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6. Urteil vom 25. März 1964 i.S. Jakob Wildi-Stiftung und Mitbeteiligte gegen Stadtrat von Luzern und Regierungsrat des Kantons Luzern. | |
Regeste |
Stiftungen. Wann ist die Aufsichtsbehörde zur Prozessführung namens der Stiftung befugt? (Erw. 1). |
Anwendung der kantonalen Bestimmungen über Steuerbefreiung nur auf Institutionen, die sich im Kanton gemeinnützig betätigen, oder auch auf ausserkantonale Institutionen? (Erw. 2). |
Auslegung einer interkantonalen Gegenrechtsvereinbarung über die Steuerfreiheit von Vermögenszuwendungen an Gemeinwesen und private Institutionen des andern Kantons (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.- Nach dem luzernischen Gesetz betreffend die Erbschaftssteuern vom 27. Mai 1908 (EStG) wird von den "im Kanton Luzern fallenden Erbschaften" eine Erbschaftssteuer erhoben (§ 1). Der Steuersatz ist nach dem Verwandtschaftsgrad zwischen dem Erblasser und den Erben oder Bedachten abgestuft und beträgt für Nichtverwandte 20% (§ 3). Wenn einzelne Erben mehr als Fr. 10'000.-- erhalten, wird ein Zuschlag bis zu 100% des Steuerbetrages gemacht (§ 5). Ferner bestimmt § 11:
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"Von der Entrichtung der Erbschaftssteuer sind befreit:
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a) Vermächtnisse und Schenkungen zu öffentlichen, gemeinnützigen, kirchlichen und Armenzwecken;
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Am 13. April/1. Mai 1931 tauschten die Kantone Luzern und Aargau folgende Gegenrechtserklärung aus:
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"Die Regierungsräte der Kantone Aargau und Luzern erklären sich gegenseitig damit einverstanden, dass Vermögenszuwendungen durch letztwillige Verfügungen und Schenkungen von Einwohnern des einen Kantons zugunsten nachgenannter öffentlicher Gemeinwesen und privater Institutionen des andern Kantons und im nachbezeichneten Umfange am Wohnorte des Erblassers oder Schenkgebers von der Erbschaftssteuer oder entsprechenden Abgaben befreit sein sollen:
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I. Gänzliche Steuerfreiheit:
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1. an den Kanton;
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2. an die Einwohner-, Ortsbürger- und Kirchgemeinden, soweit es sich um allgemeine Wohlfahrts-, Bildungs- und Kultuszwecke handelt;
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3. an die staatlich unterstützten wohltätigen Anstalten mit Sitz im andern Kanton;
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II. Steuerfreiheit für einen Betrag von Fr. 10'000.--:
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1. an die Einwohner-, Ortsbürger- und Kirchgemeinden, soweit nicht gänzliche Steuerfreiheit besteht;
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2. an die staatlich anerkannten Landeskirchen;
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3. an gemeinnützige und wohltätige Institutionen mit Sitz im andern Kanton."
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B.- Der am 24. Februar 1963 an seinem Wohnort Luzern verstorbene Jakob Wildi hat durch letztwillige Verfügung vom 1. August 1948 eine Jakob-Wildi-Stiftung errichtet und ihr ein Kapital von Fr. 300'000. - gewidmet.
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Das Teilungsamt der Stadt Luzern veranlagte die Jakob-Wildi-Stiftung am 11. September 1963 zu einer Erbschaftssteuer von Fr. 98'600.--, indem es vom Stiftungsvermögen von Fr. 300'000. - gemäss Ziff. II/3 der Gegenrechtsvereinbarung den Betrag von Fr. 10'000.-- als steuerfrei abzog, die Grundsteuer auf den verbleibendenFr. 290'000. - gemäss § 3 EStG auf 20% = Fr. 58'000.-- festsetzte und gemäss § 5 EStG einen Progressionszuschlag von 70% = Fr. 40'600. - machte.
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Gegen diese vom Stadtrat von Luzern am 10. Oktober 1963 bestätigte Veranlagung rekurrierte der Gemeinderat Suhr als Aufsichtsbehörde über die Stiftung sowie als Vertreter der Einwohnergemeinde Suhr an den Regierungsrat des Kantons Luzern. Zur Begründung machte er geltend, dass die Steuerbefreiung des § 11 lit. a EStG auch für Zuwendungen gelte, die an Institutionen ausserhalb des Kantons Luzern fallen; eventuell sei die vorliegende Zuwendung gemäss Ziff. I/2 der Gegenrechtsvereinbarung steuerfrei, da der Ertrag der Stiftung "zugunsten" der Gemeinde Suhr zu verwenden sei.
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Der Regierungsrat wies den Rekurs mit Entscheid vom 18. November 1963 ab.
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C.- Gegen diesen Entscheid haben der Gemeinderat Suhr, die Einwohnergemeinde Suhr und die Jakob-Wildi-Stiftung staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, ihn wegen Verletzung des Art. 4 BV aufzuheben.
