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41. Urteil vom 5. Juni 1963 i.S. Allgöwer und Mitbetelligte gegen Frigo St. Johann AG und Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt. | |
Regeste |
Staatsrechtliche Beschwerde. |
Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung im allgemeinen und zur Beschwerde dagegen, dass das fakultative Referendum durch einen Erlass oder Verwaltungsakt des Regierungsrates umgangen wird (Erw. 5). |
Grundsatz der Gewaltentrennung. Fakultatives Referendum. |
Beschluss des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt, durch welchen einer privaten Firma eine Baurechtsdienstbarkeit eingeräumt wird an einem staatlichen Grundstück, auf dem sich bereits ein Gebäude befindet. Anfechtung dieses Beschlusses durch Stimmberechtigte, weil der Baurechtsvertrag nach § 39 lit. e und f KV der Genehmigung durch den Grossen Rat und der Genehmigungsbeschluss des Grossen Rates gemäss § 29 KV dem fakultativen Referendum unterliege. Schutz der Beschwerde, weil der Baurechtsvertrag |
a) die "Veräusserung einer Liegenschaft" im Sinne von § 39 lit. e KV in sich schliesst (Erw. 10-12), |
b) als "wichtiger Vertrag" im Sinne von § 39 lit. f KV zu betrachten ist (Erw. 13-16), und |
c) im Widerspruch zu einem mangels Ergreifung des Referendums rechtskräftig gewordenen Grossratsbeschluss über die Verwendung des betreffenden Grundstücks und Gebäudes steht (Erw. 17). | |
Sachverhalt | |
1 | |
"§ 29. Gesetze, sowie endgültige Grossratsbeschlüsse, die weder persönlicher noch dringlicher Natur sind, sollen der Gesamtheit der Stimmberechtigten zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werden, wenn es von tausend Stimmberechtigten verlangt oder vom Grossen Rate beschlossen wird (fakultatives Referendum).
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Sie treten in Kraft, wenn binnen sechs Wochen vom Tage der Veröffentlichung an gerechnet dieses Verlangen nicht gestellt wird.
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e) die Bewilligung zur Veräusserung oder Verpfändung von Liegenschaften, insofern deren Wert einen durch Gesetz zu bestimmenden Betrag übersteigt;
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f) die Ratifikation von wichtigen Verträgen, insofern dieselbe nicht aus besondern Gründen dem Regierungsrat überlassen wird;
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Ferner bestimmt das Gesetz betreffend Organisation und Geschäftsführung des Regierungsrates vom 9. April 1908 in § 4 f (Fassung gemäss Gesetz vom 13. Mai 1954):
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"Der Regierungsrat kann die Veräusserung von staatlichen Liegenschaften von sich aus beschliessen und vollziehen, sofern der Wert Fr. 50 000.-- nicht übersteigt; bei höherem Betrage steht der Entscheid dem Grossen Rate zu."
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B.- Am 1. September 1938 beschloss der Grosse Rat, auf einem rund 7 ha haltenden Grundstück "im Wasenboden" einen neuen Schlachthof nach Massgabe der vorgelegten Pläne zu bauen. Der Beschluss unterlag dem Referendum und ist, da dieses nicht ergriffen wurde, in Kraft getreten. Das Projekt, dem das sog. Zentralhallensystem zugrunde lag, umfasste u.a. ein zentrales Kühlhaus. Dieses wurde im Jahre 1951 fertiggestellt. Dagegen wurden die weiteren geplanten Anlagen des neuen Schlachthofes nicht ausgeführt, zunächst wegen der Kriegsereignisse, später wegen der mit Rücksicht auf die Konjunktur im Baugewerbe geübten Zurückhaltung bei der Erteilung staatlicher Bauaufträge sowie deshalb, weil Kreise der Metzgerschaft das Projekt als durch die technische Entwicklung überholt ablehnten und verlangten, es sollte durch ein auf dem sog. Gruppenhallen- oder Pavillonsystem beruhendes Projekt ersetzt werden. Der Regierungsrat schloss sich dieser Auffassung an und erklärte sich durch Beschluss vom 19. Mai 1959 grundsätzlich damit einverstanden, das nach der neuen Konzeption nicht mehr benötigte Kühlhaus zum Preis von Fr. 3'500,000.-- an die zu gründende Frigo St. Johann AG (im folgenden kurz "Frigo" genannt) zu veräussern und ihr das Areal im Baurecht abzugeben. In der Folge kam der Regierungsrat ![]() | 9 |
1. das Kühlhaus zu den in einem Bericht des Sanitätsdepartements genannten Bedingungen sofort an die Frigo im Baurecht abzugeben,
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2. anstelle des mit Regierungsratsbeschluss vom 19. Mai 1959 genehmigten Kaufpreises von Fr. 3'500,000.-- den Wert des Kühlhausgebäudes durch einen während 20 Jahren um Fr. 250'000.-- jährlich erhöhten Baurechtszins tilgen zu lassen,
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3. sich am Aktienkapital der Frigo mit Fr. 15'000.-- zu beteiligen.
