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63. Urteil vom 23. November 1966 i.S. Hauser gegen Stadt Zürich und Kanton Thurgau. | |
Regeste |
Staatsrechtliche Beschwerde wegen Doppelbesteuerung; Beginn der Beschwerdefrist (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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"Die Beamten, ständigen Angestellten und ständigen Arbeiter, deren Dienstkreis nicht ausserhalb des Stadtgebietes liegt, sind verpflichtet, in der Stadt zu wohnen.
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Der Stadtrat ist berechtigt, Ausnahmen zu bewilligen."
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Nach den vom Stadtrat am 30. März 1951 in Anlehnung an eine frühere Regelung erlassenen "Grundsätzen für den Wohnsitz des Personals und der Lehrerschaft" wurde die Bewilligung zum Wohnen ausserhalb des Stadtgebiets von der Entrichtung einer Abgabe von 2% der Besoldung abhängig gemacht. Diese Bedingung wurde im Hinblick auf die Wohnungsnot und den Personalmangel wiederholt gelockert, so im ![]() | 4 |
B.- Der Beschwerdeführer Karl Hauser ist verheiratet und bewohnt mit seiner Familie ein eigenes Einfamilienhaus in Frauenfeld. Er ist von Beruf Gewerbelehrer und war bis Ende April 1964 an einer Schule in Frauenfeld tätig. Dann wurde er als Hauptlehrer an die Gewerbeschule der Stadt Zürich gewählt. Er erhielt die Bewilligung, weiterhin in Frauenfeld zu wohnen, und reist an jedem Schultag mit der Bahn nach Zürich.
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Am 30. März 1965 teilte ihm das Personalamt der Stadt Zürich mit, als ausserhalb des Kantons Zürich wohnender Funktionär habe er nach den geltenden Bestimmungen vom zweiten Dienstjahr an eine "Abgabe an die Kosten des Gemeinwesens" zu entrichten, die 2% seiner Besoldung betrage und von dieser monatlich abgezogen werde. Demgemäss wurden ihm in den Monaten Mai bis Dezember 1965 monatlich Fr. 52.40 oder insgesamt Fr. 419.20 von der Besoldung abgezogen.
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Inzwischen hatte er dem Gemeindesteueramt Frauenfeld am 27. Februar 1965 auf Grund des Einkommens der Jahre 1963/64 die Steuererklärung für 1965/66 eingereicht. Am 21. April 1966 erhielt er die Veranlagung für 1965 mit der Steuerrechnung. Er bezahlte diese Rechnung am 22. April 1966 unter Abzug der ihm im Jahre 1965 in Zürich von der Besoldung ![]() | 7 |
Darauf wandte sich der Beschwerdeführer am 18. Juli 1966 an den Stadtrat Zürich mit dem Begehren, ihm gegenüber auf den Besoldungsabzug zu verzichten und allenfalls den Beschluss vom 17. Dezember 1965 aufzuheben. Der Finanzvorstand der Stadt Zürich wies dieses Gesuch durch Verfügung vom 16. August 1966 ab. In der Begründung wird auf die der Stadt und dem Kanton Zürich bei auswärtigem Wohnsitz der Beamten entgehenden Steuern hingewiesen sowie auf die gewaltigen Aufgaben, welche diese beiden Gemeinwesen auf dem Gebiet des Verkehrs sowie auf kulturellem Gebiet zu lösen hätten und von denen auch die angrenzenden Gebiete Nutzen zögen, ohne dass sie zur Finanzierung herangezogen werden könnten.
