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36. Urteil vom 13. Juli 1966 i.S. Burgy gegen PTT, Gemeinderat Zufikon und Regierungsrat des Kantons Aargau. | |
Regeste |
Eigentumsgarantie; Art. 4 BV, rechtliches Gehör. |
2. Das Bundesgericht prüft die Rüge, die kantonale Instanz habe statt des massgebenden kantonalen Rechts Bundesrecht angewandt, dann frei, wenn ausserdem geltend gemacht wurde, es sei durch die unrichtige Grenzziehung in verfassungsmässige Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen worden (Erw. 3). |
3. Die PTT unterstehen für ihre Bauten dem Grundsatze nach sowohl in materieller als auch in formeller Hinsicht dem kantonalen und dem kommunalen Baupolizeirecht (Erw. 5 und 6). |
4. Verweigerung des rechtlichen Gehörs dadurch, dass die kantonale Instanz dem Einsprecher, der im Baubewilligungsverfahren der Gemeinde obgesiegt hat, keine Gelegenheit gibt, sich zu den Vorbringen der Gegenpartei zu äussern (Erw. 8). | |
Sachverhalt | |
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B.- Mit Beschwerde stellte die Generaldirektion PTT (im folgenden PTT genannt) beim Regierungsrat des Kantons Aargau die Begehren, den Beschluss des Gemeinderats von Zufikon aufzuheben, eventuell festzustellen, dass der Neubau der Telefonzentrale der kommunalen Bauordnung nicht unterliege und die PTT daher keine Baubewilligung einzuholen hätten. Nachdem der Regierungsrat beim Gemeinderat von Zufikon, nicht aber bei den Einsprechern im kommunalen Verfahren, eine Vernehmlassung eingeholt hatte, hiess er durch Beschluss vom 10. September 1965 die Beschwerde gut und stellte fest, dass die PTT weder den kantonalen noch den kommunalen Bauvorschriften unterstünden und deshalb keine Baubewilligung benötigten. Immerhin sollten die PTT, soweit sich dies betrieblich verantworten lasse (i nsbesondere bezüglich der Abwasserbeseitigung und der Freihaltung des Strassenraums), den Begehren der kantonalen und gemeindlichen Baupolizeibehörden entsprechen. Es sei den PTT auch zu empfehlen, sich ![]() | 2 |
Nach der Darstellung des Beschwerdeführers erfuhr einer der fünf im kommunalen Verfahren aufgetretenen Einsprecher am 21. März 1966 zufällig vom erwähnten Regierungsratsbeschluss. Mit Schreiben vom 24. März 1966 stellte daraufhin der Gemeinderat von Zufikon sämtlichen Einsprechern eine Kopie des regierungsrätlichen Entscheides zu.
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C.- Mit der am 20. April 1966 eingereichten staatsrechtlichen Beschwerde beantragt M. Burgy, den Beschluss des Regierungsrats vom 10. September 1965 aufzuheben. Der Beschwerdeführer rügt Verletzungen des Art. 4 BV und der Eigentumsgarantie. Er macht zur Begründung im wesentlichen geltend, die kantonalen und kommunalen Bauvorschriften seien nicht nur im öffentlichen Interesse erlassen worden, sondern dienten auch dem Schutz der privaten Interessen der Nachbarn. Das bewilligte Bauvorhaben beeinträchtigte ihn, den Beschwerdeführer, in der Überbauungsmöglichkeit seiner eigenen Liegenschaft und entwerte diese zudem weitgehend. Er sei deshalb zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert. Der Regierungsrat habe willkürlich angenommen, dass die PTT für den Bau der geplanten Telefonzentrale in Zufikon dem kantonalen und kommunalen Baurecht nicht unterstellt seien. Das Bundesrecht enthalte keine Bestimmung, die eine derartige Exemption vorsehe. Aus Art. 12 des PTT-Organisationsgesetzes müsse vielmehr das Gegenteil gefolgert werden. Aber auch mit Art. 36 BV könne der Beschluss des Regierungsrates nicht begründet werden. Der Regierungsrat habe sodann eine formelle Rechtsverweigerung begangen, weil er dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit gegeben habe, sich zu den neuen Vorbringen der PTT (wonach die kantonale und kommunale Bauordnung im vorliegenden Falle nicht anwendbar sei) zu äussern.
