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14. Urteil vom 12. Mai 1965 i.S. Minister gegen Grosser Rat des Kantons Aargau | |
Regeste |
Quellensteuer, Verfassungsmässigkeit gesetzlicher Erlasse, Rechtsgleichheit. Art. 4 BV. |
2. Darin, dass nach § 116 bis Abs. 1 des aargauischen Gesetzes über die ordentlichen Staats- und Gemeindesteuern vom 5. Februar 1945 /6. Dezember 1964 ausländische Arbeitnehmer, welche keine fremdenpolizeiliche Niederlassungsbewilligung besitzen, der Quellensteuer unterstellt werden können, liegt keine rechtsungleiche Behandlung (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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"§ 116 bis (Quellensteuer)
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1. Für das unselbständige Erwerbseinkommen natürlicher Personen ohne fremdenpolizeiliche Niederlassungsbewilligung kann der Regierungsrat die Erhebung der Steuer beim Schuldner der steuerbaren Leistung In Form eines Quellensteuerabzuges anordnen. Das übrige Einkommen und das Vermögen sind nach den allgemeinen Bestimmungen des Steuergesetzes steuerpflichtig.
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2. Die Quellensteuer tritt an die Stelle der ordentlichen Einkommenssteuer und wird nach einem von den Steuerfüssen des Staates und der Gemeinden unabhängigen Pauschaltarif erhoben.
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3. Der Schuldner der steuerbaren Leistung hat
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a) die steuerbare Leistung um die im Zeitpunkt ihrer Auszahlung oder Gutschrift verfallende Steuer zu kürzen,
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b) die Steuerbetreffnisse an die vom Kanton bezeichnete Amtsstelle abzuliefern,
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c) die Steuer auf den Bezüger der Leistung zu überwälzen,
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d) für Steuerausfälle und für Verstösse gegen die Ablieferungspflicht einzustehen, soweit er sie vorsätzlich oder grobfahrlässig verschuldet hat.
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4. Wird kein Barlohn ausgerichtet oder ist der Steuerabzug höher als diese Leistung, so ist der Arbeitgeber gehalten, die Quellensteuer auf den Naturalentschädigungen und auf den Trinkgeldern oder auf ähnlichen Einkünften beim Steuerpflichtigen zu erheben.
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5. Die mit der Durchführung der Quellensteuer betraute Amtsstelle ist befugt, beim Schuldner der steuerbaren Leistung, auf den die §§ 72 bis 74, 100, 101 und 115 des Steuergesetzes sinngemäss ebenfalls anwendbar sind, die Erfüllung der gesetzlichen Pflichten nachzuprüfen.
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§ 116 ter (Gegenrecht)
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Der Regierungsrat ist befugt, mit anderen Kantonen Vereinbarungen abzuschliessen über die gegenseitige Anwendung der Quellensteuer auf das Erwerbseinkommen von Personen, die im einen Kanton wohnen und im anderen entlöhnt werden."
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Diese Gesetzesvorlage ist in der Volksabstimmung vom 6. Dezember 1964 angenommen worden und am 1. Januar 1965 ![]() | 14 |
"Natürliche Personen, die nicht im Besitze der fremdenpolizeilichen Niederlassungsbewilligung (Ausländerausweis C) sind, sich jedoch im Kanton Aargau aufhalten oder im Kanton wohnen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen, sind für die Einkünfte aus dieser Erwerbstätigkeit nach Massgabe dieser Verordnung steuerpflichtig."
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Nach § 3 QVO wird die Quellensteuer für den ganzen Kanton einheitlich und unter Berücksichtigung der mittleren Steuerbelastung in Bund, Kanton und Gemeinden (einschliesslich Kirchen- und Feuerwehrsteuern) festgesetzt. Gemäss § 9 lit. a QVO bleibt die Durchführung des Einschätzungsverfahrens nach den ordentlichen Bestimmungen des Steuergesetzes vorbehalten, wenn der Steuerpflichtige über ein Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit von dauernd mehr als Fr. 1500.-- pro Monat verfügt.
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B.- Der deutsche Staatsangehörige Walter Minister wohnt seit dem Jahre 1957 in Ennetbaden und arbeitet in der Firma Brown, Boveri & Cie. AG, wo er im Jahre 1963 einen Lohn von Fr. 14'171.-- und Fr. 850.-- Gratifikation und im Jahre 1964 einen Lohn von Fr. 15'361.-- und Fr. 900.-- Gratifikation bezog. Er ist im Besitze einer Aufenthaltsbewilligung, die bis zum 30. September 1965 gültig ist.
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Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt Walter Minister, es sei § 116 bis StG wegen Verletzung von Art. 4 BV als ungültig zu erklären und aufzuheben. Auf die Begründung der Beschwerde wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen hingewiesen.
