BGE 91 I 393 | |||
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63. Auszug aus dem Urteil vom 22. Dezember 1965 i.S. Immobilien-Handelsgesellschaft Merkuris AG gegen St. Gallen, Kanton und Kantonsgericht. | |
Regeste |
Doppelbesteuerung. | |
Sachverhalt | |
A.- Die Beschwerdeführerin "Immobilien-Handelsgesellschaft Merkuris AG", eine 1946 gegründete Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von Fr. 100'000, hat ihren Sitz in Zürich und bezweckt nach dem Handelsregistereintrag "in erster Linie An- und Verkauf von Bauland, Bau von Häusern auf eigene und fremde Rechnung, Kauf und Verkauf von Liegenschaften und deren Vermittlung sowie Verwaltung von Liegenschaften und Durchführung von Finanztransaktionen". J. F. Oberholzer in Zürich ist Inhaber eines Fünftels der Aktien, Präsident des Verwaltungsrates sowie Geschäftsführer mit Einzelunterschrift und beherrscht die AG; ausser ihm gehören seine Ehefrau und sein Sohn dem Verwaltungsrat an.
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Nach der Bilanz per 31. Dezember 1962 setzten sich die Aktiven der Beschwerdeführerin wie folgt zusammen:
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Fr. %
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Liegenschaften im Kt. St. Gallen 1'194,885.35 95,63
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Kassa, Postcheck, Banken, Mobilien 54'637.73 4,37
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1'249,523.08 100
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Die Gewinn- und Verlustrechnung des Jahres 1962 ergab einen Reingewinn von Fr. 894.--. Die Einnahmen bestehen im wesentlichen aus dem Nettoertrag der Liegenschaften von Fr. 33,Blo und einer Fr. 10'000.-- betragenden Aufwertung einer Liegenschaft. Die Ausgaben enthalten Fr. 31'686.-- Entschädigungen an den Verwaltungsratspräsidenten und Geschäftsführer.
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a) Der Sitzkanton Zürich hat die Beschwerdeführerin im Jahre 1963 weder für Kapital noch für Ertrag besteuert.
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b) Im Liegenschaftskanton St. Gallen verlangte die Beschwerdeführerin, im Jahre 1963 gemäss der Gewinn- und Verlustrechnung des Vorjahres für einen Reingewinn von Fr. 894.-- eingeschätzt zu werden. Die Veranlagungsbehörde betrachtete indes die Bezüge des Verwaltungsratspräsidenten und Geschäftsführers zum Teil als verdeckte Gewinnausschüttung. Die kantonale Steuerrekurskommission, an die sich die Beschwerdeführerin wandte, schloss sich der Betrachtungsweise der Veranlagungsbehörde an und setzte mit Entscheid vom 15. März 1965 den steuerbaren Gesamtgewinn durch Aufrechnung eines Teils jener Bezüge auf Fr. 19'142.-- und den im Kanton St. Gallen steuerbaren Reingewinn auf Fr. 41, 193.-- fest, letzteren auf Grund folgender Berechnung:
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Fr.
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Bruttomietzinsen der Liegenschaften 88'773.--
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Verbuchte Aufwertung. 10'000.--
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98'773.-- Abzüglich Fr.
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- Unterhalt der Liegenschaften 13'589.--
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- Verwaltung der Liegenschaften (5 %
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der Mietzinseinnahmen) 4'438.--
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- Anteil des Kt. St. Gallen an den Schuld-
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zinsen (95,6% von Fr. 41'373.--) 39'553.-- 57'580.--
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Im Kt. St. Gallen steuerbarer Reingewinn 41'193.--
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C.- Die Merkuris AG erhob gegen diesen Entscheid Beschwerde beim Kantonsgericht St. Gallen, wurde aber mit Urteil vom 29. Mai 1965 abgewiesen. Die Begründung befasst sich zunächst mit der Berechnung des Gesamteinkommens. Im Anschluss daran wird ausgeführt: Gemäss Art. 9 des st. gall. StG sei derjenige, der seinen Wohnsitz (oder Sitz) in einem andern Kanton habe, zum Kanton St. Gallen aber Beziehungen unterhalte, die nach dem Bundesrecht über das Verbot der Doppelbesteuerung eine Besteuerung im Kanton ermöglichen, im Rahmen dieses Bundesrechts steuerpflichtig. Die Berechnung des im Kanton St. Gallen steuerbaren Gewinns der Beschwerdeführerin entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach der Liegenschaftskanton nicht verpflichtet sei, Verluste einer Immobiliengesellschaft zu übernehmen, die mit den Liegenschaften nichts zu tun hätten (LOCHER, Doppelbesteuerung § 7 I B Nr. 13, 17, 20). Diese Rechtsprechung sei freilich nicht unangefochten geblieben und insbesondere von STUDER (ZBl 1958 S. 44 f.) kritisiert worden. Diese Kritik habe einiges für sich, doch sei es nicht Sache des kantonalen Steuerrichters, das Doppelbesteuerungsrecht in diesem Punkte zu ändern; vielmehr habe er dieses, wie es heute auf Grund gefestigter Praxis des Bundesgerichts gelte, hinzunehmen. Das Kantonsgericht würde über die klare Bestimmung von Art. 9 StG hinweggehen, wenn es vorliegend die Steuerpflicht nicht in dem Umfange bejahen würde, wie sie sich aus der geltenden Doppelbesteuerungspraxis ergebe.
