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74. Urteil vom 12. Dezember 1966 i.S. Regionallager-Genossenschaft Gossau und Mitbeteiligte gegen Kanton St. Gallen. | |
Regeste |
Kantonales Steuerrecht. Grundsatz der Rechtsgleichheit. | |
Sachverhalt | |
1 | |
1. eine Einkommenssteuer und eine ergänzende Vermögenssteuer von den natürlichen Personen,
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2. eine Gewinnsteuer und eine Kapitalsteuer von den Kapitalgesellschaften,
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3. eine Ertragssteuer und eine Kapitalsteuer von den Genossenschaften des Obligationenrechts,
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4. eine Steuer von den Einkünften und vom Vermögen der übrigen juristischen Personen des privaten und öffentlichen Rechts."
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Die natürlichen Personen können die Schuldzinsen von den Einkünften und die Schulden vom Vermögen abziehen (Art. 28 Ziff. 1 und Art. 42). Die Kapitalgesellschaften entrichten die Gewinnsteuer vom Reingewinn und die Kapitalsteuer vom einbezahlten Grund- oder Stammkapital sowie von den offenen und stillen Reserven (Art. 46 und 48). Bei den Genossenschaften wird die Ertragssteuer vom Reinertrag und die Kapitalsteuer vom einbezahlten Genossenschaftskapital sowie von den offenen und stillen Reserven erhoben (Art. 53).
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B.- Mit Botschaft vom 25. Mai 1965 beantragte der Regierungsrat des Kantons St. Gallen dem Grossen Rat verschiedene, ab 1. Januar 1967 anwendbare Abänderungen des StG, darunter die Einführung einer "Minimalsteuer auf Grundstücken" juristischer Personen. Der Grosse Rat erliess dieses Nachtragsgesetz am 9. Februar 1966. Dabei wurde dem Abschnitt über die "Steuern der juristischen Personen" (Art. 45-56) folgende Bestimmung beigefügt:
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"Art. 56 bis: Die juristischen Personen entrichten anstelle der Steuern gemäss Art. 45 bis 56 eine Minimalsteuer von 1 Promille des amtlichen Verkehrswertes ihrer im Kanton St. Gallen gelegenen Grundstücke, wenn diese Steuer jene um mehr als 200 Franken übersteigt.
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Ausgenommen sind Genossenschaften des Obligationenrechts und Vereine, wenn sie Aufgaben im sozialen Wohnungsbau erfüllen."
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Im Zusammenhang damit wurde Art. 1 StG ergänzt durch einen Abs. 2, welcher die Erhebung einer Minimalsteuer anstelle der Steuern gemäss Abs. 1 Ziff. 2-4 vorbehält. Ferner wurden die in Art. 123 Abs. 1 und 160 Abs. 1 StG enthaltenen Bestimmungen über die Gemeindesteuern durch entsprechende, die Minimalsteuer betreffende Zusätze ergänzt.
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C.- Am 25. April 1966 reichten vier Genossenschaften, eine Aktiengesellschaft und ein Verein, alle mit Sitz im Kanton St. Gallen, beim Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde ein mit dem Antrag, die genannten neuen Bestimmungen über die Minimalsteuer auf Grundstücken juristischer Personen seien wegen Verletzung von Art. 4 und 46 Abs. 2 BV aufzuheben. Zur Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht:
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a) Das StG beruhe auf dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der allein den Erfordernissen der Steuergerechtigkeit entspreche. Diesen Grundsatz durchbreche die Minimalsteuer dadurch, dass bei den von ihr betroffenen juristischen Personen überhaupt nicht auf die Leistungsfähigkeit abgestellt werde, sondern unbekümmert um ihr Eigenkapital und ihre Schulden ausschliesslich auf den Verkehrswert ihrer Grundstücke, sowie dadurch, dass die Minimalsteuer die Steuer nicht nur auf dem Eigenkapital, sondern vor allem auch auf dem Ertrag und den Nettoeinkünften ersetze. Die damit eingeführte Sonderbehandlung eines bestimmten Kreises juristischer Personen lasse sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen und verstosse daher gegen Art. 4 BV. Dazu komme, dass die Minimalsteuer in krassester Weise in die Freiheit des Steuerpflichtigen eingreife, durch wirtschaftliche Tätigkeit einen Gewinn zu erzielen oder das zu unterlassen. Die in Art. 828 OR umschriebene Zweckbestimmung der Genossenschaft schliesse ein Gewinnstreben derselben aus, und Art. 15 lit. b st. gall. KV verpflichte den Staat zur Förderung des Genossenschaftswesens. Mit dieser eidgenössischen und kantonalen Regelung sei es unvereinbar, Genossenschaften, die gemäss ihrer Zweckbestimmung keinen oder nur einen bescheidenen Gewinn erzielen, einer intensiven Sonderbesteuerung zu unterwerfen.
