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13. Auszug aus dem Urteil vom 8. Mai 1963 i.S. Konservativ-christlichsoziale Volkspartei Grenchen und Pfister gegen Gemeinderat Grenchen und Regierungsrat des Kantons Solothurn. | |
Regeste |
Unvereinbarkeit: Die Tätigkeit als Lehrer an der Kaufmännischen Berufsschule Grenchen ist nach geltendem Recht mit der Mitgliedschaft in der Schulkommission der Einwohnergemeinde Grenchen nicht unvereinbar. | |
Sachverhalt | |
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A.- Die nach dem Proporzwahl-System durchzuführenden Kommissionswahlen der Einwohnergemeinde Grenchen waren vom Einwohnergemeinderat auf den 23. Juli 1961 angesetzt worden. Die politischen Parteien wurden eingeladen, ihre Kandidatenlisten einzureichen, worauf die konservativ- christlichsoziale Volkspartei der Einwohnergemeinde Grenchen Willy Pfister, Handelslehrer in Grenchen, als Mitglied der Schulkommission vorschlug.
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Da von allen Parteien zusammen nicht mehr Kandidaten vorgeschlagen wurden, als Mandate zu vergeben waren, und weil von keiner Seite Einsprache gegen die portierten Kandidaten erhoben wurde, fanden die auf den 23. Juli 1961 angesetzten Wahlen nicht statt. Der Gemeinderat erklärte die vorgeschlagenen Kandidaten in seiner Sitzung vom 20. Juli 1961 als in stiller Wahl gewählt, behielt sich ![]() | 3 |
Am 20. Februar 1962 beschloss der Gemeinderat der Einwohnergemeinde Grenchen mit 22 gegen 5 Stimmen, bei 2 Stimmenthaltungen, die Wahl des Willy Pfister in die Schulkommission nicht zu "validieren".
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B.- Die von der konservativ-christlichsozialen Volkspartei der Einwohnergemeinde Grenchen und Willy Pfister gegen diesen Beschluss eingereichte Beschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Solothurn am 15. Januar 1963 ab. Immerhin forderte er den Gemeinderat auf, "Herrn Willy Pfister nachträglich noch eine Frist anzusetzen zur Abgabe der Erklärung, ob er auf das Amt eines Handelslehrers oder die Mitgliedschaft in der Schulkommission verzichte".
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C.- Diesen Entscheid des Regierungsrates vom 15. Januar 1963 fechten die konservativ-christlichsoziale Volkspartei der Einwohnergemeinde Grenchen und Willy Pfister mit staatsrechtlicher Beschwerde an. Sie beantragen, den angefochtenen Entscheid wegen Verletzung von Art. 4 und 43 BV und Art. 8 und 55 der solothurnischen Kantonsverfassung (KV) aufzuheben.
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D.- Der Regierungsrat des Kantons Solothurn beantragt Abweisung der Beschwerde; die Einwohnergemeinde Grenchen hat auf Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1./2. - ...
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Mit dem hier umschriebenen Vorbehalt des Gesetzes wird zum Ausdruck gebracht, dass nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen Unvereinbarkeit zwischen zwei Beamtungen oder zwischen einer Berufsart und einer bestimmten Beamtung angenommen werden darf. Im vorliegenden Falle ist deshalb zu prüfen, ob eine gesetzliche Grundlage bestehe, die zu sagen erlaubt, die Tätigkeit als Lehrer an der Kaufmännischen Berufsschule sei mit derjenigen eines Mitgliedes der Schulkommission nicht vereinbar. Da es sich dabei um Inhalt und Tragweite politischer Rechte handelt, ist das Bundesgericht bei der Überprüfung dieser Frage frei (BGE 75 I 245, BGE 83 I 176).
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Eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung des Inhaltes, dass ein Lehrer der Kaufmännischen Berufsschule nicht Mitglied der Schulkommission sein dürfe, fehlt. Der Regierungsrat stellt dies nicht in Abrede, macht jedoch zur Begründung seiner Auffassung geltend, in Ansehung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dass ein Funktionär nicht Mitglied seiner eigenen Aufsichtsbehörde sein könne, ergebe sich die Unvereinbarkeit Primarlehrer/Mitglied der Schulkommission "sinngemäss" aus § 66 des Primarschulgesetzes vom 27. April 1873 (PSG) und es würde eine rechtsungleiche Behandlung darstellen, wenn bei den Handelslehrern nicht die gleiche Regelung wie bei den Primarlehrern angewendet würde. Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen.
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Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ein allgemeiner, in den schweizerischen Kantonen durchwegs anerkannter Rechtsgrundsatz, dass ein Funktionär nicht Mitglied seiner eigenen Aufsichtsbehörde sein kann, nicht besteht. Im Gegenteil erscheint nach GIACOMETTI (Staatsrecht der schweizerischen Kantone, S. 280) "eine Kumulation von ![]() | 13 |
Im solothurnischen Recht ist eine besonders sorgfältige Trennung der Gewalten nicht verwirklicht worden. Zwar können nach Art. 23 KV die kantonalen Verwaltungsbeamten und die Angestellten anderer Staatsorgane nicht Mitglieder des Grossen Rates sein, doch gilt diese Bestimmung nur für die Beamten und Angestellten des Kantons. Mit Bezug auf die Beamten und Angestellten der Gemeinden bestimmt dagegen § 94 Abs. 3 des Gemeindegesetzes vom 27. März 1949 (GG) nur: "Die Gemeindeordnung kann bestimmen, dass die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Gemeindeverwaltung nicht Mitglieder des Gemeinderates sein können". Die gleiche Regelung gilt gemäss § 114 Abs. 3 GG auch bei den Wahlen in die Gemeindekommissionen. Sofern das Recht der Gemeinden nicht etwas anderes vorsieht, ist es demnach grundsätzlich zulässig, als Beamter, Angestellter oder Arbeiter der Gemeindeverwaltung tätig zu sein und gleichzeitig dem Gemeinderat oder einer Gemeindekommission anzugehören.
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Weshalb nach Schulgesetz die Zugehörigkeit von Lehrern zur Schulkommission ausgeschlossen und damit etwas ![]() | 15 |
Zu Unrecht beruft sich der Regierungsrat auf § 98 der Vollziehungsverordnung vom 26. Mai 1877 zum Primarschulgesetz. Diese vom Regierungsrat erlassene Vorschrift ist nicht eine Norm der Gesetzesstufe und würde deshalb ![]() | 16 |
Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, dass es an der gemäss Art. 4 KV erforderlichen gesetzlichen Grundlage für die Annahme einer Unvereinbarkeit zwischen der Tätigkeit als Lehrer an der Kaufmännischen Berufsschule Grenchen und derjenigen als Mitglied der Schulkommission fehlt. Der angefochtene Entscheid, mit welchem diese Unvereinbarkeit in Übereinstimmung mit der Auffassung des Gemeinderates Grenchen bejaht worden ist, verletzt somit eine Verfassungsbestimmung und ist deshalb aufzuheben. Zur Frage, ob auch Handelslehrer nicht der Schulkommission angehören dürften, wenn Primarlehrer von dieser Behörde ausgeschlossen wären, braucht unter diesen Umständen nicht Stellung genommen zu werden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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