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D.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt die Merkuris AG den Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 29. Mai 1965 sei aufzuheben und der Kanton St. Gallen anzuweisen, die Beschwerdeführerin mit einem Reingewinn von Fr. 894.-- einzuschätzen. Sie macht u.a. Verletzung des Art. 46 Abs. 2 BV geltend und bringt zur Begründung dieser Rüge vor: Die bundesgerichtliche Praxis, auf die sich das Kantonsgericht stütze, werde heftig kritisiert, weil sie zu unbilligen Resultaten führen könne. Nach Sinn und Zweck von Art. 46 BV solle ein Steuerpflichtiger, der in zwei Kantonen erfasst werde, nicht schlechter behandelt werden, als wenn er nur in einem Kanton steuerpflichtig wäre. Das werde aber durch die bundesgerichtliche Praxis gerade bewirkt. Hätte die Beschwerdeführerin ihre Liegenschaften im Kanton Zürich, so könnte sie nur mit einem Gewinn von Fr. 894.-- (bzw. bei Vornahme der gleichen Aufrechnung wie im Kanton St. Gallen mit Fr. 19'142.--), nicht aber mit Fr. 41'193.-- eingeschätzt werden. Das stelle eindeutig eine rechtsungleiche Behandlung dar, was nach einer Überprüfung der Praxis rufe.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, in bezug auf die Rüge der Doppelbesteuerung aus folgenden
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Erwägungen: | |
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Wie bei den Versicherungsgesellschaften (BGE 78 I 326ff. mit Verweisungen), so dient auch bei den Gesellschaften, die sich ausschliesslich oder vorwiegend mit der Verwaltung von Liegenschaften befassen (sog. Immobiliengesellschaften), der Liegenschaftsbesitz der Vermögensanlage und begründet daher kein sekundäres Steuerdomizil der Betriebsstätte (BGE 79 I 31 ff.). Ein Kanton, in dem eine Versicherungs- oder Immobiliengesellschaft lediglich als Grundeigentümerin steuerpflichtig ist, ist daher nicht befugt, sie durch Besteuerung einer Quote des Gesamtgewinns für ihren Geschäftsbetrieb als solchen zu besteuern. Er darf sie, im System der allgemeinen Reineinkommenssteuer, nur für den Reinertrag der Liegenschaft, d.h. für die Mietzinseinnahmen unter Abzug der Liegenschaftskosten und des verhältnismässigen Anteils der Schuldzinsen besteuern (BGE 79 I 33). Diesen Reinertrag der Liegenschaft aber darf er steuerlich voll erfassen unter Ausschluss aller übrigen Besteuerungsrechte (vgl.BGE 78 I 329). Dass das Grundeigentum als einziges der Gebietshoheit unentziehbar unterliegendes Gut dem Träger dieser Gebietshoheit zur ausschliesslichen Besteuerung vorbehalten sein soll, ist ein Grundsatz, der für die bundesgerichtliche Doppelbesteuerungsrechtsprechung von jeher wegleitend gewesen und von ihr in der letzten Zeit in verstärktem Masse zur Geltung gebracht worden ist (vgl. BGE 83 I 265 /7 und BGE 85 I 100 je mit Verweisungen).
