BGE 90 I 186 | |||
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29. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. September 1964 i.S. Mount Hope Machinery Co. gegen Eidgen. Amt für geistiges Eigentum. | |
Regeste |
Patentrecht. Wiedereinsetzung in den früheren Stand, Art. 47 Pat G. Dem Patentinhaber ist das Verschulden seiner Hilfspersonen anzurechnen (Erw. 1). |
Der Patentinhaber haftet für seine Hilfspersonen nach Art. 101 OR, nicht nach Art. 55 OR (Erw. 3). |
Hilfspersonen des Patentinhabers sind auch die Büroangestellten des Patentanwalts (Erw. 4). |
Verschulden der Hilfspersonen (Erw. 5, 6). | |
Sachverhalt | |
1 | |
Dieses Patent erlosch wegen Nichtbezahlung der 9. Jahresgebühr, für welche die Zahlungsfrist am 18. November 1962 ablief. Von der Möglichkeit, das Patent gemäss Art. 46 PatG wiederherstellen zu lassen, machte die Inhaberin nicht Gebrauch.
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B.- Am 14. Oktober 1963 liess die Patentinhaberin beim Amt das Gesuch einreichen, sie sei gemäss Art. 47 PatG in die am 18. Februar 1963 abgelaufene Wiederherstellungsfrist wieder einzusetzen.
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Diesem Gesuch liegt der folgende, unbestrittene Sachverhalt zugrunde:
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In den USA war die Patentinhaberin seit 1960 durch das Anwaltsbüro Kenway, Jenney & Hildreth, Boston (im folgenden: Büro Kenway) vertreten; die Patentüberwachung besorgte das Patentanwaltsbüro Singer & Carlberg, New York (im folgenden: Büro Singer). Dieses hatte Patentanwalt Isler den Auftrag zur Vertretung des Patentes in der Schweiz erteilt. Isler erinnerte mit Schreiben vom 5. April 1962 und 17. September 1962 das Büro Singer an die Fälligkeit der Jahresgebühr. Am 10. Dezember 1962 machte er darauf aufmerksam, dass das Patent wegen Nichtbezahlung der Gebühr am 18. November 1962 erloschen sei, aber innert drei Monaten seit diesem Datum wiederhergestellt werden könne.
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Die Patentinhaberin hatte jedoch anfangs 1962 dem Büro Singer die Patentüberwachung entzogen und sie ebenfalls dem Büro Kenway übertragen. Das Büro Singer erachtete sich daher als nicht mehr verantwortlich und leitete weder die Mahnungen von Patentanwalt Isler an die Patentinhaberin oder das Büro Kenway weiter, noch gab es Isler vom erfolgten Wechsel in der Patentvertretung Kenntnis.
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Am 16. April 1962 ersuchte das Büro Kenway den Patentanwalt Braun in Basel, die Vertretung des Patentes in der Schweiz zu übernehmen. Braun antwortete am 24. Mai 1962, das Patent werde bereits von Isler vertreten, weshalb das Büro Kenway sich mit diesem in Verbindung setzen solle. Daraufhin beauftragte der zuständige Sachbearbeiter im Büro Kenway, Rechtsanwalt Ericson, seine Sekretärin, Patentanwalt Isler um Auskunft über den Stand des Patentes zu bitten. Dieses Schreiben wurde jedoch infolge eines Versehens der Sekretärin nie ausgefertigt.
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Am 28. August 1963, anlässlich einer routinemässigen Kontrolle, wurde im Büro Kenway der Verfall des Patentes festgestellt und im Anschluss hieran Patentanwalt Braun mit der Einreichung des vorliegenden Wiedereinsetzungsgesuches beauftragt.
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C.- Das Eidgen. Amt für geistiges Eigentum wies mit Verfügung vom 15. April 1964 dasWiedereinsetzungsgesuch ab. Es nahm an, die Versäumung der in Frage stehenden Fristen sei auf das Verschulden des Sachbearbeiters Ericson im Büro Kenway zurückzuführen, das sich die Patentinhaberin anrechnen lassen müsse.