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C.- Mit der am 16. September 1966 eingereichten staatsrechtlichen Beschwerde stellt Karl Hauser den Antrag, es sei der Entscheid des Finanzvorstands der Stadt Zürich vom 16. August 1966 sowie der ihm zugrunde liegende Beschluss des Stadtrates vom 17. Dezember 1965 aufzuheben und die Stadt Zürich zu verhalten, dem Beschwerdeführer alle seit 1. Mai 1965 zurückbehaltenen I-ohnbeträge zurückzuerstatten; eventuell sei die thurgauische Veranlagung für 1965 dahin abzuändern, dass ihr lediglich das Nettoeinkommen von Zürich zugrunde zu legen sei. Zur Begründung wird geltend gemacht: Als unselbständig Erwerbender habe der Beschwerdeführer sein Steuerdomizil am zivilrechtlichen Wohnsitz, d.h. in Frauenfeld. Die Abgabe von 2% seines Lohns, die zur Deckung des städtischen Finanzbedarfs erhoben werde, stelle eine Steuer dar und verstosse daher gegen das Verbot der Doppelbesteuerung. Ferner sei sie verfassungswidrig, weil sie einer gesetzlichen Grundlage ermangle und gegen die Rechtsgleichheit verstosse.
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D.- Der Regierungsrat des Kantons Thurgau beantragt, auf die Beschwerde sei wegen Verspätung nicht einzutreten.
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E.- Der Stadtrat von Zürich beantragt Nichteintreten auf die Beschwerde, soweit sie auf Aufhebung des Stadtratbeschlusses vom 17. Dezember 1965 gehe, und Abweisung, soweit sie sich gegen den Entscheid des Finanzvorstands vom ![]() | 11 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Der Beschwerdeführer beklagt sich in erster Linie über Verletzung des Verbots der interkantonalen Doppelbesteuerung. Insoweit ist die Beschwerde sowohl gegenüber der thurgauischen Veranlagungsverfügung vom 21. April 1966 als auch gegenüber der Verfügung des Finanzvorstands der Stadt Zürich vom 16. August 1966 zulässig. Da die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges bei Doppelbesteuerungsbeschwerden nicht erforderlich ist (Art. 86 Abs. 2 OG), kommt nichts darauf an, ob und welche kantonalen Rechtsmittel gegenüber jenen Verfügungen hätten ergriffen werden können. Die Beschwerdefrist von 30 Tagen, die bei Doppelbesteuerungsbeschwerden ![]() | 13 |
3 - Das Doppelbesteuerungsverbot gilt nach feststehender Rechtsprechung nur für eigentliche Steuern, und zwar vor allem für die Steuern auf dem Vermögen und Einkommen, die Personalsteuer und die Erbschaftssteuer sowie für die diese Hauptsteuern ergänzenden oder ersetzenden Abgaben, während für die übrigen Steuern von Fall zu Fall zu prüfen ist, ob Art. 46 Abs. 2 BV nach seinem Sinn und Geist auf sie anzuwenden ist (BGE 90 I 80 Erw. 3 und 4 und dort angeführte frühere Urteile).
