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38. Urteil vom 10. Juli 1963 i.S. Zürrer gegen Glaus und Regierungsrat des Kantons St. Gallen. | |
Regeste |
Art. 88 OG, Art. 4 BV. |
2. Rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren: Der Dritte, dessen rechtlich geschützte Interessen durch die im Verfahren zu treffende Verfügung unmittelbar berührt werden, hat Anspruch darauf, im Verfahren gehört zu werden (Erw. 3). |
3. Willkürliche Umteilung von Tierbeständen, die einem Tierarzt im Tuberkulose- und Bangbekämpfungsverfahren zur Kontrolle zugewiesen worden sind? (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 1. April 1959 eröffnete Dr. med. vet. Anton Glaus, Sohn des Kreistierarztes Dr. med. vet. A. Glaus in Tübach, eine eigene tierärztliche Praxis in St. Gallen-Ost. Am 1. Juli 1959 ging die Praxis des zum Kantonstierarzt gewählten Dr. Krapf in St. Gallen-Zentrum auf Grund eines Kaufvertrages an Dr. med. vet. Oskar Zürrer über. Dr. Krapf hatte im Tuberkulose- und Bangbekämpfungsverfahren 4359 Tiere in St. Gallen und Umgebung betreut. Nach Verwaltungsübung ging die Betreuung dieser Tiere vorläufig auf Dr. Zürrer über. Am 28. Dezember 1959 ordnete das kantonale Volkswirtschaftsdepartement jedoch an, dass Dr. Zürrer 248 Tiere aus den Gemeindegebieten St. Gallen-West und Gaiserwald (Abtwil) an Tierarzt Dr. Künzle in Gossau abzugeben habe. Am 18. Januar 1960 verfügte das Departement sodann, dass Dr. Zürrer aus dem Gemeindegebiet St. Gallen-Ost und allenfalls Kronbühl rund 600 Tiere und aus dem Gemeindegebiet Eggersriet rund 75 Tiere an Dr. Glaus abzutreten habe. Das Departement bot Dr. Glaus aus den Beständen von Dr. Zürrer und zweier weiterer Kontrolltierärzte ausserdem etwa 350 Tiere aus dem Gemeindegebiet Eggersriet an; Dr. Glaus lehnte dieses Angebot jedoch ab, weil die fraglichen Bestände von Heiden aus besser betreut werden könnten, weshalb ein in St. Gallen wohnhafter Tierarzt in Eggersriet keine Privatkunden finden werde.
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Am 19. Dezember 1960 verfügte das Departement, dass Dr. Glaus die von Dr. Zürrer bereits übernommenen rund 700 Tiere zugeteilt erhalte und dass er sich bis zum 31. Dezember 1960 zu entscheiden habe, ob er rund 75 Tiere aus sieben Beständen von Dr. Zürrer in Eggersriet übernehmen wolle oder nicht; sollte Dr. Glaus auf der ![]() | 3 |
C.- Der Regierungsrat hat den Rekurs am 29. Dezember 1962 dahin teilweise gutgeheissen, dass er Dr. Glaus insgesamt annähernd 1200 Tiere zur Kontrolle zugewiesen hat, und zwar durch eine Neuzuteilung von je 300 Tieren aus der Praxis von Dr. Glaus Vater in Tübach, der 3100 Tiere zu kontrollieren hatte, und aus der Praxis von Dr. Zürrer in St. Gallen-Ost, der 3780 Tiere betreute.
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Zur Begründung wird ausgeführt, der Kanton St. Gallen setze die frei praktizierenden Tierärzte als Kontrolltierärzte ein. Er übertrage damit den Tierärzten Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Der einzelne Tierarzt habe aber keinen Rechtsanspruch auf Übernahme einer derartigen Funktion. Nach dem in den "Richtlinien" der kantonalen Veterinärkommission umschriebenen Kontingentssystem sei grundzätzlich jeder Tierarzt berufen, als Kontrolltierarzt zu wirken. Bei der Zuteilung der Kontingente seien die Tierärzte rechtsgleich zu behandeln; Unterschiede seien nur aus tierseuchenpolizeilichen Gründen statthaft. Das jetzige System biete Gewähr dafür, dass die einzelnen Bestände in der Regel vom selben Kontrolltierarzt überwacht würden, auch erleichtere es die Bildung annähernd geschlossener Kontrollgebiete. Andererseits hafte dem System der Nachteil an, dass es schematisch von der bisherigen Zuteilung ausgehe und dadurch namentlich die jüngeren Tierärzte hintansetze; unbefriedigend sei vor allem, dass es den Tierarzt, der eine bestehende Praxis übernehme, vor demjenigen, der eine neue Praxis gründe, bevorzuge. Das Kontingentssystem sei insofern nicht wettbewerbsneutral, als es die Inhaber bestehender Praxen ![]() | 5 |
Nach den "Richtlinien", von denen grundsätzlich auszugehen sei, werde einem Tierarzt, der eine neue Praxis eröffne, anfänglich nur ein Kontrollbestand zugeteilt, der dem Minimum der untersten "Zone" (1000 Tiere) entspreche, und zwar erst nach mindestens ein- bis zweijähriger Tätigkeit. Zu Gunsten von Dr. Glaus jun. sei insofern eine Ausnahme gemacht worden, als ihm schon vor Ablauf eines Jahres seit der Praxiseröffnung einige hundert Tiere zugewiesen worden seien. Da nunmehr seit der Praxiseröffnung mehr als 3 3/4 Jahre verflossen seien, sei ein weiteres Entgegenkommen angebracht. Wohl habe Dr. Glaus seinerzeit die Übernahme der Kontrolle von 350 Tieren in Eggersriet abgelehnt. Werde der Grund dieser Stellungnahme (die geographische Lage der Gemeinde) gewürdigt und in Betracht gezogen, dass eine Annahme des betreffenden Angebotes heute wegen anderweitiger Zuteilung nicht mehr möglich sei, so solle dem Rekurrenten aus seiner früheren Ablehnung kein Nachteil erwachsen.