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D.- Gegen diese Verfügung hat die Patentinhaberin die verwaltungsgerichtliche Beschwerde an das Bundesgericht ergriffen. Sie beantragt, es sei ihr die Wiedereinsetzung in den früheren Stand zu gewähren.
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E.- Das Eidg. Amt für geistiges Eigentum beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Gemäss Art. 47 Abs. 1 PatG kann dem Patentinhaber, der die Wiederherstellungsfrist des Art. 46 PatG versäumt hat, Wiedereinsetzung in den früheren Stand gewährt werden, wenn er glaubhaft macht, dass ihn an der Nichteinhaltung der Frist kein Verschulden trifft. Bei der Prüfung der Frage, ob die Voraussetzung der Schuldlosigkeit im Sinne dieser Bestimmung erfüllt sei, ist nach der Rechtsprechung dem Patentinhaber in analoger Anwendung von Art. 101 OR ein Verschulden des von ihm beigezogenen Patentanwalts, wie auch ein Verschulden von Angestellten und anderen Hilfspersonen desselben, ebenfalls anzurechnen (BGE 87 I 219 ff., BGE 90 I 51 ff.).
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Diese Auffassung ist abzulehnen. Das Bundesgericht ist dazu gelangt, dem Patentinhaber auch ein Verschulden seines Vertreters anzurechnen, weil ein solcher in den meisten Fällen beigezogen wird und daher die Wiedereinsetzung zur Regel würde, wenn der Patentinhaber nicht auch für das Verschulden des Vertreters einzustehen hätte. Dabei liess sich das Gericht von der Überlegung leiten, wer zur Erfüllung von Pflichten oder Ausübung von Rechten Hilfspersonen beiziehe, statt selber zu handeln, habe gleich wie in den von Art. 101 OR erfassten Fällen die aus einer Nichterfüllung oder Nichtausübung entstehenden Folgen auf sich zu nehmen; er solle sich seinen eigenen Pflichten und Obliegenheiten nicht dadurch entziehen können, dass er Hilfspersonen einsetze (BGE 87 I 219 f.). In diesem Sinne sind auch die von der Beschwerde angerufenen Ausführungen in der Botschaft zum rev. PatG zu verstehen. Weitergehende Schlussfolgerungen lassen sich dagegen aus ihnen nicht ziehen. Insbesondere wäre es gekünstelt, aus der beiläufigen Erwähnung des Umstandes, dass der Vertreter des Patentinhabers an dessen Stelle mit dem Amt verkehrt, herauslesen zu wollen, es dürfe nur das Verhalten des obligatorisch zu bestellenden schweizerischen Vertreters des ausländischen Patentinhabers berücksichtigt werden, während das Verhalten des regelmässig in erster Linie beigezogenen ausländischen Patentanwalts ausser Betracht zu bleiben habe. Denn auch für diesen trifft in gleicher Weise wie für den schweizerischen Vertreter die Überlegung zu, dass der Patentinhaber seine eigene Verantwortlichkeit nicht durch den Beizug von Hilfspersonen vermindern könne. Das Bundesgericht hat denn auch im Falle BGE 87 I 219 ff. dem Umstand, dass es sich um das Verhalten eines ausländischen Patentvertreters handelte, keine Beachtung geschenkt. Auch die Literatur macht keinen Unterschied zwischen dem ausländischen und dem inländischen Vertreter (BLUM/PEDRAZZINI, PatG Art. 47 Anm. 7, S. 670 f.; DÜRR, PatG Art. 47 Ziff. I d 2). Ebenso betrachten die deutsche Lehre und Rechtsprechung den ausländischen Korrespondenzanwalt als Vertreter, dessen Verschulden nicht einen "unabwendbaren Zufall" im Sinne von § 43 des deutschen PatG darstelle (BENKARD, PatG 4. Aufl., § 43 N. 5 S. 858 oben).
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Die sinngemässe Auslegung von Art. 47 Abs. 1 PatG ergibt somit, dass auch das Verschulden des ausländischen Patentvertreters eine Wiedereinsetzung ausschliesst.