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Der Stadtrat von Zürich ist der Auffassung, bei der Abgabe von 2% des Lohnes, die von den ausserhalb des Kantons Zürich wohnenden städtischen Beamten zu entrichten ist, handle es sich nicht um eine Steuer, sondern um eine Kausalabgabe. Darunter versteht die Rechtslehre eine Abgabe, die im Gegensatz zur voraussetzungslos geschuldeten Steuer den Entstehungsgrund in einer besondern persönlichen Beziehung des Pflichtigen zum Gemeinwesen hat (BLUMENSTEIN, Schweiz. Steuerrecht S. 4 ff. und System des Steuerrechts S. 2 ff.; IM HOF, Beitrag, Gebühr, Steuer und ihre Unterscheidung, ZBl 1951 S. 393 ff). Zu den Kausalabgaben gehören neben den hier ausser Betracht fallenden Gebühren und Vorzugslasten auch die Ersatzabgaben, die zu entrichten sind, weil der Abgabepflichtige ![]() | 15 |
Die im Beamtenrecht allgemein übliche Residenzpflicht (vgl. RICHNER, Umfang und Grenzen der Freiheitsrechte der Beamten, Diss. Zürich 1954 S. 271 ff.) hat vor allem dienstliche, bei kantonalen und kommunalen Beamten überdies steuerliche und allgemein staatsbürgerliche Gründe. Ob das Wohnen am Arbeitsort insoweit, als es dienstlich notwendig und im Hinblick auf die Verbundenheit des Beamten mit dem Gemeinwesen und seiner Bevölkerung erwünscht ist, eine "Leistung" bildet, die durch eine Abgabe ersetzt werden kann, erscheint fraglich. Der Stadtrat von Zürich macht jedenfalls nicht geltend, dass der Stadt in dieser Beziehung aus dem Wohnen des Beschwerdeführers in Frauenfeld ein Nachteil erwachse, der die Erhebung einer Ersatzabgabe rechtfertige. Dagegen stellen die Steuern, die sie beim Wohnsitz des Beamten am Arbeitsort erheben kann, eine öffentlichrechtliche Leistung dar, deren Wegfall durch eine andersartige Abgabe einigermassen ausgeglichen werden kann. Dass die Abgabe von 2% auf der Besoldung der ausserhalb des Kantons wohnenden Beamten wenn nicht ausschliesslich, so doch hauptsächlich im Hinblick auf die der Stadt entgehenden Steuern erhoben wird, kann nicht zweifelhaft sein. Schon im Beschluss des Stadtrates vom 17. Dezember 1965 wird die Beibehaltung der Abgabepflicht für diese Beamten im Gegensatz zu denjenigen, die ausserhalb des Stadtgebietes in einer Gemeinde des Kantons Zürich wohnen, einzig damit begründet, dass Stadt und Kanton aus den Steuern der ersteren keinerlei Nutzen ziehen können. Die Verfügung des Finanzvorstands vom 16. August 1966 beruht auf der gleichen Erwägung, verweist sie doch einerseits auf den Steuerausfall bei Stadt und Gemeinde, anderseits auf die gewaltigen, diesen beiden Gemeinwesen obliegenden Aufgaben. In der Beschwerdeantwort erwähnt der Stadtrat zwar auch die andern Gründe der Residenzpflicht, gibt aber ausdrücklich zu, dass diese ![]() | 16 |
Hat die Abgabe von 2%, welche die Stadt Zürich von den ausserhalb des Kantons wohnenden städtischen Beamten erhebt, aus dem Gesichtspunkt des Art. 46 Abs. 2 BV als eine Steuer auf dem Erwerbseinkommen zu gelten, so ist die Beschwerde gegenüber der Stadt Zürich gutzuheissen. Nach feststehender Rechtsprechung haben die unselbständig Erwerbenden ihr Steuerdomizil für ihr Erwerbseinkommen am zivilrechtlichen Wohnsitz, d.h. am Mittelpunkt ihrer persönlichen und familiären Beziehungen (statt vieler BGE 68 I 139, BGE 77 I 118, BGE 79 I 26). Dieser befindet sich beim Beschwerdeführer, wie unbestritten ist, nicht in Zürich, wo er an einer Schule Unterricht erteilt, sondern in Frauenfeld, wo er mit seiner Familie ein eigenes Haus bewohnt und wohin er jeden Tag nach Beendigung des Unterrichts zurückkehrt. Der Kanton Thurgau war daher ![]() | 17 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Soweit sich die Beschwerde gegen den Beschluss des Stadtrates von Zürich vom 17. Dezember 1965 richtet, wird darauf nicht eingetreten. Im übrigen wird die Beschwerde gegenüber der Stadt Zürich gutgeheissen, der Entscheid des Finanzvorstands der Stadt Zürich vom 16. August 1966 aufgehoben und die Stadt Zürich verpflichtet, dem Beschwerdeführer die seit 1. Mai 1965 vom Lohn abgezogenen Abgaben zurückzuerstatten.
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