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68. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Dezember 1966 i.S. Vereinsdruckerei Bern gegen Regierungsrat des Kantons Bern. | |
Regeste |
Umwandlung einer altrechtlichen Genossenschaft in eine Handelsgesellschaft. | |
Sachverhalt | |
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Der Handelsregisterführer von Bern wies die Anmeldung am 18. Juli 1966 zurück, und die Beschwerde, welche die Vereinsdruckerei Bern gegen diese Verfügung führte, wurde am 26. August 1966 vom Regierungsrat des Kantons Bern abgewiesen, im wesentlichen mit der Begründung, der Bundesrat habe die erwähnte Verordnung am 1. April 1966 zur Schaffung einer klaren Rechtslage formell ausser Kraft gesetzt, nachdem sie vorher irrtümlich über die in Art. 2 der Schluss- und Übergangsbestimmungen zum rev. OR vorgesehene Frist hinaus angewendet worden sei.
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B.- Die Vereinsdruckerei Bern führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie beantragt, den Entscheid des Regierungsrates aufzuheben und das Handelsregisteramt von Bern zu verhalten, die Anmeldung vom 15. Juli 1966 zur Eintragung entgegenzunehmen.
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Der Regierungsrat und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Art. 2 ÜBest schreibt vor, Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Genossenschaften, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes im Handelsregister eingetragen seien, jedoch den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprächen, hätten binnen fünf Jahren ihre Statuten den neuen Bestimmungen anzupassen (Abs. 1), ansonst sie nach Ablauf der Frist durch den Handelsregisterführer von Amtes wegen als aufgelöst zu ![]() | 7 |
Art. 4 ÜBest sodann sieht vor, der Bundesrat könne allgemein oder im einzelnen Fall Vorschriften für die Umwandlung einer Genossenschaft in eine Handelsgesellschaft ohne Liquidation erlassen, wobei die Interessen der Genossenschafter und der Gläubiger angemessen zu berücksichtigen seien. Von dieser Ermächtigung machte der Bundesrat zunächst von Fall zu Fall Gebrauch. Nachher tat er es allgemein, indem er am 29. Dezember 1939 die Verordnung über die Umwandlung von Genossenschaften in Handelsgesellschaften erliess (BS 2 S. 681 ff.) (abgekürzt VUG). Sie sah nur die Möglichkeit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft oder in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung vor und gestattete sie nur den Genossenschaften, die auf Grund ihrer Statuten ein durch Anteilscheine gebildetes Genossenschaftskapital besassen und für deren Verbindlichkeiten ausschliesslich das Genossenschaftsvermögen haftete (Art. 1). Die Verordnung trat am 1. Januar 1940 in Kraft (Art. 10), sagte jedoch über ihre Geltungsdauer nichts. Am 1. April 1966 hob der Bundesrat sie "mit sofortiger Wirkung" auf. Dieser Beschluss wurde am 12. Mai 1966 in der Sammlung der eidgenössischen Gesetze veröffentlicht (AS 1966 S. 674).