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C.- Der Regierungsrat des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde abzuweisen, eventuell vor dem Entscheid darüber die anderen Kantone zur Stellungnahme einzuladen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Beschwerde richtet sich gegen den in der Volksabstimmung vom 6. Dezember 1964 angenommenen neuen ![]() | 20 |
Zur Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV sind Ausländer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes nur befugt wegen formeller Rechtsverweigerung und Willkür in Zivil- und Strafsachen oder in Verwaltungsstreitigkeiten vermögensrechtlicher Art wie überhaupt dort, wo die durch Art. 4 BV gewährleisteten Rechte dem Einzelnen ohne Rücksicht auf seine Staatsangehörigkeit zustehen (BGE 91 I 49). Die Frage, ob der Beschwerdeführer in Ansehung dieser Praxis legitimiert sei, vorliegenden Falles eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV einzureichen, braucht indessen nicht beantwortet zu werden, weil sich die Beschwerde materiell als nicht begründet erweist.
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Ob der Gesetzgeber sich beim Erlass einer bestimmten ![]() | 23 |
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a) Es trifft zu, dass § 116 bis Abs. 1 StG trotz gleicher tatsächlicher Verhältnisse mit Bezug auf die Besteuerung zwei Kategorien von Fremdarbeitern unterscheidet: Solche, die im Besitze einer fremdenpolizeilichen Niederlassungsbewilligung sind und im ordentlichen Verfahren besteuert werden, und solche, die keine Niederlassungsbewilligung besitzen und der Quellensteuer unterstehen. Eine Ungleichheit besteht auch insofern, ![]() | 25 |
Zur Unterstellung unter die Quellensteuer hat das Bundesgericht in einem neueren Entscheid (vom 21. März 1962 i.S. Rohner gegen Kanton St. Gallen, ASA 32 S. 211 f.) ausgeführt, dadurch, dass Art. 1 der st. gallischen Verordnung über die Quellensteuer die Unterstellung davon abhängig mache, ob der ausländische Arbeitnehmer eine fremdenpolizeiliche Niederlassungsbewilligung besitze oder nicht, werde auf ein Merkmal abgestellt, das für das Polizeirecht, nicht aber für das Steuerrecht von Bedeutung sei. Insbesondere berücksichtige das st. gallische Steuerrecht für die steuerliche Zugehörigkeit zum Kanton weder die Niederlassungsbewilligung noch die Staatsangehörigkeit, sondern allein den Wohnsitz, beziehungsweise die für diesen massgebliche Dauer des Aufenthaltes. Sowohl nach der allgemeinen Ordnung des st. gallischen Steuergesetzes als auch nach dem besonderen Zweck der Quellensteuer könne zwar das Fehlen des Wohnsitzes im Kanton, nicht aber das Fehlen der Niederlassungsbewilligung einen sachlichen Grund für die Anwendung der Quellensteuer bilden. Soweit Art. 1 der st. gallischen Verordnung über die Quellensteuer Ausländer mit Wohnsitz im Kanton der Quellensteuer unterstelle, behandle er diese ohne ernsthaften Grund anders als Personen in gleichen tatsächlichen Verhältnissen und verletze damit die Rechtsgleichheit.
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Diese Erwägungen sind für den vorliegenden Fall insoweit nicht präjudiziell, als § 116 bis Abs. 1 StG für die Anwendung der Quellensteuer bewusst auf das Fehlen der Niederlassungsbewilligung abstellt, wobei offensichtlich vorausgesetzt ist, dass der ausländische Arbeitnehmer sich im Kanton aufhält oder hier wohnt (vgl. § 1 QVO). Der Kanton Aargau hat demnach in seinem Steuergesetz ausdrücklich eine Lösung gewählt, nach welcher gewisse Ausländer mit Wohnsitz oder Aufenthalt im Kanton der Quellensteuer unterliegen, während der st. gallische Gesetzgeber den Regierungsrat nur ermächtigt ![]() | 27 |
b) Im Entscheid Rohner führte das Bundesgericht aus, auch der für die Einführung der Quellensteuer angegebene Grund, die Besteuerung jener Personen zu erleichtern, deren steuerliche Erfassung nach dem ordentlichen Veranlagungs- und Bezugsverfahren infolge ihrer befristeten Tätigkeit im Kanton Schwierigkeiten bereite, vermöge eine Unterscheidung nach dem Besitze der Niederlassungsbewilligung nicht zu rechtfertigen, denn solche Schwierigkeiten könnten wohl aus der kurzen Dauer des Aufenthaltes im Kanton, nicht aber aus dem Fehlen der Niederlassungsbewilligung entstehen; ein Pflichtiger, der sich mehr als drei Monate im Kanton aufhalte, könne ohne ernsthafte Schwierigkeiten auf dem ordentlichen Wege steuerlich erfasst werden, gleichgültig, ob er die Niederlassungsbewilligung besitze oder nicht.
