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50. Auszug aus dem Urteil vom 10. November 1965 i.S. Genossenschaft Migros Luzern gegen Regierungsrat des Kantons Obwalden. | |
Regeste |
Verkaufswagengebühr, Überprüfung der Verfassungsmässigkeit kantonalen Rechtes, Rechtsgleichheit, Handels- und Gewerbefreiheit. Art. 4 und 31 BV. |
2. Die Belastung von Kantonseinwohnern und Kantonsfremden mit unterschiedlichen Hausiergebühren (hier Verkaufswagengebühren) verstösst grundsätzlich gegen die Rechtsgleichheit und gegen die Handels- und Gewerbefreiheit (Erw. 3 lit. b). | |
Sachverhalt | |
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Die Genossenschaft Migros Luzern nahm am 7. August 1964 einen Verkaufswagenbetrieb im Kanton Obwalden auf. Sie erzielte damit bis Ende des Jahres einen bestimmten Bruttoerlös. Mit Verfügung vom 1. März 1965 setzte hierauf die Polizeidirektion des Kantons Obwalden die Verkaufswagengebühr für das Jahr 1964 auf 3% des Bruttoumsatzes fest. Zur Begründung wurde auf den Beschluss des Kantonsrates des ![]() | 2 |
"Die Bewilligungsgebühr bei Hausierhandel mit Fahrzeugen, die dem Warenverkauf dienen, nach einem bestimmten Plan fahren und zum Zwecke des Warenverkaufs anhalten, beträgt:
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a) für Kantonseinwohner oder im Kanton domizihierte Firmen zwei Prozent des Bruttoumsatzes pro Verkaufswagen;
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b) für Ausserkantonale oder ausserhalb des Kantons domizilierte Firmen drei Prozent des Bruttoumsatzes."
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Die in der Folge gegen diesen Entscheid von der Genossenschaft Migros erhobene Beschwerde, mit welcher im wesentlichen beantragt wurde, es sei die Gebühr für den Verkaufswagenbetrieb auf höchstens 2% des erzielten Umsatzes herabzusetzen, wies der Regierungsrat des Kantons Obwalden mit Beschluss vom 3. Mai 1965 ab.
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Die staatsrechtliche Beschwerde, mit welcher die Genossenschaft Migros Luzern beantragte, es sei der Beschluss des Regierungsrates vom 3. Mai 1965 wegen Verletzung von Art. 4, 31 und 46 Abs. 2 BV aufzuheben und der Regierungsrat anzuweisen, "die monatliche Gebühr für den von der Beschwerdeführerin betriebenen Verkaufswagen auf höchstens Fr. X, eventuell aufhöchstens 2% des vom Verkaufswagen im Kantonsgebiet erzielten Umsatzes festzusetzen", wurde vom Bundesgericht teilweise gutgeheissen.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Im angefochtenen Entscheid wird dazu ausgeführt, es sei weder Sache der Polizeidirektion noch des Regierungsrates, die Verfassungsmässigkeit der vom Kanton erlassenen Bestimmungen ![]() | 11 |
Diesen Überlegungen des Regierungsrates kann nicht gefolgt werden. Insbesondere ist ohne Bedeutung, wie lange die heute beanstandete Regelung bereits gesetzlich verankert ist. Unrichtig ist auch die Auffassung, es sei nicht Sache des Regierungsrates, die Verfassungsmässigkeit der vom Kanton erlassenen Bestimmungen zu überprüfen. Wird im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens geltend gemacht, eine Bestimmung des kantonalen Rechtes sei bundesverfassungswidrig, so können sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes die Verwaltungsbehörden der Prüfung dieser Frage nicht entschlagen (vgl. Urteil vom 29. Januar 1958 i.S. Migros Bern, Erw. 4; BGE 82 I 219 Erw. 1). Erweist sich dann bei dieser Prüfung, dass der Einwand berechtigt ist, so haben nicht nur die Gerichte, sondern auch die Verwaltungsbehörden der als bundesverfassungswidrig erkannten Norm die Anwendung zu versagen. - Unerheblich ist sodann, dass die unterschiedliche Behandlung der Migros gegenüber gleichartigen innerkantonalen Firmen nur theoretischer Natur wäre, weil die Beschwerdeführerin allein einen Verkaufswagenbetrieb im Kanton Obwalden führe. Es handelt sich dabei um rein zufällige Verhältnisse, die sich jederzeit ändern können. Eine Verletzung der Rechtsgleichheit liegt aber schon dann vor, wenn zur Zeit etwas angeordnet wird, das in andern Fällen bei gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen nicht zulässig wäre.
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b) Mit der Frage der Zulässigkeit unterschiedlicher Hausiergebühren für Einheimische und Fremde hatte sich das Bundesgericht ![]() | 13 |
Dafür, dass der Verkaufswagenbetrieb der Beschwerdeführerin einen grösseren Verwaltungsaufwand erfordert, als dies bei einem gleichartigen innerkantonalen Unternehmen der Fall wäre, bestehen keine Anhaltspunkte. Eine Differenzierung der Gebühren aus diesem Grunde liesse sich daher nicht rechtfertigen. Soweit demnach mit dem Kantonsratsbeschluss vom 21. November 1963 ermöglicht wird, die Umsatzgebühr für die Verkaufswagen der Beschwerdeführerin höher anzusetzen (auf mehr als 2% des Bruttoumsatzes), als dies für eine einheimische Firma gleicher Art zulässig wäre, liegt demnach eine Verletzung der Rechtsgleichheit und der Handels- und Gewerbefreiheit vor. In gleicher Weise und im nämlichen Umfange ist auch der angefochtene Entscheid vom 3. Mai 1965, der sich auf diesen Kantonsratsbeschluss stützt, verfassungswidrig und deshalb in teilweiser Gutheissung der Beschwerde aufzuheben.
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