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D.- Der Regierungsrat des Kantons Luzern und der Stadtrat von Luzern beantragen Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Nach § 10 Abs. 1 EStG ist die Erbschaftssteuer vom Nachlass zu beziehen und den Erben oder Bedachten ![]() | 22 |
2. Mit der Beschwerde wird in erster Linie geltend gemacht, dass der angefochtene Entscheid Art. 4 BV verletze, weil die vom Regierungsrat vertretene Auslegung von § 11 lit. a EStG gegen den klaren Wortlaut und Sinn ![]() | 23 |
Während die Steuergesetze verschiedener Kantone gemeinnützige Institutionen und Zuwendungen an diese ausdrücklich nur dann steuerfrei lassen, wenn die Institution ihren Sitz im Kanton hat oder doch ihren Zweck im Kanton erfüllt, kennen die Gesetze anderer Kantone diese Beschränkung nicht. Zu diesen gehört auch das luzernische EStG, das in § 11 lit. a ohne Einschränkung bestimmt, dass Vermächtnisse und Schenkungen zu öffentlichen, gemeinnützigen, kirchlichen und Armenzwecken von der Entrichtung der Erbschaftssteuer befreit sind. Das Bundesgericht hat indessen von jeher sowohl für diese Bestimmung (BGE 46 I 388ff., nicht veröffentlichte Urteile vom 19. Mai 1923 i.S. Schulfonds Kirchberg c. Luzern und vom 4. November 1948 i.S. Allg. Musikgesellschaft Basel c. Luzern) als auch für entsprechende Vorschriften anderer Kantone (BGE 28 I 315,BGE 50 I 3, nicht veröffentlichtes Urteil vom 18. Januar 1950 i.S. Salzburgerstiftung c. Zürich) entschieden, dass es aus dem Gesichtswinkel des Art. 4 BV nicht zu beanstanden sei, wenn die Steuerbefreiung auf Grund solcher Vorschriften nur dann gewährt werde, wenn die gemeinnützige Institution ihre Tätigkeit ganz oder zu einem angemessenen Teil zugunsten der Angehörigen des betreffenden Kantons ausübe; denn der Grund für den Verzicht auf die Besteuerung könne darin erblickt werden, dass derartige Wohlfahrtseinrichtungen den Kanton und seine Gemeinden bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe unterstützen und entlasten. Diese Erwägung wird durch die Beschwerde nicht widerlegt. Sie behauptet zwar, die Verhältnisse hätten sich seit dem UrteilBGE 28 I 313ff. wesentlich geändert, indem der Bevölkerungszuzug und -wegzug von einem Kanton zum andern erheblich zugenommen habe und die Kantone Luzern und Aargau dem interkantonalen Konkordat über die wohnörtliche Unterstützung vom 16. Juni 1937 (BS 8 S. 708) beigetreten seien. Wieso dies für die Auslegung ![]() | 24 |
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a) Durch die Gegenrechtsvereinbarung haben sich die beiden Kantone verpflichtet, unter bestimmten Voraussetzungen auf die ihnen gegenüber den Angehörigen des andern Kantons zustehende Steuerhoheit zu verzichten. Derartige Abmachungen der Kantone über die Ausübung bzw. Nichtausübung staatlicher Befugnisse, sogenannte Verkommnisse oder Konkordate, sind gemäss Art. 7 Abs. 2 BV zulässig, wenn sie, wie das hier der Fall ist, nichts dem Bunde oder den Rechten anderer Kantone Zuwiderlaufendes enthalten. Sie bedürfen der Genehmigung des Bundes, sind aber auch ohne diese wirksam (BGE 54 I 333/34).
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b) Der Regierungsrat nimmt an, die testamentarische Zuwendung von Fr. 300'000.-- an die Jakob-Wildi-Stiftung falle unter Ziff. II/3 des Konkordates und sei daher nur für den Betrag von Fr. 10'000.-- von der Erbschaftssteuer ![]() ![]() | 27 |
Ist aber davon auszugehen, dass die Steuerbefreiung und ihr Umfang nach dem Konkordat von der Person des unmittelbaren Empfängers der Vermögenszuwendung abhängen, so kann es nicht zweifelhaft sein, dass der angefochtene Entscheid dem Konkordat entspricht. Unmittelbarer Empfänger der testamentarischen Zuwendung ist nicht die Gemeinde Suhr, sondern die durch das Testament errichtete Jakob-Wildi-Stiftung. Stiftungen werden zwar im Abkommen nicht ausdrücklich erwähnt, fallen aber offenbar unter den weiteren Begriff der "Anstalten" und "Institutionen" im Sinne von Ziff. I/3 und II/3. Die Zuwendung von Fr. 300'000.-- an die Jakob-Wildi-Stiftung wäre somit nur dann gänzlich von der luzernischen Erbschaftssteuer befreit, wenn diese Stiftung eine "staatlich unterstützte wohltätige Anstalt" wäre, was jedoch nicht behauptet wird und offenbar auch nicht zutrifft. Dagegen fällt sie als "gemeinnützige und wohltätige Institution" unter Ziff. II/3 des Abkommens, weshalb die genannte Zuwendung, wie der Regierungsrat zutreffend angenommen hat, nur für den Betrag von Fr. 10'000.-- von der Steuer befreit ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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