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Es rechtfertigt sich indessen doch, zu prüfen, ob bei den gegebenen Verhältnissen die Schwierigkeiten, die sich einer richtigen steuerlichen Erfassung der Fremdarbeiter entgegenstellen, derart seien, dass sich die Anwendung der Quellensteuer auch gegenüber Pflichtigen aufdrängt, die im Kanton Wohnsitz haben.
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Die Schwierigkeit einer geordneten steuerlichen Erfassung der ausländischen Arbeitskräfte ist zunächst darauf zurückzuführen, dass ihre Zahl ausserordentlich gross ist. Im August 1964 betrug die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte in der Schweiz rund 720'900 kontrollpflichtige Aufenthalter und Grenzgänger und etwa 100'000 Ausländer mit Niederlassungsbewilligung, was nahezu 30% aller Beschäftigten entspricht (Geschäftsbericht des Bundesrates über das Jahr 1964, S. 242); im Kanton Aargau wurden zur gleichen Zeit 52'348 kontrollpflichtige ausländische Arbeitskräfte gezählt. Angesichts dieser grossen Zahl von Fremdarbeitern ist es den Steuerbehörden nicht möglich, in allen Fällen die Frage des Wohnsitzes näher abzukären, zumal im Zeitpunkte der Einreise kaum je feststeht, wie lange sich der betreffende Fremdarbeiter im Kanton aufhalten werde. Aufenthalter, die sich mit unserem Lande noch wenig verbunden fühlen, kehren öfters periodisch an ihren früheren Wohnsitz zurück, und für ausländische Saisonarbeiter ist die jeweilige Rückkehr in den Heimatstaat fremdenpolizeilich vorgeschrieben.
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All das stellt die richtige Durchführung eines ordentlichen Veranlagungs- und Bezugsverfahrens in Frage und führte zur Lösung, die Fremdarbeiter der Quellensteuer zu unterstellen, womit einerseits der Steuerbezug gesichert und anderseits ermöglicht wird, den Pflichtigen nach einem einfachen und ihm in der Regel bekannten Verfahren zu besteuern.
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Diejenigen ausländischen Arbeitnehmer, die im Besitze einer Niederlassungsbewilligung sind, tragen zu den Schwierigkeiten, die den Anlass zur Einführung der Quellensteuer boten, kaum etwas bei, da sie regelmässig schon lange Jahre in der Schweiz wohnen, mit unseren Einrichtungen und mit unserer Sprache vertraut sind und sich hier meist auch eine dauernde Existenzgrundlage geschaffen haben. Dass diese Kategorie von Fremdarbeitern im Rahmen des ordentlichen Veranlagungs- und Bezugsverfahrens zu besteuern ist, steht deshalb ausser Frage und ist in § 116 bis Abs. 1 StG auch vorgesehen. Bei der grossen Zahl der blossen Aufenthalter, die nach dieser Vorschrift der Quellensteuer unterworfen sind, wirken sich dagegen die erwähnten Schwierigkeiten aus. Wenngleich es nicht ausgeschlossen ist, dass auch hier in manchen Fällen das ordentliche Verfahren durchgeführt werden könnte, haben doch die Steuerbehörden praktisch nicht die Möglichkeit, diese zuverlässig festzustellen und zu erfassen. Es kann daher nicht gesagt werden, die Unterstellung der Aufenthalter unter die Quellensteuer lasse sich mit ernsthaften Erwägungen nicht begründen. § 116 bis Abs. 1 StG trägt den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen in vernünftiger Weise Rechnung, sodass die ![]() | 33 |
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5. Schliesslich macht der Beschwerdeführer noch geltend, § 9 QVO, wonach bei Steuerpflichtigen, die über ein Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit von dauernd mehr als Fr. 1500.-- pro Monat verfügen, das ordentliche Einschätzungsverfahren Platz greift, verletze ebenfalls den Grundsatz der Rechtsgleichheit. Auch dieser Einwand ist unbehelflich. Eine solche Bestimmung ermöglicht, dem Grundsatz der Rechtsgleichheit besser Rechnung zu tragen, da sich bei Einkommen von mehr als Fr. 1500.-- im Monat die individuellen Unterschiede bei den Abzügen für Berufsauslagen und Versicherungsbeiträge derart erheblich auswirken, dass stossende Ungleichheiten entstehen würden, wenn auch diese Pflichtigen nach einem einheitlichen Tarif besteuert würden. Abgesehen davon ![]() | 35 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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