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D.- Der Regierungsrat des Kantons Aargau und die Generaldirektion PTT beantragen Abweisung der Beschwerde.
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Der Gemeinderat von Zufikon hält in seiner Zuschrift an die kantonale Baudirektion daran fest, dass der Bau der Telefonzentrale gegen die Gemeindebauordnung verstosse.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Ist der Beschwerdeführer zu den erhobenen Rügen legitimiert und der Entscheid des Regierungsrates tatsächlich verfassungswidrig, ![]() | 7 |
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Die neueste Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 91 I 409 ff.) bejaht die Beschwerdebefugnis des Nachbarn, wenn es um die Anwendung von Bauvorschriften geht, die "neben dem Gemeininteresse auch den besondern Bedürfnissen der Nachbarn zu dienen bestimmt sind". Die vom Regierungsrat angeblich zu Unrecht nicht angewendeten §§ 34, 35 und 37 der Bauordnung von Zufikon stehen in einem Abschnitt VI "Nachbarrecht und weitere Bestimmungen, b) im Verhältnis zum Privateigentum", wodurch klar zum Ausdruck kommt, dass die umstrittenen Normen nachbarliche Beziehungen sowohl im Interesse der Öffentlichkeit als auch im Interesse der Nachbarn ordnen. Der Beschwerdeführer kann deshalb die verfassungswidrige Verletzung der genannten Vorschri ften mit der staatsrechtlichen Beschwerde geltend machen.
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Wird die Anwendung kantonalen Rechts in Missachtung von Bundesrecht als willkürlich gerügt, so gilt als in dieser Rüge mitenthalten diejenige der Verletzung des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts. Das Bundesgericht prüft ![]() | 11 |
Voraussetzung für das Eintreten ist aber immer die Geltendmachung einer Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts. Die angeblich fälschliche Anwendung von Bundesrecht statt kantonalem Recht bildet an sich keinen selbständigen Beschwerdegrund. Die gegenteilige Auffassung, die in einzelnen älteren Urteilen vertreten wurde (BGE 29 I 180,BGE 48 I 232,BGE 55 I 104), kann jedenfalls seit dem Inkrafttreten des revidierten Art. 68 OG nicht mehr aufrechterhalten werden (BIRCHMEIER, Komm. zu Art. 68 OG, N. 6 e aa, FLEINER-GIACOMETTI, Bundesstaatsrecht S. 98 N. 31, MAX IMBODEN, Bundesrecht bricht kantonales Recht, Diss. Zürich 1940, 161 f.).
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4. a) Was den in der Beschwerde angerufenen Art. 12 Abs. 1 des PTT-Organisationsgesetzes anbetrifft, so ist er nicht geeignet, den Standpunkt der kantonalen Instanz zu entkräften. Mit dieser Bestimmung wollte nämlich der Gesetzgeber nicht die Frage der Anwendung kantonalen Rechtes auf die Bauten der PTT entscheiden. Es ging den eidgenössischen Räten, welche den genannten Artikel in den Entwurf einführten, vielmehr darum, die Kompetenz zwischen den PTT-Betrieben und der Eidg. Direktion der öffentlichen Bauten im Sinne einer ![]() | 13 |
b) Begründet ist hingegen der Einwand des Beschwerdeführers, dass sich aus dem Telefonregal (Art. 36 BV) keine generelle Befreiung der PTT-Bauten von den Bestimmungen des kantonalen und kommunalen Baurechts ableiten lasse.