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3. Die Beschwerdeführerìn macht geltend, wenn Art. 47 Abs. 1 PatG in diesem Sinne ausgelegt werde, ergebe sich eine Gesetzeslücke bezüglich der Folgen, welche die Haftung für die Hilfspersonen für den Patentinhaber nach sich ziehe. Diese Lücke sei nicht durch Heranziehung von Art. 101 OR auszufüllen, wie das Amt gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts annehme, sondern es sei vielmehr Art. 55 OR mit der dort vorgesehenen Exkulpationsmöglichkeit anzuwenden.
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Eine Gesetzeslücke liegt jedoch nicht vor. Ob der Patentinhaber dem Amt gegenüber das Verhalten seines Patentanwaltes und weiterer Hilfspersonen nach den Regeln von Art. 101 OR oder von Art. 55 OR zu vertreten habe, ist eine Frage der weiteren Auslegung von Art. 47 PatG. Diese Frage ist durch die Rechtsprechung (BGE 87 I 219 ff., BGE 90 I 51 ff.) zugunsten der Anwendbarkeit von Art. 101 OR entschieden worden. Die Heranziehung von Art. 55 OR wurde abgelehnt, weil diese Bestimmung die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn für den Schaden regelt, den seine Hilfsperson einem Dritten durch unerlaubte Handlung beigefügt hat; im Falle des Art. 47 PatG dagegen treffe der Nachteil aus dem Versagen der Hilfsperson nicht einen Dritten, sondern den Geschäftsherrn, d.h. den Patentinhaber selbst, weshalb er die Folgen des Beizugs der Hilfsperson gleich wie in den Fällen des Art. 101 OR auf sich nehmen müsse.
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Die Beschwerdeführerin erachtet die Heranziehung von Art. 101 OR als unstatthaft, weil diese Bestimmung einem gänzlich anders gearteten Zweck zu dienen habe als Art. 47 PatG. Art. 101 OR wolle die Tauschgerechtigkeit in den gegenseitigen Vertragsleistungen gewährleisten, bei Art. 47 PatG dagegen gehe es bloss darum, im Interesse der Rechtssicherheit eine straffe patentrechtliche Ordnung zu schaffen.
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Auf die Zweckbestimmung der beiden Vorschriften kommt für die hier zu entscheidende Frage jedoch nichts an. Was die Heranziehung von Art. 101 OR rechtfertigt, ist gemäss den Ausführungen in BGE 87 I 219 ff. die Ähnlichkeit des Sachverhalts, nämlich der Beizug von Hilfspersonen, deren Versagen sich unmittelbar zum Nachteil des Geschäftsherrn auswirkt.
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Die Beschwerdeführerin glaubt, die Anwendbarkeit von Art. 55 daraus ableiten zu können, dass im Falle des Art. 47 PatG auch materielle Interessen Dritter in Frage stehen, die durch das Versäumnis betroffen werden. Art. 47 PatG betrifft jedoch ausschliesslich das Verhältnis des Patentinhabers zum Amt; die Auswirkungen des ihm zur Last fallenden Versäumnisses auf Dritte werden durch Art. 48 PatG mit dem dort zugunsten gutgläubiger Dritter vorgesehenen Mitbenützungsrecht erschöpfend geregelt.
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Es ist somit daran festzuhalten, dass dem Patentinhaber das Verhalten seiner Hilfspersonen nach den Grundsätzen von Art. 101 OR anzurechnen ist.
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Eine solche Unterscheidung zwischen dem Verschulden des Patentanwaltes oder des von ihm mit der Behandlung des Geschäftes beauftragten Substituten einerseits und demjenigen blossen Büropersonals anderseits wird von der deutschen Rechtsprechung gemacht, die das Verschulden eines sonst zuverlässigen und erprobten Büroangestellten als "unabwendbaren Zufall" im Sinne von § 43 PatG bewertet (BENKARD, PatG § 43 N. 5 S. 858). Nach der Ansicht von BLUM/PEDRAZZINI (PatG Art. 47 Anm. 7, S. 674 f. lit. b) ist diese Unterscheidung auch für das schweizerische Recht zu übernehmen.
