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40. Auszug aus dem Urteil vom 17. September 1964 i.S. Einwohnergemeinde Gerlafingen gegen Regierungsrat des Kantons Bern. | |
Regeste |
Einspruch gegen den Kaufvertrag über ein landwirtschaftliches Heimwesen. Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG. |
In welchem Sinne kann der Programmartikel 1 des Gesetzes zur Auslegung der einzelnen Bestimmungen herangezogen werden? | |
Sachverhalt | |
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A.- Die Einwohnergemeinde Gerlafingen, Kanton Solothurn, plant die Errichtung einer Alterssiedlung, eines Schulzentrums ![]() | 2 |
B.- Unter den Angeboten befand sich dasjenige der Erbengemeinschaft Bütikofer für das Bauerngut "Leimern" in Jetzikofen, Gemeinde Kirchlindach bei Bern, im Halte von 2174.40 Aren. Die Eigentümer entschlossen sich zum Verkauf an die Einwohnergemeinde Gerlafingen, die den höchsten Preis bot. Übrigens befanden sich unter den Kaufsinteressenten keine Bauern, weder zur Selbstbewirtschaftung noch sonst zum Erwerb des Heimwesens. Der Kaufvertrag wurde am 21. Februar 1963 öffentlich beurkundet. Der Preis beträgt Fr. 1'340,000.--.
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C.- Indessen wünschte die Familie Flury namentlich aus konfessionellen Gründen im bisher von ihr bewohnten Kirchsprengel zu bleiben. Da die Einwohnergemeinde Gerlafingen keine dieser Bedingung entsprechende Liegenschaft gegen bar erwerben konnte, entschloss sie sich zu einem Dreieckhandel: Danach erhält die Familie Flury im Austausch für ihr Land ein grösseres und günstiger zu bewirtschaftendes Heimwesen in den Gemeinden Halten und Recherswil, und dazu ein Aufgeld von Fr. 300'000.--. Dieses Heimwesen besteht aus Parzellen, die bisher zwei Nichtlandwirten gehörten. Diese sind bereit, es ebenfalls gegen Realersatz abzugeben. Einer von ihnen will das Heimwesen "Leimern" in Tausch nehmen.
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E.- Mit vorliegender Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht hält die Einwohnergemeinde Gerlafingen am Antrage fest, der gegen den Kaufvertrag erhobene Einspruch sei aufzuheben.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
..... Zu prüfen bleibt, ob der vom Regierungsrat einzig in Betracht gezogene Einspruchsgrund des Art. 19 Abs. 1 lit. a ("wenn der Käufer das Heimwesen oder die Liegenschaft offensichtlich zum Zwecke der Spekulation oder des Güteraufkaufs erwirbt") zutreffe. Spekulationsabsicht liegt nach allgemeinem Sprachgebrauch als Beweggrund zu einem Landerwerb dann vor, "wenn der Käufer beabsichtigt, das Objekt früher oder später mit Gewinn wieder zu veräussern" (so nach der nicht veröffentlichten Erw. 2 des Entscheides i.S. Barth gegen Bern vom 1. April 1955). Diese Absicht ist offensichtlich, "wenn sich aus den gesamten Umständen des Falles klar ergibt, dass die Absicht eines späteren Wiederverkaufs mit der Hoffnung auf Gewinn das Hauptmotiv des Käufers ist" (ebendort). Benötigt der Käufer die Liegenschaft unmittelbar zu einem bestimmten Zweck oder als Kapitalanlage, so hat man es nicht mit Spekulation zu tun; anders, wenn er das Land lediglich auf Vorrat kauft in der Erwartung, es bei Gelegenheit gewinnbringend verwerten zu können (Entscheid Gasser und Mundwiler gegen Bern vom 17. Februar 1956). Das Argument der kantonalen Behörde, der Pachtzins ergebe keine angemessene Verzinsung des im Grundstück angelegten Kapitals, also liege Spekulation vor, hat das Bundesgericht (i.S. Kellerhals und Koelz gegen Basel-Landschaft vom 21. Dezember 1956) verworfen. Es kommt auf die Gesamtheit der Umstände, auf das gesamte Interesse des Käufers am Erwerb der Liegenschaft an. In BGE 83 I 313 hält das Bundesgericht mit Hinweis auf ![]() | 8 |
Im vorliegenden Falle nimmt der Regierungsrat aus folgenden Gründen Spekulationsabsicht der Beschwerdeführerin an: Einmal wolle sie den Hof "Leimern" nicht als dauernde Kapitalanlage behalten, sondern weiterveräussern. Sodann erstrebe sie als Erfolg der miteinander zusammenhängenden Handänderungen, die ihr das Heimwesen der Eheleute Flury verschaffen sollen, einen Gewinn. Denn dem von ihr zu erbringenden Aufwand, bestehend aus dem Kaufpreis von Fr. 1'340,000.--