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3. Die Bundesversammlung räumte bei der Revision des Genossenschaftsrechtes den altrechtlichen Genossenschaften nicht das Recht ein, sich ohne Liquidation in eine Handelsgesellschaft umzuwandeln. Sie begnügte sich damit, die Befugnis zum Erlass entsprechender Normen an den Bundesrat zu delegieren (Art. 4 ÜBest). Mit den Worten "der Bundesrat kann..." stellte sie es dabei in dessen Ermessen, ob er von dieser Ermächtigung Gebrauch machen, also die Umwandlung ohne Liquidation überhaupt zulassen wolle. Folglich überliess sie es auch dem Ermessen des Bundesrates, diese Möglichkeit allenfalls wieder aufzuheben. Da das Bundesgericht an die von der ![]() | 10 |
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Das Übergangsrecht ist entgegen SIEGWART, Komm. zu Art. 620 ff., allgemeine Einleitung N. 383, nicht in der allgemeinen Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 SchlT zum ZGB zu sehen, wonach Personenverbände, die unter dem bisherigen Recht die Persönlichkeit erlangt haben, diese unter dem neuen Recht selbst dann behalten, wenn sie nach dessen Bestimmungen die Persönlichkeit nicht erlangt hätten. Massgebend ist vielmehr die Sondernorm des Art. 2 ÜBest. Sie gestattete den Fortbestand der Pseudogenossenschaften nur während der ursprünglich auf fünf Jahre bemessenen und dann auf zehn Jahre verlängerten Übergangszeit. Denn aus der Vorschrift, dass die den gesetzlichen Bestimmungen des neuen Rechtes nicht entsprechenden Genossenschaften ihre Statuten binnen dieser Frist dem neuen Recht anzupassen hätten, ansonst der Handelregisterführer sie als aufgelöst zu erklären habe, ergibt sich, dass Genossenschaften, ![]() | 12 |
Aus diesem Sinne des Art. 2 ÜBest ergibt sich, dass die ohne Liquidation erfolgende Umwandlung, die der Bundesrat den Genossenschaften gemäss Art. 4 ÜBest gestatten konnte, nicht beliebig aufgeschoben werden durfte. Sie hatte während der Übergangsfrist zu erfolgen oder jedenfalls binnen drei Monaten nach der Auflösung, die der Handelsregisterführer gemäss Art. 2 Abs. 3 ÜBest beim unbenützten Ablauf dieser Frist zu erklären hatte (Art. 122 Abs. 3 HRegV). Art. 4 ÜBest wurde gerade deshalb und nur deshalb erlassen, um den von Art. 2 Abs. 1 und Abs. 3 ÜBest erfassten Pseudogenossenschaften die Umwandlung in eine Handelsgesellschaft zu erleichtern. Dass Pseudogenossenschaften Anspruch darauf hätten, unbeschränkte Zeit als solche weiterzubestehen und sich in einem beliebigen spätern Zeitpunkt ohne Liquidation umzuwandeln, wurde damit nicht gesagt. Art. 4 ÜBest wollte das Übergangsrecht des Art. 2 nicht abändern, sondern den Bundesrat nur ermächtigen, die Folgen dieser Ordnung durch Zulassung der liquidationslosen Umwandlung ![]() | 13 |
Auch im Schrifttum wurde von Anfang an vorwiegend die Meinung vertreten, Pseudogenossenschaften müssten sich umwandeln (GUHL, Das neue Aktiengesellschafts- und Genossenschaftsrecht der Schweiz S. 96; GUHL, Obligationenrecht, 5. Auflage, S. 632) und der Bundesrat habe die Verordnung über die Umwandlung von Genossenschaften in Handelsgesellschaften nur für die Übergangszeit gemäss Art. 2 ÜBest erlassen können (SCHERER, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in "Sieben Vorträge über das neue OR, veranstaltet von der Basler Handelskammer" S. 123/24; HENGGELER, SAG 1939/40 S. 55-57; GAHLER, SAG 1940/41 S. 74 f.; STAUFFER, Komm. ÜBest Art. 4 N. 2, 39; P. MÜLLER, Die Umwandlung von Genossenschaften in Handelsgesellschaften S. 2; R. BÄRLOCHER, Die Umwandlung einer Genossenschaft in eine Kapitalgesellschaft S. 32 ff.; E. REGLI, Die Umwandlung in Handelsgesellschaften nach der VUG S. 41 f.; A. SENDER, Die Umwandlung von Genossenschaften in Aktiengesellschaften auf Grund der VUG S. 22; A. HÜRLIMANN, Das intertemporale Genossenschaftsrecht S. 57 f.).
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Auch der frühere Vorsteher des eidgenössischen Amtes für das Handelsregister, F. VON STEIGER, gab unter Hinweis auf StenBull, NatR 1934, S. 837 zu, dass der Gesetzgeber den Zwang zur Umwandlung altrechtlicher Genossenschaften, deren Statuten dem neuen Recht nicht angepasst werden konnten, gewünscht habe (SAG 1940/41 S. 67 f.). Er leitete aber aus Art. 7 Abs. 1 SchlT zum ZGB ab, solche Genossenschaften könnten dennoch unbeschränkt fortbestehen (SAG 1939/40 S. 61, Nachtrag zum Aufsatz von Henggeler). Er sprach die Vermutung aus, die Behörden würden keinen Zwang zur Umwandlung ausüben (SAG 1940/41 S. 67).
