BGE 90 I 169 | |||
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26. Urteil vom 23. September 1964 i.S. Studer und Mitbeteiligte gegen Kantonsrat von Solothurn. | |
Regeste |
Staatsrechtliche Beschwerde von Stimmberechtigten gegen die Genehmigung der Staatsrechnung durch den solothurnischen Kantonsrat. |
Der Kantonsrat hat, da der Beschluss keine neue Ausgabe zur Folge hat, damit seine Ausgabenkompetenz (Art. 31 Ziff. 6 KV) nicht überschritten, noch hat er gesetzliche Bestimmungen willkürlich missachtet (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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"1. Das Strassen- und Brückenbauprogramm 1962 mit einer Kostenfolge von 55 Millionen Franken wird genehmigt und der erforderliche Kredit bewilligt.
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2. ...
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3. Der Regierungsrat wird ermächtigt, die notwendigen Mittel zur Finanzierung der Aufwendungen auf dem Anleihenswege zu beschaffen.
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4. Für die Tilgung dieses Kredites stehen zur Verfügung:
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a) 40 % von der jährlich eingehenden Motorfahrzeugsteuer;
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b) Nettogebühren aus Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr;
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c) 3/5 des Benzinzollanteiles;
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d) spezielle Beiträge des Bundes und allfälliger Dritter;
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e) Beiträge der Gemeinden an den Strassenbau nach Massgabe des Strassenbaugesetzes;
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f) jährlicher Beitrag von Fr. 500 000.-- aus allgemeinen Staatsmitteln bis zur Tilgung dieser Strassen- und Brückenbaurechnungen;
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g) Beiträge der am Brückenbau interessierten Gemeinden in der Höhe von 35% der Baukosten.
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....
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5./7. ...."
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Der Botschaft war eine Beschreibung und Kostenaufstellung der vorgesehenen Ausbauarbeiten sowie ein sich über 15 Jahre erstreckender Finanzierungsplan beigefügt.
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Das "Strassen- und Brückenbauprogramm 1962" wurde in der Volksabstimmung vom 4. November 1962 angenommen und hierauf in der kantonalen Gesetzessammlung (Bd. 82 S. 341/2) veröffentlicht.
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B.- Am 24. April 1964 unterbreitete der Regierungsrat dem Kantonsrat die mit einem Reinertrag von Fr. 108 446.94 abschliessende Staatsrechnung 1963 mit dem Antrag, sie zu genehmigen und den genannten Reinertrag dem Spitalbaufonds zu überweisen. Die in der Staatsrechnung enthaltene Abrechnung über das "Strassen- und Brückenbauprogramm 1962" weist Fr. 6 225 206. - Einahmen und Fr. 12 997 266. - Ausgaben auf, während die Abrechnung über "Gewässerschutz" mit Fr. 1 847 113.-- Ausgaben ohne Einnahmen abschliesst.
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Die Staatswirtschaftskommission, der die eingehende Prüfung der Staatsrechnung obliegt, beantragte dem Kantonsrat, den Antrag des Regierungsrates mit folgendem Zusatz gutzuheissen:
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"Es wird zustimmend davon Kenntnis genommen, dass die Staatsrechnung 1963 für das Strassen- und Brückenbauprogramm neben dem gesetzlichen Staatsbeitrag von Fr. 500 000.-- auch mit dem übrigen Aufwand von Fr. 5 272 059.86 und mit Fr. 1 847 113.70 für den Gewässerschutz belastet ist."
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Bei der Beratung der Staatsrechnung im Kantonsrat wurden diese Belastungen beanstandet, und Dr. Fröhlicher stellte den Antrag, die Staatsrechnung mit einem Reinertrag von Fr. 7 227 620.50 zu genehmigen und davon Fr. 1 847 113.70 für den Gewässerschutz zu verwenden und Fr. 5 380 506.80 dem Spitalbaufonds zuzuweisen.
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C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde stellen Charles Studer und neun weitere stimmberechtigte Einwohner des Kantons Solothurn die Anträge:
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"1. Es sei der Beschluss des Kantonsrates von Solothurn vom 27. Mai 1964 über die Genehmigung der Staatsrechnung für das Jahr 1963 aufzuheben.
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2. Es sei der Kantonsrat anzuweisen, den Reinertrag der Staatsrechnung auf Fr. 5 380 506.80 festzusetzen.
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3. Der Kantonsrat sei anzuweisen, den Regierungsrat zu ersuchen, die sich aus dem Beschluss ergebenen Korrekturen bei den entspreehenden Positionen der Staatsrechnung vorzunehmen.