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Durch Vertrag vom 8. November 1960 bestellte hierauf das Finanzdepartement der Frigo an einem Abschnitt von 11'827.5 m2 ein selbständiges und dauerndes, als Grundstück in das Grundbuch aufzunehmendes Baurecht im Sinne von Art. 779 ZGB zum Betrieb eines Kühl-, Gefrier- und Lagerhauses. Der Vertrag ist auf die Dauer von 50 Jahren fest abgeschlossen mit Anspruch der Bauberechtigten auf zweimalige Verlängerung um je 25 Jahre. Die Veräusserung und Belastung des Baurechts bedarf der Genehmigung des Regierungsrates. Der für die Einräumung des Baurechts zu entrichtende jährliche Baurechtszins beträgt während der ersten 20 Jahre Fr. 280'400.50, dann Fr. 30'400.50 und ist im Falle der Verlängerung des Baurechts über 50 Jahre hinaus neu festzusetzen. Die Bauberechtigte ist verpflichtet, die bestehenden Gebäude nach den vom Finanzdepartement genehmigten Plänen um- und auszubauen und ordnungsgemäss zu unterhalten. Mit dem Erlöschen des Baurechts gehen alle Gebäulichkeiten und festen Anlagen entschädigungslos in das Eigentum der Einwohnergemeinde der Stadt Basel über. Dieser Baurechtsvertrag wurde vom Regierungsrat durch Beschluss vom 15. November 1960 genehmigt und hierauf am 18. November 1960 im Grundbuch eingetragen.
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An der Sitzung des Grossen Rates vom 15. Dezember 1960 ersuchte der Beschwerdeführer Allgöwer den Regierungsrat durch eine Interpellation um Auskunft über diese Angelegenheit. Nachdem die Auskunft erteilt und in der anschliessenden Diskussion die Kompetenz des Regierungsrates ![]() | 14 |
C.- Am 23. Dezember 1960 hatten nämlich Max Schärer und 5 weitere Stimmberechtigte die Beschlüsse des Regierungsrates vom 3. Oktober und 15. November 1960 mit einem Rekurs beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht angefochten. Sodann hatten diese Rekurrenten sowie W. Allgöwer mit 5 andern Stimmberechtigten am 14. Januar 1961 beim Bundesgericht zwei staatsrechtliche Beschwerden gemäss Art. 84 lit. a und 85 lit. a OG gegen jene Beschlüsse des Regierungsrates eingereicht.
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Das Appellationsgericht ist mit Entscheid vom 27. Juni 1962 auf den Rekurs nicht eingetreten, da die angefochtenen Beschlüsse des Regierungsrates keine "Verfügungen" im Sinne von § 1 Abs. 2 und § 10 des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes seien und den Rekurrenten zudem die Legitimation zur Rekurserhebung fehlen würde.