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Das Bundesgericht hat eine solche Lösung in BGE 85 I 71 ebenfalls in Erwägung gezogen, ohne jedoch damals zu der Frage abschliessend Stellung zu nehmen. In der späteren Rechtsprechung (BGE 87 I 221, BGE 90 I 55 Erw. 4) wurde sie dann jedoch abgelehnt, da auch Angestellte des Patentanwalts mittelbare Hilfspersonen des Vertretenen seien. Diese Lösung steht im Einklang mit der Rechtsprechung zu Art 35 OG, wonach bei Fristversäumnis eine Partei sich auch das Verschulden des Angestellten ihres Anwalts entgegenhalten lassen muss (BGE 85 II 47,BGE 78 IV 132Erw. 2).
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Die Beschwerdeführerin erachtet diese Rechtsprechung als zu streng; sie bedeute eine unerträgliche Bedrohung für den Patentanwalt, da seine Existenz jederzeit durch blosse Versehen eines Büroangestellten vernichtet werden könne.
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Diese Befürchtung ist unbegründet. Der Patentanwalt kann die erwähnten schweren Folgen dadurch von sich abwenden, dass er dem Patentinhaber gegenüber seine Haftung für Hilfspersonen gemäss Art. 101 Abs. 2 OR einschränkt.
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Es besteht somit kein Anlass zu der mit der Beschwerde beantragten Änderung der Rechtsprechung.
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Die Überwachung des in Frage stehenden schweizerischen Patents war dem Büro Kenway Anfang 1962 übertragen worden. Dem Sachbearbeiter Ericson musste bekannt sein, dass das schweizerische Recht dem ausländischen Patentinhaber die Bestellung eines in der Schweiz niedergelassenen Vertreters zur Pflicht macht; er musste auch wissen, dass jedes Jahr Patentgebühren zu entrichten sind, deren Nichtbegleichung nach Ablauf bestimmter Fristen zum Erlöschen des Patentes führt. Die Sorgfalt eines umsichtigen Geschäftsmannes, für die er einzustehen hat, hätte ihn daher veranlassen sollen, sich beim Büro Singer, das bis dahin die Patentüberwachung besorgt hatte, danach zu erkundigen, wer das Patent in der Schweiz vertrete; ebenso hätte er das Büro Singer auffordern sollen, allenfalls noch bei ihm eingehende Mitteilungen des schweizerischen Vertreters an das Büro Kenway weiterzuleiten. Bei diesem Vorgehen hätte er sich rechtzeitig mit Patentanwalt Isler in Verbindung setzen können und dessen Mahnungen bezüglich der fälligen Patentgebühr erhalten, so dass der Verfall des Patentes sich hätte vermeiden lassen.
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Ericson hat statt dessen allerdings mit Schreiben vom 16. April 1962 den Patentanwalt Braun in Basel um die Übernahme der Vertretung des Patentes in der Schweiz ersucht, und als er von diesem den Bescheid erhielt, das Patent werde bereits von Patentanwalt Isler vertreten, gab er Ende Mai 1962 seiner Sekretärin die Weisung, sich bei Isler nach dem Stand des Patentes zu erkundigen. Bei diesem Schreiben handelte es sich keineswegs um ein blosses "Routineschreiben", da von ihm unter Umständen der Bestand des Patentes abhängen konnte. Ericson wäre daher verpflichtet gewesen, sich zu vergewissern, ob das Schreiben ausgefertigt und versandt worden sei. Statt dessen kümmerte er sich nicht mehr weiter um die Sache und unterliess bis im August 1963, also während mehr als eines Jahres, überhaupt jeden Schritt, der das Erlöschen des Patentes hätte hindern können. Das Amt hat daher mit Rücksicht auf dieses Verschulden die Wiedereinsetzung zu Recht verweigert.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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