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42. Urteil vom 23. Dezember 1964 i.S. X. gegen Bürgerrat der Stadt Basel und Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt. | |
Regeste |
Einbürgerung. Willkür. |
2. Abweisung eines Gesuchs wegen "notorisch anstössigen Lebenswandels" (§ 2 lit. d des basel-städtischen Bürgerrechtsgesetzes vom 19. Juni 1902). Unhaltbarkeit der Annahme, dass darunter auch mangelnde Assimilation und freches Benehmen bei der behördlichen Einvernahme zum Einbürgerungsgesuch falle (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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§ 2. Das Gemeindebürgerrecht kann nicht erworben werden von Personen, welche
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a) im Aktivbürgerrecht eingestellt sind;
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b) innert der letzten 3 Jahre in Konkurs geraten oder fruchtlos gepfändet worden sind oder einen Nachlassvertrag abgeschlossen haben;
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c) der öffentlichen oder privaten Wohltätigkeit dauernd zur Last fallen oder voraussichtlich zur Last fallen werden;
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d) sich eines notorisch anstössigen Lebenswandels schuldig machen;
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e) an seelischen oder körperlichen Leiden erkrankt sind oder voraussichtlich an solchen erkranken werden, durch welche sie, ihre Nachkommen oder ihre Umgebung erheblich gefährdet werden.
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§ 3. Mehrjährigen Nichtbürgern, welche seit 15 Jahren im Kanton wohnhaft sind, und welche das 45. Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben, steht das Recht auf die Aufnahme in das Bürgerrecht der Gemeinde zu, in welcher sie unmittelbar vor Stellung des Gesuches seit mindestens einem Jahre wohnhaft sind...
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§ 11. Der Bürgerrat prüft, ob die Bewerbungen den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen, und ob nicht eines der in § 2 aufgezählten Hindernisse vorliege.
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Bei Bewerbungen auf Grund der §§ 3 und 4 spricht er die Aufnahme aus, sofern keines der in § 2 aufgestellten Hindernisse vorliegt.
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B.- Die Beschwerdeführerin Fräulein X. ist am 18. September 1942 als Tochter eines Italieners und einer gebürtigen Schweizerin in Basel geboren und wohnte seither ununterbrochen dort. Sie möchte Schweizerbürgerin werden und bewarb sich im Herbst 1962 um das Bürgerrecht der Stadt Basel. Nachdem sie am 10. Mai 1963 von der Bürgerkommission der Stadt Basel einvernommen und ihr am 7. Oktober 1963 die eidg. Einbürgerungsbewilligung ![]() | 11 |
Gegen diesen nicht weiter begründeten Entscheid rekurrierte die Beschwerdeführerin an den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt. Dieser holte eine Vernehmlassung des Bürgerrates ein und wies hierauf den Rekurs am 15. September 1964 ab, indem er ausführte: Der Abweisungsgrund des "notorisch anstössigen Lebenswandels" (§ 2 lit. d BRG) werde gemäss jahrzehntelanger Praxis sehr extensiv ausgelegt und nicht nur auf Bewerber angewendet, die sich in strafrechtlicher oder moralischer Beziehung vergangen haben, sondern auch auf solche, die wegen ihrer politischen Einstellung, wegen unerfreulicher Charaktereigenschaften oder wegen mangelnder Assimilation abgewiesen werden. Es werde ausdrücklich festgestellt, dass die Beschwerdeführerin "weder in moralischer noch in sittlicher Hinsicht tangiert wird". Dagegen werde ihr mit Recht vorgeworfen, dass sie unerfreuliche Charaktereigenschaften aufweise und nicht assimiliert sei. Sie habe sich der Bürgerkommission gegenüber arrogant und anmassend benommen. So habe sie u.a. die Frage, wie man von Basel nach Olten oder Luzern gelange, mit den Worten "den Wegweisern nach" beantwortet, was eindeutig ihre Arroganz beweise, aber auch zeige, wie wenig ihr am Erwerb des Bürgerrechts liege, denn wer solche Antworten gebe, müsse zum vorneherein damit rechnen und nehme in Kauf, dass er die "Prüfung" nicht bestehe. Mit dieser und andern entsprechenden Antworten habe sie offenbar auch ihre vollständige Unwissenheit über Basler und Schweizer Institutionen und Verhältnisse verdecken wollen. Jedenfalls sei sie den Beweis für ihre Assimilation schuldig geblieben. Damit seien die Voraussetzungen zum Erwerb des Basler Bürgerrechts zur Zeit nicht erfüllt.
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C.- Gegen diesen Entscheid des Regierungsrats hat Fräulein X. staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, ihn aufzuheben. Als Beschwerdegrund macht sie ![]() | 13 |
D.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt und der Bürgerrat der Stadt Basel beantragen Abweisung der Beschwerde. Auf ihre Ausführungen wird, soweit nötig, ebenfalls in den Erwägungen zurückgekommen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Der Regierungsrat bemerkt in der Beschwerdeantwort, dass die Gründe, die den kantonalen Gesetzgeber zu dieser Beschränkung des kantonalen Rechtswegs bestimmten, auch für das Bundesgericht Geltung haben sollten und sich daher die Frage stelle, ob auf die staatsrechtliche Beschwerde überhaupt einzutreten sei. Der Einwand ist unbegründet. Nach § 3 Abs. 1 BRG steht einem mehrjährigen Nichtbürger, der - wie die Beschwerdeführerin seit mehr als 15 Jahren im Kanton wohnt und das 45. Altersjahr noch nicht zurückgelegt hat, unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf die Aufnahme in das Bürgerrecht der Wohnsitzgemeinde zu. Damit wird, wie der Regierungsrat anerkennt, ein eigentlicher Anspruch auf Einbürgerung begründet, wie ihn auch einzelne andere Kantone kennen (GIACOMETTI, Staatsrecht der Kantons S. 119). Besteht aber unter gewissen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung, ![]() | 16 |
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Nach dieser Bestimmung kann das Gemeindebürgerrecht nicht erworben werden durch Personen, die "sich eines notorisch anstössigen Lebenswandels schuldig machen". Der Regierungsrat nimmt an, gestützt hierauf könne die Einbürgerung nicht nur solchen Personen verweigert werden, welche sich in strafrechtlicher oder moralischer Beziehung vergangen haben, sondern auch allen denjenigen, deren Einbürgerung wegen ihrer politischen Einstellung, wegen unerfreulicher Charaktereigenschaften oder wegen mangelnder Assimilation als unerwünscht erscheine. Diese Auslegung von § 2 lit. d BRG im Sinne einer Generalklausel lässt sich mit dem klaren Wortlaut und Sinn des BRG nicht vereinbaren. Gemäss § 11 Abs. 2 BRG ist das Bürgerrecht in dem hier zutreffenden ![]() | 18 |
Die im angefochtenen Entscheid vertretene unhaltbare Auslegung von § 2 lit. d BRG lässt sich auch nicht mit dem Einwand rechtfertigen, sie entspreche einer "jahrzehntelangen Praxis". Eine solche Praxis vermöchte gegen den klaren Wortlaut und Sinn des Gesetzes nur aufzukommen, wenn sich dadurch ein Gewohnheitsrecht entwickelt hätte, was der Regierungsrat nicht zu behaupten ![]() | 19 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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