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30. Urteil vom 5. Juni 1963 i.S. Gerber und Schmid gegen VIertelsgemeinde Bolligen und Regierungsrat des Kantons Bern. | |
Regeste |
Eigentumsgarantie. |
Zoneneinteilung: Ermessen der Gemeinden bei der Abgrenzung der Zonen (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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- "die Stellung der Häuser und ihre Gruppierung, die Reihenbildung, die Dachgestaltung, die Gebäude- und Grenzabstände, die Geschosszahl und andere Fragen der Bauweise" (Art. 2 Abs. 3 BG);
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- "den Grad der Ausnützung des Baugrundes" (Art. 5 Ziff. 2 BG) und
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- "die Verhütung von wesentlichen Beeinträchtigungen schöner oder geschichtlich wertvoller Landschafts-, Orts- und Strassenbilder"; dabei "können insbesondere auch geschichtlich oder künstlerisch wertvolle Bauwerke, Baukomplexe und historische Stätten gegen Beeinträchtigungen, die im Blick auf die Bedeutung dieser Bauwerke oder historischen Stätten nicht zu rechtfertigen sind, geschützt werden" (Art. 5 Ziff. 5 BG).
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Ausserdem können die Gemeinden "das Baugebiet vom übrigen Gebiet, welches der land-, forst- und rebwirtschaftlichen ![]() | 5 |
B.- Am 5. Juli 1962 hat die Viertelsgemeinde Bolligen/BE ein Baureglement (BR) erlassen, durch welches das ganze Gebiet der Gemeinde in eine Landwirtschaftszone und in ein neun Zonen, darunter eine mit der Bezeichnung E 1 (Einfamilienhauszone, eingeschossig), umfassendes Baugebiet unterteilt wird (Art. 35 BR).
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In der Landwirtschaftszone, die "der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten" ist (Art. 34 Abs. 1 und Art. 44 Abs. 1 BR), werden nichtlandwirtschaftliche Bauten nur bewilligt, wenn "keine Beeinträchtigung von Landschaftsbild, landwirtschaftlicher Nutzung und späterer Planungsmöglichkeiten daraus entsteht" (Art. 44 Abs. 2 lit. b BR). Für solche nichtlandwirtschaftliche Bauten in der Landwirtschaftszone gelten "die Vorschriften der Zone E 1, jedoch mit der Ausnützungszahl 0,1" (Art. 44 Abs. 3 BR).
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Die Zone E 1 "ist für freistehende Einfamilienhäuser bestimmt", doch ist auch gestattet, dort "Doppeleinfamilienhäuser" zu errichten (Art. 39 Abs. 1 BR). Alle Gebäude in dieser Zone dürfen nur ein einziges Geschoss aufweisen; es gilt ausserdem die Ausnützungszahl 0,2, sodass höchstens 2/10 der reinen Grundstückfläche überbaut werden dürfen (Art. 36 und 29 BR).
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C.- Der zusammen mit dem Baureglement in der Versammlung der Viertelsgemeinde Bolligen vom 5. Juli 1962 angenommene Zonenplan weist die in der Nähe von Bantigen liegende Parzelle Nr. 1750 (10'980 m2) des Gottfried Gerber und die benachbarte Parzelle Nr. 1749 (8500 m2) des Karl Schmid der Landwirtschaftszone zu. Diese beiden ![]() | 9 |
D.- Mit Entscheid vom 15. Januar 1963 genehmigte der Regierungsrat des Kantons Bern "das von der Viertelsgemeinde Bolligen am 5. Juli 1962 beschlossene, vom Grossen Gemeinderat der Einwohnergemeinde Bolligen am 24. Oktober 1962 genehmigte Baureglement mit Zonen- und Strassenübersichtsplan", allerdings "unter Vorbehalt der Drittmannsrechte" und gewisser im Entscheid selber genannter Ausnahmen; die Einsprachen der Grundeigentümer Gerber und Schmid wurden abgewiesen.
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E.- Diesen Entscheid fechten Gottfried Gerber und Karl Schmid mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV (rechtsungleiche Behandlung, Willkür) und Art. 89 KV (Eigentumsgarantie) an. Sie beantragen, ihn mit Bezug auf die Parzellen Nr. 1750 und 1749 aufzuheben.