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Zwar erklärt Art. 36 BV das Post- und Telegrafenwesen (und damit auch das Telefonwesen) zur Bundessache. Demgegenüber sind aber auch Kanton und Gemeinde mit dem Erlass von Baupolizeivorschriften im Rahmen ihrer vom Bund übertragenen oder überlassenen Zuständigkeit geblieben. Auszugehen ist deshalb davon, dass das Recht des Bundes, der Kantone und der Gemeinden dort, wo diese Verbände verschiedenartige Materien zu ordnen haben, eine Einheit zu bilden hat. Schon daraus folgt die grundsätzliche Bindung des Bundes an die von den unteren Verbänden im Rahmen ihrer Zuständigkeit aufgestellten Rechtssätze. Indessen gilt dieser Grundsatz, wie das Bundesgericht wiederholt erkannt hat, nur soweit, als durch die Anwendung des kantonalen und kommunalen Rechtes die Erfüllung der verfassungsmässigen Aufgaben des Bundes nicht verunmöglicht oder erheblich erschwert wird (BGE 91 I 423, nicht veröffentlichtes Urteil vom 23. Dezember 1952 i.S. Eidg. c. Kanton Luzern,BGE 65 I 103). Liegt eine erhebliche Erschwerung im genannten Sinne vor, so hat das kantonale Recht nur dann zurückzutreten, wenn der Bund das höhere und damit schutzwürdigere Interesse vertritt (BGE 91 I 423 /4).
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Aus dem Gesagten ergibt sich für den zu beurteilenden Fall, dass das kantonale und das kommunale Baupolizeirecht nur insoweit zu weichen haben, als diese Bestimmungen die PTT in der Erfüllung ihrer Aufgabe, eine Telefonzentrale in der erforderlichen Grösse zu erstellen, hindern. Der Regierungsrat hat nun aber diese Frage im angefochtenen Entscheid nicht ![]() | 17 |
Jede Ausnahme vom Grundsatz der Gesetzmässigkeit, welcher die gesamte staatliche Verwaltung beherrscht, muss auf eine geschriebene oder ungeschriebene Rechtsnorm gestützt werden können. Die PTT sehen diese Norm in Art. 36 BV. Kann aber, wie oben ausgeführt, mit dem Post-, Telegrafen- und Telefonregal die Exemption der PTT vom kantonalen und kommunalen Baupolizeirecht nicht begründet werden, so kann aus Art. 36 BV auch nicht abgeleitet werden, dass die PTT keiner Baubewilligung bedürfen; denn das materielle und das formelle Baupolizeirecht sind als Einheit zu betrachten. Zudem schützt das Baupolizeirecht oft auch die Interessen Privater. Hätten nun die PTT abschliessend über die Einsprachen Privater zu entscheiden, so wären sie gleichzeitig Bauherr und richtende Verwaltungsbehörde. Ein derart mangelhafter Rechtsschutz des Bürgers kann dem Art. 36 BV nicht entnommen werden. Solange deshalb der Gesetzgeber keine der Regelung in der Militärorganisation oder im Eisenbahngesetz entsprechende Bestimmung aufstellt, muss angenommen werden, dass für die Bauten der PTT das Bedürfnis nach einer Ausschaltung der kantonalen Entscheidungsbefugnis nicht im selben Masse besteht wie für Anlagen der Landesverteidigung und der Eisenbahn.
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Übrigens sind die PTT, obschon dem kantonalen Baubewilligungsverfahren ![]() | 19 |
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Der Regierungsrat hat den für den Beschwerdeführer günstig lautenden Baueinspracheentscheid des Gemeinderates von Zufikon aufgehoben, ohne dem Beschwerdeführer und seinerzeitigen Einsprecher Gelegenheit zu geben, sich zu den neuen ![]() | 22 |
Vor Erlass des neuen Entscheides ist dem Beschwerdeführer somit Gelegenheit zu geben, sich zur Beschwerdeschrift der PTT an den Regierungsrat zu äussern.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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