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Tatsächlich war der Bundesrat nachsichtig. Als er die Frist des Art. 2 Abs. 1 ÜBest nicht mehr durch Vollmachtenbeschlüsse verlängern konnte, ersetzte er am 24. März 1947 Art. 123 HRegV durch die Art. 123-123ter, die das eidgenössische Amt für das Handelsregister ermächtigten, die Verlängerung bis zu drei Jahren von Fall zu Fall aus wichtigen Gründen zu bewilligen.
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Indem der Bundesrat das am 1. April 1966 tat, zog er nur die Konsequenz aus der durch Art. 2 ÜBest geschaffenen Rechtslage. Es kann nicht die Rede davon sein, dass er damit das Ermessen überschritten habe, das ihm Art. 4 ÜBest einräumte. Eher hätte es dem Sinne dieser Norm und des Art. 2 ÜBest widersprochen, auf der weiteren Anwendung der VUG zu beharren.
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Namentlich ist unerheblich, dass Art. 4 ÜBest keine Frist vorsah; denn die zeitliche Beschränkung der Umwandlung ohne Liquidation ergab sich schon aus der Notwendigkeit der Auflösung der Genossenschaft nach Ablauf der Übergangszeit des Art. 2 ÜBest. Dass der Bundesrat die VUG noch jahrelang fortbestehen liess, sie in die Bereinigte Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen 1848-1947 aufnahm und sie anwendete, ![]() | 20 |
Die Beschwerdeführerin geht auch fehl, wenn sie glaubt, der Bundesrat hätte die VUG jedenfalls nicht mit sofortiger Wirkung aufheben dürfen, sondern hätte eine Übergangsordnung erlassen müssen, wonach ihr eine Frist zur Umwandlung in eine Handelsgesellschaft anzusetzen gewesen wäre. Frist zur Umwandlung hatte sie während der Übergangszeit des Art. 2 ÜBest, und dass der Bundesrat eine weitere Frist einzuräumen habe, besonders an Genossenschaften, die jene um nahezu zwanzig Jahre überschreiten würden, lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Daran vermag auch das Vertrauen der Beschwerdeführerin in die weitere Nachsicht des Bundesrates nichts zu ändern. Art. 4 ÜBest verpflichtete den Bundesrat nicht, seine Absicht zum Erlass oder zur Aufhebung von Bestimmungen über die liquidationsfreie Umwandlung von Genossenschaften zum voraus anzukünden. Gewiss mag die Beschwerdeführerin in ihren Erwartungen enttäuscht sein, da das langjährige gesetzwidrige Entgegenkommen des Bundesrates und der Handelsregisterbehörden gegenüber den Pseudogenossenschaften in ihr die Hoffnung erweckte, sie könne weiterhin mit der Möglichkeit liquidationsfreier Umwandlung rechnen. Indem sie sich über Art. 2 ÜBest hinwegsetzte, nahm sie aber in Kauf, eines Tages von dieser Möglichkeit nicht mehr Gebrauch machen zu können. Von einer Verletzung wohlerworbener Rechte der Genossenschaft und der Genossenschafter kann nicht die Rede sein. Die Beschwerdeführerin hat durch die gesetzwidrige Hinausschiebung ihrer Anpassung an die neue Ordnung keine Rechte erworben. Sie übertreibt übrigens, wenn sie den Eindruck zu erwecken versucht, sie habe durch langjährige Vorbereitung der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft Aufwendungen gemacht, die nun unnütz geworden seien. Was sie (seit 1958) unternommen hat, um ihre Aktiven und Passiven auf eine Betriebsaktiengesellschaft einerseits und eine Immobilienaktiengesellschaft anderseits überzuführen, ist nicht unnütz vertan. Die Betriebsaktiengesellschaft bleibt bestehen, und die Gründung ![]() | 21 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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