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F.- Der Regierungsrat des Kantons Bern und die Viertelsgemeinde Bolligen beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Die Beschwerdeführer behaupten, Art. 44 des Baureglementes der Viertelgemeinde Bolligen fehle weitgehend die für jeden Eingriff in das Privateigentum erforderliche gesetzliche Grundlage. Das Bundesgericht kann diese Frage nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür überprüfen. Es ist zwar richtig, dass nach ständiger Rechtsprechung der staatsrechtlichen Kammer die gesetzliche Grundlage klar und deutlich sein muss, wenn die darauf beruhenden Baubeschränkungen ausserordentlich einschneidend sind und wesentlich über das in der Schweiz gewohnte Mass hinaus gehen. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass diese Praxis sich nur auf die ![]() | 13 |
Gemäss Art. 6 Abs. 4 BG können die Gemeinden vorschreiben, dass nichtlandwirtschaftliche Bauten in der Landwirtschaftszone "nur bewilligt werden, wenn Staat und Gemeinden durch Bau und Unterhalt der für die Erschliessung nötigen Strassen, Kanalisations- und Werkleitungen nicht belastet werden". Die Beschwerdeführer leiten daraus ab, allen weitergehenden Beschränkungen gemäss Art. 44 BR - insbesondere der in Art. 44 Abs. 3 vorgesehenen Beschränkung des Ausnützungsgrades auf 1/10 der Grundstücksfläche - fehle die gesetzliche Grundlage. Zur Begründung dieser Auffassung wird auf die Botschaft hingewiesen, welche der Grosse Rat im Jahre 1958 bei der Abstimmung über das Baugesetz an die Stimmberechtigten ![]() | 14 |
Die Viertelsgemeinde Bolligen weist demgegenüber darauf hin, dass eine derartige Absicht des Gesetzgebers im Gesetzestext selber nicht zum Ausdruck komme und deshalb bei der Auslegung des Baugesetzes nicht massgeblich sein dürfe. Die den Gemeinden durch Art. 6 Abs. 1 BG eingeräumte Möglichkeit, ein gewisses Gebiet der landwirtschaftlichen Nutzung vorzubehalten, werde durch Art. 6 Abs. 4 BG nicht aufgehoben. Die Viertelsgemeinde Bolligen hätte es deshalb sogar gänzlich verbieten können, in der Landwirtschaftszone nichtlandwirtschaftliche Gebäude zu errichten. Eine Gesetzesverletzung liege deshalb nicht vor, wenn die Errichtung derartiger Bauten nur unter gewissen Voraussetzungen bewilligt werde.
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Der Regierungsrat hält der Auffassung der Beschwerdeführer entgegen, es sei richtig, dass der Grosse Rat die Gemeinden nicht habe ermächtigen wollen, die Errichtung nichtlandwirtschaftlicher Bauten in der Landwirtschaftszone gänzlich zu verbieten und damit "den Tatbestand der materiellen Enteignung" mit entsprechender Entschädigungspflicht der Gemeinde herbeizuführen. Es dürfe aber Art. 6 Abs. 1 BG nicht übersehen werden, welche Bestimmung es den Gemeinden ermögliche, gewisse Gebiete der landwirtschaftlichen Nutzung vorzubehalten. Der von den Beschwerdeführern angeführte Passus aus der grossrätlichen Botschaft besage deshalb nicht, dass es den Gemeinden verboten sei, die Landwirtschaftszone in erster Linie der landwirtschaftlichen Nutzung vorzubehalten.
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Ob die Gemeinden gestüzt auf Art. 6 Abs. 1 BG berechtigt wären, das Errichten nichtlandwirtschaftlicher Bauten in der Landwirtschaftszone überhaupt zu verbieten, braucht im vorliegenden Falle nicht abgeklärt zu werden. Wichtig ist nur, dass ohne Willkür gesagt werden kann, weder Abs. 1 noch Abs. 4 von Art. 6 BG verbiete im Zusammenhang mit der Landwirtschaftszone die Anwendung der Vorschriften, ![]() | 17 |
Als Grundlage dafür, dass nach Art. 44 Abs. 2 lit. b BR nichtlandwirtschaftliche Bauten in der Landwirtschaftszone keine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes zur Folge haben dürfen, lässt sich ohne Willkür Art. 5 Ziff. 5 BG heranziehen, womit den Gemeinden das Recht eingeräumt wird, Vorschriften über "die Verhütung von wesentlichen Beeinträchtigungen schöner oder geschichtlich wertvoller Landschafts-, Orts- und Strassenbilder..." zu erlassen. Richtig ist allerdings, dass ein blosser Vergleich des Wortlautes dieser beiden Bestimmungen zur Auffassung führen könnte, das Gemeindebaureglement überschreite den durch das kantonale Baugesetz gezogenen Rahmen. Wahrscheinlich ist indessen, dass unter Verzicht auf Präzisierungen, die nicht als unbedingt notwendig erachtet werden konnten, mit der kürzeren Fassung gemäss Art. 44 ![]() | 18 |