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4. Über den Reinertrag habe der Kantonsrat nach den geltenden Gesetzen zu verfügen."
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Zur Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht:
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a) Der Regierungsrat habe dadurch verfassungsmässige Rechte des Volkes missachtet, dass er Ausgaben für Zwecke gemacht habe, die weder in einem Gesetz noch in einem Kreditbeschluss des Volkes verankert seien. Im Jahre 1963 habe er aus allgemeinen Staatsmitteln Fr. 5 772 059.-- für den Strassen- und Brückenbau verwendet, während nach dem Volksbeschluss vom 4. November 1962 aus allgemeinen Staatsmitteln höchstens Fr. 500 000.-- für diesen Zweck verwendet werden dürften. Der Mehrbetrag von Fr. 5 272 059.-- sei somit, statt der "Entnahme aus dem Fonds", in offenkundiger Missachtung des Volksbeschlusses verbucht worden, um dadurch die Staatsrechnung zu verschlechtern und den Bürger zu täuschen.
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b) Der Beschluss des Kantonsrates, der dieses Vorgehen genehmige, stelle eine Verfassungsverletzung dar, da er über Fr. 5 272 059. - verfüge, ohne hiezu ermächtigt zu sein. Es werde auf Art. 31 Ziff. 6 KV verwiesen, wo die Finanzkompetenzen des Kantonsrates umschrieben seien. Ferner stelle der Kantonsratsbeschluss eine Gesetzesverletzung dar, da er gegen den Volksbeschluss vom 4. November 1962 verstosse, der den jährlichen Staatsbeitrag aufFr. 500 000. - begrenzt habe. Zudem sei der Kantonsratsbeschluss ein Akt der Willkür und verletze Art. 4 BV, da er den Bürger täusche. Die Staatsrechnung habe den richtigen Reinertrag von Fr. 5 380 506.-- aufzuweisen, und über dessen Verwendung habe der Kantonsrat im Sinne der Gesetzgebung erneut Beschluss zu fassen. Er könne ihn gemäss dem Volksbeschluss vom 26. Mai 1961 (AS 82 S. 89) dem Spitalbaufonds zuweisen.
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c) Ähnlich wie beim Strassen- und Brückenbau seien der Regierungsrat und der Kantonsrat beim Gewässerschutz vorgegangen. Dieses Vorgehen sei "fraglich", werde aber nicht zum Gegenstand der vorliegenden Beschwerde gemacht.
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D.- Der Kantonsrat, vertreten durch den Regierungsrat des Kantons Solothurn, beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Durch den angefochtenen Beschluss hat der Kantonsrat die Staatsrechnung für das Jahr 1963 genehmigt und den darin ausgewiesenen Reinertrag dem Spitalbaufonds zugewiesen.
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Dass dieser Beschluss nach der KV der Volksabstimmung unterliege, machen die Beschwerdeführer mit Recht nicht geltend, denn die KV zählt die Prüfung und Genehmigung der jährlichen Rechnungen unter den Befugnissen und Obliegenheiten des Kantonsrates auf (Art. 31 Ziff. 5) und sieht gegen dessen Beschluss kein Referendum vor (Art. 17). Von einer Verletzung des Stimmrechts könnte nur die Rede sein, wenn im angefochtenen Beschluss ein Ausgabenbeschluss enthalten wäre, für welchen der Kantonsrat nicht endgültig zuständig wäre (Art. 17 Ziff. 2 KV). Die Beschwerdeführer scheinen dies behaupten zu wollen, wenn sie unter Berufung auf die in Art. 31 Ziff. 6 KV umschriebene Ausgabenkompetenz des Kantonsrates geltend machen, dieser habe über eine Summe von Fr. 5 272 000. - verfügt ohne hiezu ermächtigt zu sein, eine Ausgabe gemacht, welche ohne Zustimmung des Volkes nicht beschlossen werden dürfe. Wäre dies wirklich der Fall, so hätten die Beschwerdeführer folgerichtig den Standpunkt einnehmen müssen, der angefochtene Beschluss sei gemäss Art. 17 Ziff. 2 KV dem Volke zur Genehmigung zu unterbreiten. Sie haben das jedoch nicht getan und sich auch nicht auf Art. 17 Ziff. 2 KV berufen; vielmehr stützen sie sich auf das Strassen- und Brückenbauprogramm 1962 und verlangen die Aufhebung des angefochtenen Entscheids in dem Sinne, dass die Staatsrechnung durch Festsetzung eines höheren Reinertrages zu berichtigen und über dessen Verwendung erneut Beschluss zu fassen sei. Damit machen sie jedoch nicht mehr eine Verletzung des Stimmrechts geltend, sondern das allgemeine öffentliche Interesse an der richtigen Ausführung jenes Volksbeschlusses sowie das Interesse gewisser Steuerzahler an der Verwendung des Reinertrages für andere Zwecke als für Strassenbauten. Ob die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfolgung dieser Interessen gegeben ist, erscheint zweifelhaft; es dürfte sich vielmehr um eine unzulässige Popularbeschwerde handeln (vgl.BGE 59 I 121sowie BIRCHMEIER, Handbuch des OG, S. 375 lit b und dort zitierte Urteile). Die Frage kann indes offen gelassen werden, da die Beschwerde sich bei materieller Prüfung als unbegründet erweist.
