum Entscheid darüber, ob die Schiedsabrede gültig sei, wenn sich hierüber unter den Parteien Meinungsverschiedenheiten ergeben. Die Frage der Gültigkeit muss durch den ordentlichen Richter entschieden werden.
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Hieran ändert auch die Vorschrift von § 369 a Zürcher ZPO nichts. Diese Vorschrift bedeutet eine Abschwächung des Grundsatzes, dass über die Gültigkeit der Schiedsabrede nicht das bestellte Schiedsgericht entscheidet. Sie überträgt den Entscheid hierüber nicht sofort dem ordentlichen Richter, sondern weist diesen Entscheid vorerst dem Schiedsgericht zu, jedoch unter Vorbehalt des endgültigen ![]() | 18 |
Die Vorschrift von § 369 a Zürcher ZPO ändert nichts an der Rechtsstellung des Präsidenten des Bundesgerichts in der Frage der Ernennung eines Schiedsrichters für ein Schiedsgericht, das seinen Sitz im Kanton Zürich hat. Diese Rechtsstellung ist in keiner Weise abhängig von einer Besonderheit kantonaler Bestimmungen über Schiedsgerichte. Das Bundesgericht und sein Präsident unterstehen nicht der kantonalen Ordnung und seine Befugnisse können nicht je nach dem Inhalt kantonaler Vorschriften oder gar fremdstaatlicher Bestimmungen über die Schiedsgerichte ändern.
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