Es trifft zu, dass ausserdem nach Art. 44 Abs. 2 lit. b BR nichtlandwirtschaftliche Bauten in der Landwirtschaftszone nur bewilligt werden, "wenn keine Beeinträchtigung ... landwirtschaftlicher Nutzung und späterer Planungsmöglichkeiten daraus entsteht". Inwiefern dies dem kantonalen Baugesetz widersprechen sollte, tut die Beschwerde nicht dar, so dass in diesem Punkte auf sie nicht einzutreten ist (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Wäre jedoch auf sie einzutreten, so müsste darauf hingewiesen werden, dass Art. 44 BR einen unlösbaren Widerspruch enthielte, wenn diese Vorschrift einerseits unter bestimmten Voraussetzungen die Errichtung nichtlandwirtschaftlicher Bauten in der Landwirtschaftszone gestatten, gleichzeitig aber den Bau solcher Objekte in der gleichen Zone überhaupt verbieten würde. Art. 44 BR kann deshalb vernünftigerweise nur so verstanden werden, dass die Voraussetzungen, unter denen die Errichtung nichtlandwirtschaftlicher Bauten bewilligt wird, lediglich eine beschränkte Tragweite besitzen und deshalb die grundsätzlich gestattete Bautätigkeit nicht ![]() | 19 |
- der Hinweis auf die landwirtschaftliche Nutzung in Art. 44 Abs. 2 lit. b BR diene lediglich dazu, in der Landwirtschaftszone jene Bauten zu verhindern, "welche im Einzelfalle die besondere Zweckbestimmung dieser Zone im umliegenden Gebiet beeinträchtigen", und
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- die Vorschrift, dass nichtlandwirtschaftliche Bauten in der Landwirtschaftszone spätere Planungsmöglichkeiten nicht beeinträchtigen dürfen, stelle nur einen Hinweis auf Art. 36 BG dar, wonach die Gemeinde die Möglichkeit habe, einem Baugesuch mit einem Baulinienplan zu begegnen.
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Wird die Viertelsgemeinde Bolligen bei diesen Zusicherungen behaftet, so ist, unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür betrachtet, nicht ersichtlich, weshalb es den angefochtenen Vorschriften an einer gesetzlichen Grundlage fehlen sollte.
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Die Beschwerde beanstandet die Festlegung der "Ausnützungszahl" ![]() | 24 |
Bei einer solchen Betrachtungsweise wird übersehen, dass es eines der mit der Einteilung des Gemeindegebietes in verschiedene Zonen angestrebten Ziele ist, die "Streubauweise" zu verhindern und der Landwirtschaft diejenigen Parzellen vorzubehalten, die sich für die landwirtschaftliche Nutzung am besten eignen. Dass dies im öffentlichen Interesse geboten ist, lässt sich nicht bestreiten, und weil solche Ziele von den Gemeinden nur erreicht werden können, wenn diese für das Bauen in der Landwirtschaftszone einschneidendere Beschränkungen vorsehen als für die Errichtung von Bauten in anderen Zonen, stellt es eine durch das öffentliche Interesse gerechtfertigte Massnahme dar, für die Landwirtschaftszone einen kleineren Ausnützungsgrad vorzusehen als für die Zone E 1. Ausserdem lässt sich eine Ausnützungszahl von 0,1 nicht als prohibitiv bezeichnen, denn es ist keineswegs übertrieben, einem Bauherrn, der in der Landwirtschaftszone ein Haus mittlerer Grösse (Grundfläche 120-150 m2) errichten will, den Kauf eines Grundstückes von 1200-1500 m2 zuzumuten. Schliesslich ist auch darauf hinzuweisen, dass - wie sich dem bei den Akten liegenden Zonenplan entnehmen lässt - das eigentliche Baugebiet der Viertelsgemeinde Bolligen nicht nur ![]() | 25 |
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Die Beschwerde führt in diesem Zusammenhange aus, die Parzellen Nr. 1749 und 1750 seien mit Rücksicht auf Lage, Grösse, Verkehrsverhältnisse und Kanalisationsmöglichkeiten Bauland, dem die "Eignung zur Versetzung in eine Landwirtschaftszone" fehle. - Demgegenüber ist festzuhalten, dass die Parzellen der Beschwerdeführer weit entfernt von jeder Siedlung liegen und bis anhin landwirtschaftlich genutzt wurden, auch wenn dabei vielleicht gewisse Schwierigkeiten zu überwinden oder in Kauf zu nehmen waren. Schon dies schliesst es aus, die Zuteilung der beiden Grundstücke zur Landwirtschaftszone als willkürlich zu bezeichnen. Dass die Liegenschaft des Gottfried Gerber nach Auffassung eines privat bestellten Experten "keine landwirtschaftliche Existenz für eine Familie bietet", ist dabei ebensowenig von Bedeutung wie der Umstand, dass die Parzelle Nr. 1749 anscheinend ohne erheblichen Nachteil für die landwirtschaftliche Nutzung aus dem Landwirtschaftsbetrieb des Beschwerdeführers Schmid herausgelöst werden könnte. Ein Zonenplan lässt sich nur rechtfertigen,wenn damit das von ihm erfasste Gebiet mit einer gewissen Grosszügigkeit grossflächig unterteilt wird; ![]() | 27 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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