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Wenn eine Immobiliengesellschaft mit Liegenschaftsbesitz ausserhalb des Sitzkantons vom Liegenschaftskanton (oder von mehreren Liegenschaftskantonen) für den Reinertrag der Liegenschaften gesondert besteuert wird, hat dies, sofern die Geschäftstätigkeit am Hauptsitz (oder die Liegenschaftsverwaltung in einzelnen Kantonen) mit Verlust abschliesst, zur Folge, dass die besteuerten Liegenschaftsgewinne den gesamten Reingewinn der Gesellschaft übersteigen, diese also steuerlich stärker belastet wird, als wenn sie nur der Steuerhoheit eines einzigen Kantons unterstände. Das stellt jedoch, wie das Bundesgericht in den Urteilen vom 6. April 1955 i.S. Hirsehof AG c. Bern (ZBl 1956 S. 482 ff.) und vom 20. November 1957 i.S. Solvo AG c. St. Gallen (ASA 27 S. 408 ff.) entschieden hat, keine unzulässige Doppelbesteuerung dar. Diese Rechtsprechung ist freilich als mit der sonstigen Doppelbesteuerungspraxis nicht im Einklang stehend kritisiert worden (STUDER, ZBl 1958 S. 44/5 und SCHLUMPF, Bundesgerichtspraxis zum Doppelbesteuerungsverbot, 3. Aufl. S. 258/9). In der Tat hat das Bundesgericht wiederholt erklärt, es bedeute eine Doppelbesteuerung, wenn ein Steuerpflichtiger in mehreren, auf dem Boden der allgemeinen Reineinkommenssteuer stehenden Kantonen zusammen mehr als sein gesamtes Reineinkommen zu versteuern habe (BGE 60 I 106,BGE 66 I 46/8). Bei Anwendung dieses Grundsatzes gegenüber einem Kanton, dessen Besteuerungsrecht auf die Liegenschaften beschränkt ist, wird jedoch der erwähnte andere Grundsatz missachtet, wonach die Liegenschaften dem Kanton der gelegenen Sache zur ausschliesslichen Besteuerung vorbehalten sind. Diesem Grundsatz aber muss seinem Wesen und Inhalt nach der Vorrang vor jenem zuerkannt werden. Wenn der Liegenschaftskanton auf die Besteuerung der Liegenschaft beschränkt ist und den Geschäftsbetrieb als solchen und seinen unter Umständen bedeutenden Gewinn in keiner Weise erfassen darf, ist es folgerichtig, dass er auch Geschäftsverluste, die mit der Liegenschaft nichts zu tun haben, nicht zu übernehmen braucht. Müsste der Liegenschaftskanton solche Verluste übernehmen und dadurch auf die Besteuerung des Liegenschaftsertrages teilweise oder ganz zugunsten des Sitzkantons verzichten, so würde das ihm zur ausschliesslichen Erfassung vorbehaltene Steuerobjekt gewissermassen ausgehöhlt, ja entzogen. Das ist, auch wenn dabei ein anderer Grundsatz des Doppelbesteuerungsrechts zurückzutreten hat, zu vermeiden, hat doch der Liegenschaftskanton schon durch den verhältnismässigen Schulden- und Schuldzinsenabzug sowie durch den Steuersatz (Urteil vom 6. Juli 1960 i.S. "Winterthur" c. Schaffhausen; ASA 30 S. 239 ff.) auf die Verhältnisse des Gesamtunternehmens Rücksicht zu nehmen.
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Die durch das Urteil i.S. Hirsehof AG begründete und durch dasjenige i.S. Solvo AG bestätigte Rechtsprechung besteht nun seit 10 Jahren, wird von den Kantonen offenbar allgemein befolgt und ist nach dem Gesagten sachlich begründet. Eine solche Rechtsprechung aufzugeben käme höchstens dann in Frage, wenn sie für die Steuerpflichtigen unbillige, stossende Folgen hätte. Das wird jedoch durch den vorliegenden Sachverhalt nicht dargetan. Die Beschwereführerin hat ihrem Verwaltungsratspräsidenten und Geschäftsführer Oberholzer für eine "Handelstätigkeit", die nicht nur im Jahre 1962, sondern schon in den Vorjahren zu keinem einzigen Geschäftsabschluss führte, an Gehalt, Reisespesen usw. Beträge ausgerichtet, die ungefähr der Differenz zwischen den von ihr eingenommenen Mietzinsen und den von ihr bezahlten Hypothekarzinsen entsprachen. Selbst wenn man diese Leistungen nicht, wie es die st. gallische Steuerverwaltung und im Ergebnis auch das Kantonsgericht tun, zur Hauptsache als verdeckte Gewinnausschüttungen betrachtet, erfordert die Billigkeit nicht, dass die der Steuerhoheit des Liegenschaftskantons unterstehenden Liegenschaftserträgnisse um diese Leistungen gekürzt werden. Wenn die Beschwerdefüherin aus irgendwelchen Gründen ihrem Verwaltungsratspräsidenten und Geschäftsführer für eine offenbar seit Jahren erfolglose "Handelstätigkeit" derartige Entschädigungen ausrichten will, erscheint es vielmehr als durchaus billig, dass ihr verwehrt wird, hieraus etwas zu ihren Gunsten abzuleiten für die Besteuerung im Liegenschaftskanton, der mit dieser "Handelstätigkeit" nichts zu tun hat.
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