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Mit den staatsrechtlichen Beschwerden wird beantragt, die Beschlüsse des Regierungsrates vom 3. Oktober und 15. November 1960 aufzuheben (Beschwerde Allgöwer) bzw. sie aufzuheben, insofern sie ohne den Vorbehalt der Genehmigung durch den Grossen Rat und des Referendums gefasst worden seien (Beschwerde Schärer) und (bzw. eventuell) den Regierungsrat anzuweisen, den mit der Frigo abgeschlossenen Baurechtsvertrag dem Grossen Rat zur Genehmigung unter Vorbehalt des Referendums vorzulegen. Die Beschwerdeführer werfen dem Regierungsrat Missachtung der in der KV niedergelegten Kompetenzordnung ![]() | 17 |
D.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt und die Frigo St. Johann AG beantragen, auf beide Beschwerden nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Mit den vorliegend angefochtenen Beschlüssen hat der Regierungsrat das Finanzdepartement zum Abschluss eines Baurechtsvertrages mit der Frigo ermächtigt (3. Oktober 1960) und den hierauf abgeschlossenen Vertrag nachträglich genehmigt (15. November 1960). Obwohl ein solcher Vertrag privatrechtlicher Natur ist, stellt die behördliche Willenserklärung, die seinen Abschluss bewirkt, einen Verwaltungsakt im weiteren Sinne dar und gehört insofern dem öffentlichen Recht an, als dieses bestimmt, welche Behörde zuständig ist zur Abgabe der Erklärung (IMBODEN, Der nichtige Staatsakt S. 14, Der verwaltungsrechtliche Vertrag ZSR 1958 S. 49/50 a). Erst recht stellen die Beschlüsse, mit welchen eine obere Verwaltungsbehörde eine untere zum Abschluss des Vertrages ermächtigt bzw. diesen Abschluss nachträglich genehmigt, Verwaltungsakte dar. Und zwar handelt es sich um Hoheitsakte, da ![]() | 20 |
Richtig ist freilich, dass die angefochtenen Beschlüsse niemanden zu einem Tun, Unterlassen oder Dulden verpflichten und insofern keine "Verfügungen" sind. Ein solches Anfechtungsobjekt ist jedoch nur Voraussetzung der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 84 lit. a OG). Die vorliegenden Beschwerden sind aber auch, ja in erster Linie solche nach Art. 85 lit. a OG wegen Verletzung des mit der Stimmberechtigung verbundenen Rechts des Bürgers auf Mitwirkung bei den der Volksabstimmung vorbehaltenen Akten der Rechtsetzung und Verwaltung. Eine solche Beschwerde kann sich auch gegen einen Verwaltungsakt im weiteren Sinne, der keine Verfügung enthält, ![]() | 21 |
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Das Erfordernis der Verletzung in der persönlichen Rechtsstellung gilt auch für die Beschwerde wegen Verletzung der Gewaltentrennung. Zur Erhebung der Rüge, dass ein Erlass oder eine Verfügung von einer andern als der nach der verfassungsmässigen Kompetenzordnung zuständigen Behörde ausgegangen sei, ist daher nur legitimiert, wer durch den Akt persönlich betroffen ist (BGE 71 I 311, BGE 82 I 97; KIRCHHOFER, Legitimation zum staatsrechtlichen Rekurs, ZSR 1935 S. 152). Würde mit den vorliegenden Beschwerden lediglich geltend gemacht, dass der Regierungsrat den Baurechtsvertrag mit der Frigo in Missachtung von § 39 lit. e und f KV in eigener Kompetenz genehmigt habe, statt ihn dem Grossen Rate zur Genehmigung zu unterbreiten, so würde den Beschwerdeführern die Legitimation fehlen, da sie durch die angefochtenen Beschlüsse nicht persönlich betroffen werden. Es ist ausschliesslich Sache des Grossen Rates und nicht seiner einzelnen Mitglieder oder gar des Stimmbürgers, sich gegen Übergriffe des Regierungsrates in die Kompetenz des Grossen Rates zu wehren (BGE 82 I 98, BGE 89 I 39).
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Nun beanstanden die Beschwerdeführer aber nicht nur, dass die angefochtenen Beschlüsse nicht gemäss § 39 lit. e und f KV dem Grossen Rate zur Genehmigung unterbreitet worden sind, sondern auch, dass die Beschwerdeführer dadurch an der Ausübung des fakultativen Referendums (§ 29 KV) gehindert würden und in ihrem Stimmrecht verletzt seien. Zu dieser Rüge sind sie legitimiert. Die in der KV vorgesehene Teilnahme der Stimmberechtigten am Erlass von Rechtssätzen oder Verwaltungsakten begründet ![]() ![]() | 24 |
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Ihre Legitimation lässt sich auch nicht etwa mit der Begründung verneinen, dass der ohne den Vorbehalt der Genehmigung durch den Grossen Rat abgeschlossene Baurechtsvertrag mit der Frigo durch Eintragung im Grundbuch erfüllt worden sei und die Beschwerdeführer daher daran, dass der Vertrag dem Grossen Rat zur Genehmigung unterbreitet werde, kein aktuelles praktisches Interesse mehr hätten. Die Beschwerdeführer streben diese Beschlussfassung des Grossen Rates an, weil damit der Abschluss des Baurechtsvertrages dem fakultativen Referendum unterstellt wird, über dessen Umgehung sie sich beschweren. Daran, dass die Ergreifung des Referendums ermöglicht werde, haben sie als Stimmbürger ein Interesse, das unabhängig ist von den zivilrechtlichen Folgen, die eine allfällige Verweigerung der Genehmigung durch den Grossen Rat oder, nach Zustandekommen des Referendums, durch die Volksabstimmung hätte. Welches diese zivilrechtlichen Folgen sind, ist nicht im vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren, in dem es einzig um das Recht des Stimmbürgers auf Mitwirkung bei der staatlichen Willensbildung geht, zu prüfen, sondern wird ![]() | 26 |
6./7. - (Substantiierung und kassatorischer Charakter der Beschwerden.)