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b) Die Regelung der Minimalsteuer enthalte "formelle Rechtsungleichheiten" und verstosse auch deshalb gegen Art. 4 BV, weil die Steuer
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- nur von juristischen, nicht auch von natürlichen Personen erhoben werde,
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- nur einen äusserst kleinen Kreis von Pflichtigen treffe,
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Das Bundesgericht habe denn auch in BGE 40 I 56 ff. eine genau gleiche Minimalsteuer des Kantons Glarus als gegen die Rechtsgleichheit verstossend erklärt.
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c) Der Regierungsrat habe bei der parlamentarischen Behandlung erklären lassen, die Minimalsteuer diene dazu, juristische Personen mit Sitz in einem andern Kanton für ihren Grundbesitz im Kanton St. Gallen zu einer kräftigen Besteuerung heranzuziehen. Dies vermöge aber die Sonderbehandlung einer kleinen Zahl juristischer Personen vor Art. 4 BV nicht zu rechtfertigen. Dazu komme, dass in den meisten Fällen der Erhebung der Minimalsteuer auf dem Grundeigentum von juristischen Personen mit Sitz in einem andern Kanton eine Verletzung des Doppelbesteuerungsverbotes (Art. 46 Abs. 2 BV) liegen würde...
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D.- Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen beantragt im Namen des Kantons und des Grossen Rates die Abweisung der Beschwerde.
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E.- In Replik und Duplik halten die Parteien an ihren Anträgen und deren Begründung fest.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1./2. - (Prozessuales; die Beschwerdeführer sind zur Berufung auf Art. 4 BV, nicht aber auf Art. 46 Abs. 2 BV legitimiert).
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3. Art. 4 BV bindet nicht nur den Richter und die Verwaltung, sondern auch den Gesetzgeber. Ausser den Schranken, die sich aus dem Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung, aus dem übrigen Verfassungs- und aus dem Bundesrecht ergeben, hat deshalb der kantonale Steuergesetzgeber das Gleichheitsprinzip nach Art. 4 BV und das sich daraus ergebende Willkürverbot zu beachten. Gegen diese verfassungsmässigen Grundsätze verstösst ein Steuergesetz, wie ein allgemein verbindlicher Erlass überhaupt, wenn es sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt, sinn- und zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist (BGE 91 I 84 Erw. 2 und dort angeführte frühere Urteile). Innerhalb dieses Rahmens steht ![]() | 23 |
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5. Wie alle neuern Gesetze über die direkten Steuern beruht auch das st. gallische StG auf dem Gedanken der Besteuerung der natürlichen und juristischen Personen nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Beschwerdeführer wenden ein, mit der streitigen Minimalsteuer werde dieser ![]() | 25 |
Bei den natürlichen Personen gelten Reineinkommen und Reinvermögen als Masstab der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und bilden daher die Objekte der direkten Hauptsteuern. Bei den juristischen Personen wird im allgemeinen auf den Reingewinn (Reinertrag) und auf das Kapital und die Reserven abgestellt. Nun gibt es aber juristische Personen, die aus bestimmten Gründen nur einen ganz kleinen Gewinn erzielen oder auf die Erzielung eines solchen überhaupt verzichten und ein im Verhältnis zu ihren Aktiven sehr geringes Eigenkapital aufweisen. Diese Körperschaften sind zumeist als Genossenschaften organisiert, häufig aber auch als Aktiengesellschaften, so vor allem Immobiliengesellschaften, dann z.B. Partnerwerke der Elektrizitätswirtschaft (vgl. BGE 82 I 288 ff.). Eine vom Eidg. Finanz- und Zolldepartement auf Grund einer Motion Piller eingesetzte Expertenkommission hat die damit zusammenhängenden Fragen eingehend geprüft und ihre Auffassung in dem 1955 erschienenen Bericht "Zum Problem der gleichmässigen Besteuerung der Erwerbsunternehmen" dargelegt. Sie kam dabei zum Ergebnis, dass bei den nicht gewinnstrebigen Genossenschaften und Aktiengesellschaften weder der ausgewiesene Reinertrag noch das Eigenkapital die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hinreichend zum Ausdruck