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und dem an Frau Flury zu bezahlenden
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Aufgeld von " 300'000.--
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zusammen Fr. 1'640,000.--
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stehe ein beträchtlich grösserer Baulandwert des bei diesem Tauschgeschäft auf sie übergehenden Landes gegenüber. Sie erhalte insgesamt 890 Aren Land, wovon 675 Aren ![]() | 13 |
Bei näherer Würdigung des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich indessen, dass die Beschwerdeführerin den Bauernhof "Leimern" keineswegs in "offensichtlicher Spekulationsabsicht" gekauft hat. Daraus, dass sie dieses Heimwesen nicht zum Eigengebrauch oder als dauernde Kapitalanlage in Gestalt eines Pachtgutes behalten, sondern es weiterveräussern will, darf nicht kurzerhand auf einen zur Gewinnerzielung getätigten Handelskauf geschlossen werden. Das spekulative Moment der Ausnützung veränderlicher, zeitlicher oder örtlicher Preisunterschiede ("Gewinntendenz durch Umsatz"; vgl. JOST, Handkommentar zum EGG, N. 4 zu Art. 19) fehlt hier gänzlich. Diese Liegenschaft soll ja überhaupt nicht gegen Zahlung eines (höhern) Preises auf den Dritten übertragen werden, sondern als Tauschobjekt für dessen gegenwärtigen Landbesitz dienen, den er den Eheleuten Flury als Ersatz für deren von der Beschwerdeführerin beanspruchtes Land überlassen soll. Diese geht bei alldem nur auf den Erwerb des gegenwärtigen Bauerngutes der Eheleute Flury zu dauerndem Besitz aus, und sie erzielt als Ergebnis der verschiedenen ins Werk gesetzten Handänderungen keinen Handelsgewinn; vielmehr hat sie ausser dem für den Hof "Leimern" zu erlegenden Kaufpreis noch Fr. 300'000.-- als Aufgeld an Frau Flury zu zahlen. Somit fragt es sich nur noch, ob, wie der Regierungsrat annimmt, dieser Erwerb im Endeffekt ein überaus günstiger und der Ankauf des Hofes "Leimern" um dieses Endzweckes willen als ![]() | 14 |
Kaufpreis für den Hof "Leimern" Fr. 1'340,000.--
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Instandstellungskosten " 60'000.--
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Handänderungsgebühren, Notariats-
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kosten und Anteil an Steuern " 74'000.--
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Aufgeld an die Eheleute Flury " 300.000.--
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Zusammen Fr. 1'774,000.--
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Auch wenn die Beschwerdeführerin auf dem Liegenschaftsmarkt oder bei Enteignung einen viel höhern Preis für das Bauerngut der Eheleute Flury bezahlen müsste, verdient der Ankauf des Hofes "Leimern" nicht als Spekulationskauf bezeichnet zu werden. Das Endziel, dem dieser Ankauf zu dienen hat, ist zweifellos kein spekulatives: Das Land der Eheleute Flury soll, wie die Beschwerdeschrift mit angefügten Belegen dartut, dauernder Besitz der Beschwerdeführerin zu bestimmten, in naher Zukunft zu verwirklichenden öffentlichen Zwecken werden, und zwar nach dem neuen Landumlegungsplan in vollem Umfang, so dass sich keine Landreserve für künftige, noch unbestimmte öffentliche Zwecke ergibt. Eine solche Landreserve wäre übrigens nicht ohne weiteres als spekulativer Erwerb zu betrachten. Gewöhnlich bilden Landreserven eines Gemeinwesens, bis sie einem öffentlichen Zwecke gewidmet werden, dauernde Kapitalanlagen, die, wie in BGE 83 I 313 ff. des nähern ausgeführt ist, Spckulationskäufen nicht gleichzuachten sind. Zwar ist eine Kapitalanlage nicht nach Art. 21 EGG überhaupt vom Einspruchsverfahren ![]() | 21 |
Endlich bezweckt die Beschwerdeführerin mit dem Ankauf des Hofes "Leimern" keinen Güteraufkauf, d.h. keinen Aufkauf (accaparement, accaparramento) mehrerer Landgüter (vgl. BGE 83 I 315 Erw. 3), sei es um einen landwirtschaftlichen Grossbetrieb zu schaffen, sei es aus mehr oder weniger verdeckten Beweggründen (vgl. JOST, N. 6 zu Art. 19 EGG). Wie aus dem Gesagten hervorgeht, ist es der Beschwerdeführerin um etwas anderes zu tun, ganz abgesehen davon, dass sie als Ergebnis der verschiedenen Tauschgeschäfte ein einziges Heimwesen erwerben soll.
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