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A.- Verletzung von § 29 K V.
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Das Bundesgericht hat bereits im Urteil vom 9. September 1953 i.S. Bolliger (Erw. 5 c) geprüft, ob die Einräumung eines Baurechts unter § 39 lit. e KV falle. Es hat dies verneint, weil dabei das Eigentum am Boden nicht auf den Bauberechtigten übertragen, sondern lediglich mit einer Dienstbarkeit zu seinen Gunsten belastet werde und nur die vom Bauberechtigten gestützt auf das Baurecht errichteten Bauten für die Dauer dieses Rechts sein Eigentum würden. Die Ausführungen der Beschwerdeführer geben keinen Anlass, auf diese Rechtsprechung zurückzukommen.
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Die Bestellung eines Baurechts ist rechtlich keine Veräusserung des Grundstücks, sondern dessen Belastung mit einer Dienstbarkeit (Art. 779 ZGB,BGE 52 II 37, HAAB N. 2 und MEIER-HAYOZ N. 8 zu Art. 675 ZGB). Der Einwand in der Beschwerde Allgöwer (S. 16), § 39 lit. e KV unterstelle nicht die Eigentumsübertragung, sondern die "Veräusserung" der Genehmigung durch den Grossen Rat, ist unbehelflich. Die "Veräusserung" ist allerdings ein weiterer Begriff als der in § 16 des Gemeindegesetzes allein genannte "Verkauf" und umfasst jede Übertragung des Eigentums vom bisherigen Inhaber an einen Dritten, gleichgültig, ob sie auf Grund eines Kaufs oder eines andern Vertrages erfolgt. Durch die blosse Bestellung eines Baurechts am Boden geht dieser aber nicht in das Eigentum ![]() | 32 |
Darin, dass § 39 lit. e KV das Baurecht nicht erwähnt, liegt auch keine Lücke der KV, die ausgefüllt werden müsste. Beim Erlass der KV im Jahre 1889 kannte der Kanton Basel-Stadt das Institut des Baurechts freilich so wenig wie die andern Kantone; es wurde erst durch das ZGB eingeführt (CHRISTEN, Das Baurecht nach dem ZGB, Diss. 1909 S. 20). Dagegen waren Dienstbarkeiten von jeher bekannt, und zwar auch solche, die wie teilweise oder gänzliche Bauverbote die Benützung und damit den Wert des Grundstücks erheblich beschränken. Indem der Verfassungsgesetzgeber in § 39 lit. e KV nur die Veräusserung und Verpfändung von Liegenschaften, nicht auch deren Belastung mit Dienstbarkeiten erwähnte, hat er keineswegs eine lückenhafte Ordnung geschaffen, sondern die Errichtung von Dienstbarkeiten von der Genehmigungspflicht ausgenommen. Hätte er nach dem Erlass des ZGB das damit eingeführte Baurecht im Gegensatz zu andern Dienstbarkeiten der Genehmigungspflicht unterstellen wollen, dann hätte er lit. e entsprechend ergänzen müssen. Nachdem er dies nicht getan hat, muss es mit Bezug auf das Baurecht bei der bisherigen Ordnung für die Dienstbarkeiten bleiben und kann von einer Lücke, die ausgefüllt werden müsste, nicht die Rede sein. Das Gesetz betreffend Verwaltung der Rheinhafenanlagen vom 13. November ![]() | 33 |
a) § 39 lit. e KV bezieht sich offensichtlich auf zivilrechtliche Verträge über staatliche Liegenschaften. Die ![]() | 34 |
Dass die vorliegende Baurechtsbestellung nicht nur rechtlich, wegen der damit verbunden Eigentumsübertragung, ![]() | 35 |
Schliesst demnach der Baurechtsvertrag mit der Frigo die Veräusserung einer Liegenschaft in sich, so bedarf er nach § 39 lit. e KV der Bewilligung des Grossen Rates, sofern die gesetzliche Wertgrenze von Fr. 50'000. - überschritten ist, was angesichts des Wertes des Kühlhauses zweifellos zutrifft.