bringe und eine Steuerordnung, die ausschliesslich auf diese Faktoren abstelle, zu einer Privilegierung dieser Körperschaften führe (S. 52, 88/89). Die Ausführungen, mit denen dies näher begründet wird, sind überzeugend. Für ihre Richtigkeit sprechen auch die in der Botschaft des st. gallischen Regierungsrates (S. 25) und anderswo (vgl. z.B. KUTTLER, Die Bodenverteuerung als Rechtsproblem, ZSR 1964 II S. 279 Anm. 50) genannten Beispiele aus der Praxis. Im Hinblick hierauf kann dem Bestreben des Gesetzgebers, diese Privilegierung der nicht gewinnstrebigen Unternehmungen durch Anwendung eines andern Kriteriums zur Bestimmung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu beseitigen, ein ernsthafter sachlicher Grund nicht abgesprochen werden. Zu prüfen bleibt, ob das vom st. gallischen Gesetzgeber gewählte Kriterium rechtliche Unterscheidungen ![]() | 26 |
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a) Darin, dass diese Minimalsteuer nur von den juristischen, nicht auch von den natürlichen Personen erhoben wird, liegt keine unzulässige rechtsungleiche Behandlung. Einmal werden die juristischen Personen in der Schweiz allgemein nach andern Grundsätzen als die natürlichen besteuert. Sodann treffen die Gründe, die den Gesetzgeber zur Einführung der Minimalsteuer bewogen haben, sozusagen ausschliesslich bei juristischen Personen zu. Nur bei ihnen kommt es praktisch vor, dass sie über erhebliche Vermögenswerte verfügen und eine umfang- und erfolgreiche wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, dabei aber kein oder nur ein ganz geringes steuerbares Vermögen und Einkommen aufweisen. Es ist daher aus dem Gesichtspunkt des Art. 4 BV nicht zu beanstanden, dass die Minimalsteuer, mit der in solchen Fällen die Besteuerung gemäss der tatsächlichen Leistungsfähigkeit erreicht werden soll, nur juristische Personen trifft (vgl. IMBODEN a.a.O. S. 195/6).
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b) Innerhalb eines auf dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aufgebauten Steuergesetzes ![]() | 29 |
aa) Dass der Grundbesitz, den die Minimalsteuern der Kantone St. Gallen und Basel-Stadt zum Gegenstand haben, bei den als Aktiengesellschaften oder Genossenschaften organisierten Immobiliengesellschaften ein solches Kriterium ist, lässt sich im Ernste nicht bezweifeln. Wenn eine Immobiliengesellschaft trotz umfangreichem Liegenschaftsbesitz kein oder wenig steuerbares Kapital aufweist, so ist das meist darauf zurückzuführen, dass sie den Erwerb der Liegenschaften fast ausschliesslich mit Fremdkapital finanzieren konnte. Und wenn sie trotz normaler Ertragsfähigkeit ihrer Liegenschaften keinen oder nur einen geringen Gewinn erzielt, so hat dies seinen Grund ausser in der eben genannten Art der Finanzierung regelmässig darin, dass sie als Aktiengesellschaft zugunsten der sie beherrschenden Personen und als Genossenschaft zugunsten ihrer Mitglieder absichtlich keinen (höheren) Gewinn erzielt. Wenn bei solchen juristischen Personen trotz fehlendem steuerbaren Gewinn und Kapital eine gewisse, die Besteuerung rechtfertigende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angenommen und der Masstab für diese im Verkehrswert ihrer Liegenschaften erblickt wird, so leuchtet dies durchaus ein, da die ungewöhnliche Art der Finanzierung für das Vorliegen einer im Reingewinn und Eigenkapital nicht hinreichend zum Ausdruck kommenden Leistungsfähigkeit spricht und ein geeigneterer Masstab als der Wert der Liegenschaften kaum zu finden ist. Richtig ist freilich, dass bei solchen juristischen Personen eine angemessene Besteuerung sich unter Umständen auch dadurch erreichen lässt, dass man einen Teil des Fremdkapitals als verdecktes Eigenkapital behandelt (vgl. BGE 90 I 156 und 221) oder Leistungen an Dritte nicht als geschäftsmässig begründete Unkosten gelten lässt (vgl. BGE 91 I 398 /9). Allein dieser Weg führt, wie das Urteil des st. gallischen Kantonsgerichts vom 16. November 1961 (Steuer Revue 17/1962 S. 483) zeigt, nicht immer zum Ziel, weshalb es dem Gesetzbeger nicht verwehrt werden kann, die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Immobiliengesellschaften mit einer auf dem Wert ihrer Liegenschaften berechneten Minimalsteuer zu erfassen (vgl. auch IMBODEN a.a.O. S. 199/200).