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Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, das Vorgehen des Regierungsrates und des Kantonsrates verletze den Volksbeschluss vom 4. November 1962 sowie Bestimmungen über die Verwendung von Rechnungsüberschüssen. Damit wird jedoch nicht die Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 84 lit. a OG), sondern die Missachtung gesetzlicher Vorschriften gerügt, was nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend gemacht werden kann. Wären die Ausführungen der Beschwerdeführer dahin zu verstehen, dass das Vorgehen der Behörden mit dem klaren Wortlaut und Sinn gesetzlicher Bestimmungen unvereinbar, willkürlich sei und daher gegen Art. 4 BV verstosse, so wäre diese Rüge unbegründet. An Bestimmungen über die Verwendung allfälliger Rechnungsüberschüsse nennen die Beschwerdeführer nur Ziff. III/1 Abs. 2 des Volksbeschlusses vom 28. Mai 1961 über den Ausbau der Krankenanstalten (AS 82 S. 89). Diese Bestimmung, wonach der Kantonsrat allfällige Rechnungsüberschüsse "ganz oder teilweise" dem Spitalbaufonds überweisen "kann", schliesst die Verwendung für andere Zwecke keineswegs aus. Der Volksbeschluss vom 4. November 1962, durch den das Strassen- und Brückenbauprogramm 1962 mit Ausgaben von 55 Millionen Franken genehmigt und der erforderliche Kredit bewilligt worden ist (Ziff. 1), ermächtigt den Regierungsrat zur Beschaffung der notwendigen Mittel auf dem Anleihenswege (Ziff. 3) und sieht die Tilgung des Kredites durch verschiedene Einnahmen vor (Ziff. 4), darunter durch einen jährlichen Beitrag von Fr. 500 000.-- aus allgemeinen Staatsmitteln (lit. f). Auch diese Bestimmungen schliessen, wie jedenfalls ohne Willkür angenommen werden kann, die Verwendung eines Rechnungsüberschusses zur Finanzierung von Strassen- und Brückenbauten nicht aus. Wenn zu diesem Zwecke Anleihen aufgenommen werden dürfen, muss es auch zulässig sein, statt dessen auf die vorhandenen liquiden Mittel zu greifen. Die Beschwerde erscheint um so weniger als begründet, als sie nicht ausführt, wie die streitigen Fr. 5 272 000.-- hätten aufgebracht werden sollen. Sie behauptet, sie hätten "dem Fonds" entnommen werden sollen, macht aber keine näheren Angaben über diesen Fonds, noch besteht nach der Staatsrechnung ein solcher Fonds, dem jener Betrag hätte entnommen werden können (S. 52, 226/27). Der zur Hauptsache aus Grundstücken bestehende und offenbar für andere Zwecke bestimmte "Strassenbaufonds" wies Ende 1963 nur noch einen Bestand von Fr. 398'657.75 auf (S. 25, 226/27).
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Unbegründet ist schliesslich auch der Vorwurf der Beschwerdeführer, das Vorgehen der Behörden stelle deshalb einen Willkürakt dar und verstosse gegen Art. 4 BV, weil der Bürger dadurch getäuscht werde. Selbstwenndie Staatsrechnung in bezug auf die Deckung der Ausgaben für das Strassen- und Brückenbauprogramm zu wenig klar sein sollte, wäre dieser Mangel behoben worden durch den vom Kantonsrat seinem Genehmigungsbeschluss beigefügten Zusatz, worin zustimmend davon Kenntnis genommen wird, dass die Staatsrechnung für jenes Programm neben dem gesetzlichen Staatsbeitrag von Fr. 500 000. - auch mit dem übrigen Aufwand von Fr. 5 272 059.86 belastet ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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