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b) Der Regierungsrat legt mit der Beschwerdeantwort eine Reihe von Baurechtsverträgen vor, mit denen er dartun will, dass er sich an eine langjährige Übung gehalten habe, wenn er auch den Baurechtsvertrag mit der Frigo nicht dem Grossen Rat zur Bewilligung unterbreitet habe. Er behauptet indes nicht, jedenfalls nicht ausdrücklich, ![]() ![]() | 37 |
Noch weniger als mit seiner eigenen Praxis kann der Regierungsrat die Verfassungsmässigkeit seines Vorgehens mit der in der Beschwerdeantwort dargestellten Praxis der Land- und Bürgergemeinden zu den § 39 lit. f KV analogen Bestimmungen in § 16 Ziff. 6 des Gemeindegesetzes und § 24 der Geschäftsordnung des Bürgerrates dartun, zumal es in den Fällen, die zu Auseinandersetzungen Anlass gegeben haben, nicht um die Kompetenzabgrenzung zwischen Exekutive und Legislative ging, sondern um den Umfang der Aufsichtsgewalt der Bürgergemeinde über die Zünfte und die Christoph Merian'sche Stiftung. Übrigens zeigen die Ausführungen im Bericht des Bürgerrates vom 29. April 1958, dass mit Bezug auf die Genehmigungspflicht für Baurechtsverträge in Basel Unsicherheit herrscht und von einer gefestigten einheitlichen Praxis nicht die Rede sein kann.
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Diese Verschiedenheit der Ausdrücke ist indes nicht schlüssig. Sie dürfte ihren Grund ausser in der verschiedenen Entstehungszeit ("Ratifikation" findet sich schon in der KV von 1833, "Bewilligung" erst in der KV von 1889), darin haben, dass mit "Bewilligung" die zum voraus einzuholende Zustimmung gemeint ist, wie sie bei dinglichen Verfügungen am Platze ist, mit "Ratifikation" dagegen die nachträgliche Genehmigung, wie sie auch in rein privatrechtlichen Verträgen im Falle des Abschlusses durch Stellvertreter oder durch Organe juristischer Personen häufig vorbehalten wird. Dass aber eine feste Praxis im Sinne der vom Regierungsrat vertretenen Auslegung bestände, vermag der Hinweis auf einige vom Grossen Rat ratifizierte Verträge mit Gemeinwesen und öffentlichrechtlichen ![]() | 39 |
a) Dass ein Vertrag selbst bei grösster wirtschaftlicher ![]() | 40 |
Ob und wann Verträge und insbesondere Baurechtsverträge im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Tragweite als "wichtige Verträge" im Sinne von § 39 lit. f KV zu gelten haben und inwieweit das Ermessen des Regierungsrates und des Grossen Rates bei der Anwendung dieses unbestimmten Begriffs geht, kann indessen dahingestellt bleiben, da der Baurechtsvertrag mit der Frigo jedenfalls wegen seiner staatsrechtlichen Bedeutung unter diese Bestimmung fällt.
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b) Der Betrieb öffentlicher Schlachthäuser gehörte im Kanton Basel-Stadt von jeher zu den Aufgaben des Gemeinwesens. Da die bisherigen Anlagen den steigenden Anforderungen immer weniger genügten, hat der Grosse Rat am 1. September 1938 unter Vorbehalt des (in der ![]() | 42 |
Der Regierungsrat anerkennt, dass dieser Baurechtsvertrag "die Preisgabe des ursprünglichen Schlachthofprojekts" bedeutet (Beschwerdeantwort S. 44), und bestreitet mit Recht nicht, dass dieses auf dem sog. Zentralhallensystem beruhende Projekt so, wie es in dem mangels Ergreifung des Referendums rechtskräftig gewordenen Grossratsbeschluss vom 1. September 1938 festgelegt worden ist, nicht mehr ausgeführt werden kann. Ein Vertrag, durch den dergestalt die Ausführung eines vom Grossen Rat beschlossenen und von den Stimmberechtigten stillschweigend gebilligten Bauprojektes für den Betrieb eines öffentlichen Werkes von der Bedeutung und vom Umfange des in den ursprünglichen Plänen vorgesehenen Schlachthofs verunmöglicht wird, kann nicht anders denn als "wichtiger Vertrag" im Sinne von § 39 lit. f KV bezeichnet werden. Sofern und soweit dem Regierungsrat beim Entscheid darüber, ob ein solcher Vertrag vorliege, ein Spielraum des Ermessens einzuräumen ist, wären dessen Grenzen durch die Annahme, der Vertrag sei nicht wichtig, offensichtlich überschritten.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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