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c) In BGE 40 I 65 Erw. 2 hat das Bundesgericht entschieden, dass eine Minimalsteuer, welche von den ordentlicherweise nur für ihre eigenen Gelder (Kapital und Reserven) besteuerten Aktiengesellschaften und Genossenschaften auf dem vollen Wert ihres Grundeigentums ohne Schuldenabzug erhoben wurde, jedes sachlich zureichenden Grundes entbehre und vor Art. 4 BV nicht bestehen könne. Von diesem Urteil ist das Bundesgericht indes schon in BGE 86 I 215 Erw. 2 abgerückt. Es hat dort eine von den juristischen Personen neben der Ertragssteuer zu entrichtende Steuer auf der "Substanz" als mit Art. 4 BV vereinbar erklärt, welche neben dem (einbezahlten und nicht einbezahlten) Kapital und den Reserven auch den diese Faktoren übersteigenden Wert des Grundeigentums (ohne Schuldenabzug) ![]() ![]() | 32 |
d) Wie der Regierungsrat hervorhebt und die Beschwerdeführer nicht bestreiten, verfolgt der st. gallische Gesetzgeber mit der streitigen Minimalsteuer keine gewerbepolitischen Zwecke und beabsichtigt nicht, damit die Beschwerdeführer im wirtschaftlichen Wettbewerb zum Vorteil anderer Wettbewerbsteilnehmer zu schwächen. Insbesondere hat die Minimalsteuer, da sie nicht progressiv ausgestaltet ist, nicht zur Folge, Genossenschaften und Aktiengesellschaften mit grossem Liegenschaftsbesitz gegenüber kleinen Körperschaften zu benachteiligen. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer geht es auch nicht darum, diese dafür zu bestrafen, dass sie nicht gewinnstrebig sind, so wenig wie es bei der (progressiven) Besteuerung der gewinnstrebigen Unternehmen darum geht, sie dafür zu bestrafen, dass sie einen (mehr oder weniger hohen) Gewinn erzielen. Im einen wie im andern Fall handelt es sich vielmehr darum, die Steuersubjekte im Verhältnis zu ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben heranzuziehen. Die Beschwerdeführer werden durch die Minimalsteuer auch nicht etwa gezwungen, im Widerspruch zu ihrem Wesen als Genossenschaften Gewinne zu erzielen. Sie haben inskünftig lediglich mit höheren Unkosten zu rechnen. Dass die Minimalsteuer (die zur Zeit mit Einschluss der Zuschläge für Staat und Gemeinden 2,9‰ des Verkehrswertes der Liegenschaften ausmacht) die Beschwerdeführer in der Erfüllung ihres statutarischen Zweckes ernstlich behindere oder gar ihre Aussichten im wirtschaftlichen Wettbewerb verschlechtere, behaupten sie nicht und versuchen es noch weniger darzutun. Die Beschwerdeführer 1, 2 und 3 erklären, sie müssten die jährlich Fr. 13'650.-- bzw. 22'500.-- bzw. 23'400.-- betragende Minimalsteuer den ihnen angeschlossenen Konsumgenossenschaften belasten, welche sie ihrerseits in Form erhöhter Preise auf die Konsumenten überwälzen müssten. Über ![]() | 33 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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