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E.- Dr. Glaus schliesst, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, allenfalls sei sie abzuweisen. Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde richtet sich nicht danach, ob der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren Parteistellung hatte, sondern ausschliesslich nach dem OG (BGE 86 I 102 Erw. 3 mit Verweisungen). Art. 88 OG gewährt das Recht der Beschwerdeführung Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen, die sie durch allgemein verbindliche Erlasse oder sie persönlich treffende Verfügungen erlitten haben. Dem Bürger und der Korporation steht die staatsrechtliche Beschwerde somit lediglich zur Wahrung ihrer eigenen Belange zu und zwar nur, wenn ein rechtlich ![]() | 10 |
Der Beschwerdegegner macht geltend, dem Beschwerdeführer fehle die Legitimation zur Beschwerde, weil ihm kein Rechtsanspruch auf Übernahme der amtlichen Funktion eines Kontrolltierarztes zustehe, so dass ihm aus dem angefochtenen Entscheid kein Rechtsnachteil erwachse. Dieser Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden. Richtig ist zwar, dass ein im Kanton St. Gallen niedergelassener praktizierender Tierarzt keinen Anspruch darauf hat, als Kontrolltierarzt bezeichnet zu werden. Wird er aber als solcher eingesetzt, so werden damit zwischen dem Kanton und ihm Rechtsbeziehungen geschaffen, die beiderseitige Rechte und Verpflichtungen in sich schliessen. Diese Rechtsbeziehungen sind sowohl im tierseuchenpolizeilichen Interesse als auch im Interesse des einzelnen Kontrolltierarztes auf eine gewisse Dauer angelegt; der Regierungsrat spricht im angefochtenen Beschluss sogar von einer Besitzstandsgarantie zu Gunsten der Kontrolltierärzte. Ob diese Wendung nicht zu weit gehe, kann offen bleiben; entscheidend ist, dass dem bestallten Tierarzt jedenfalls ein Rechtsanspruch darauf zuzubilligen ist, dass der Kanton die durch die Ernennung zum Kontrolltierarzt begründeten Rechtsbeziehungen nicht in gesetzwidriger Weise oder unter Missbrauch des behördlichen Ermessens einseitig auflöse. Kommt es, wie hier behauptet wird, zu einem solchen Eingriff, so stehen deshalb nicht nur tatsächliche, sondern auch rechtlich erhebliche Interessen des Kontrolltierarztes auf dem Spiel. Der Beschwerdeführer ist mithin zur Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV legitimiert.
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3. Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie eine ![]() | 12 |
Art. 188 des st. gallischen Organisationsgesetzes (OrgG) vom 29. Dezember 1947 schreibt in seinem ersten Satze vor: "Sind der Behörde am Verfahren nicht beteiligte Personen bekannt, deren rechtlich geschützte Interessen durch die zu treffende Verfügung unmittelbar berührt werden, so hat sie ihnen von Amtes wegen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben". Diese Bestimmung gilt nach Art. 185 OrgG vorbehältlich abweichender Vorschriften anderer Gesetze (die hier fehlen) für alle Verfahren vor den Verwaltungsbehörden des Kantons, also auch für das in Art. 202 OrgG vorgesehene Rekursverfahren vor dem Regierungsrat als der obersten Verwaltungsbehörde des Kantons (Art. 60 KV). Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdegegner im Rekursverfahren eine Zuteilung von Kontrollbeständen zu Lasten des Beschwerdeführers verlangt. Die Behörde konnte es sich daher nicht verhehlen, dass der Beschwerdeführer durch die zu treffende Verfügung unmittelbar in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt werde. Sie war darum nach Art. 188 OrgG (wie auch unmittelbar auf Grund von Art. 4 BV) gehalten, ihn im Rekursverfahren anzuhören.
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Der Regierungsrat bestreitet das nicht; er macht indessen geltend, der Beschwerdeführer habe Gelegenheit erhalten, seinen Standpunkt in dieser Sache bekannt zu geben, indem er auf den 9. Mai 1962 zu einer Besprechung in das Finanzdepartement eingeladen worden sei, das gemäss Art. 32 Abs. 4 des Geschäftsreglementes des Regierungsrates und der Staatskanzlei vom 7. Dezember 1951 den Rekurs zu prüfen und darüber Antrag zu stellen gehabt habe; spätestens anlässlich dieser Besprechung habe der zuständige Sachbearbeiter Dr. Brühwiler den Beschwerdeführer über den wesentlichen Inhalt der Rekurseingabe aufgeklärt. Auf eine Anfrage des Instruktionsrichters hin ![]() | 14 |
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Dieser Einwand geht fehl. Nach den Erwägungen des angefochtenen Entscheides lehnte der Beschwerdegegner das betreffende Angebot "im Hinblick auf die geographische Lage" der Gemeinde Eggersriet ab. Der Regierungsrat war sich dabei offensichtlich über den Sinn dieses Hinweises im Klaren: Der Beschwerdegegner befürchtete, dass die Viehbesitzer von Eggersriet nicht den im verhältnismässig weit entfernten St. Gallen praktizierenden Kontrolltierarzt als privaten Tierarzt zuziehen würden, sondern dass sie sich weiterhin an die Tierärzte des benachbarten Heiden halten würden. Dieses Motiv lässt indessen die Ablehnung des erwähnten Angebotes nicht notwendigerweise als ungerechtfertigt erscheinen. Wohl hatte der Beschwerdegegner in erster Linie sein privates Interesse im Auge. Das ![]() | 16 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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