BGE 93 I 215 | |||
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27. Auszug aus dem Urteil vom 13. Juni 1967 i.S. Phyteia AG und Edwin Hänseler & Co gegen Regierungsrat des Kantons Appenzell A. Rh. | |
Regeste |
Herstellung von Heilmitteln. Interkantonale Vereinbarung betreffend die Kontrolle der Heilmittel. Handels- und Gewerbefreiheit. |
Wenn Weckamine und weckaminhaltige Arzneistoffe in den Apotheken verkauft werden dürfen und nur der verschärften Rezeptpflicht unterstellt sind, so verstösst ein allgemeines Verbot, solche Stoffe im Kanton herzustellen, gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und damit gegen Art. 31 BV; die Volksgesundheit ist hinreichend geschützt, wenn die Herstellung von einer Bewilligung abgängig gemacht, dem Hersteller die Führung einer genauen Produktions-, Lager- und Versandkontrolle vorgeschrieben und ihm nur der Verkauf an diplomierte Ärzte und Apotheker gestattet wird (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
A.- Am 25. April 1965 erliess die Landsgemeinde des Kantons Appenzell A. Rh. ein Gesetz über das Gesundheitswesen (GG). Die in Art. 1 vorgesehene Heilmittelkommission bestimmt die Arzneimittel, die der einfachen oder verschärften Rezeptpflicht unterstehen; hiebei "sind die Empfehlungen der Internationalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) wegleitend" (Art. 20 Abs. 2). Gegen die Verfügungen der Heilmittelkommission kann an den Regierungsrat rekurriert werden, der endgültig entscheidet (Art. 27).
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B.- Am 25. August 1966 fasste die Heilmittelkommission folgenden Beschluss:
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"1. Die Herstellung oder Einfuhr von Weckaminen und weckaminähnlichen Arzneistoffen aller Art und in jeder Form, ihre Vermittlung und Abgabe, ist im ganzen Gebiet des Kantons Appenzell A. Rh. grundsätzlich untersagt.
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2. Die direkte Abgabe durch Frei-Heiltätige in Praxisräumlichkeiten oder der Versand ins In- und Ausland fallen ebenfalls unter diese Bestimmung.
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3. Allfällige, auf dringende ärztliche Verordnung benötigte Arzneistoffe dieser Gattung dürfen nur vermittelst Rezept eines eidg. dipl. Arztes und einmalig durch eine öffentliche Apotheke bezogen werden."
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Gegen diesen Beschluss rekurrierten zwei Firmen an den Regierungsrat, nämlich
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a) die Phyteia AG Herisau, die zwei weckaminhaltige Präparate (Panactin und Adiposan) herstellt, und
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b) die Edwin Hänseler & Co Herisau, die sich mit der Herstellung von und dem Handel mit biologisch-pharmazeutischen Produkten befasst und zur Zeit noch keine weckaminhaltigen Erzeugnisse herstellt, es aber zu tun beabsichtigt.
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Der Regierungsrat wies die Rekurse am 22. Dezember 1966 ab.
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C.- Gegen diesen Entscheid führen die Firmen Phyteia AG und Edwin Hänseler & Co gemeinsam staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Verletzung der Art. 4 und 31 BV aufzuheben und demgemäss die Beschwerdeführerinnen zu ermächtigen, auch inskünftig von der IKS geprüfte und zugelassene Weckamine, weckaminhaltige und weckaminähnliche Präparate zu fabrizieren und im Kt. Appenzell A. Rh. an eidg. dipl. Ärzte und Apotheker und ausserkantonal gemäss den am Empfangsort gültigen gesundheitspolizeilichen Vorschriften zu verkaufen. Sie erheben u.a. folgende Rügen:
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a) Die Annahme des Regierungsrates, die Heilmittelkommission sei befugt, von der IKS geprüfte und zugelassene Heilmittel zu verbieten, verstosse ganz eindeutig gegen Art. 22 und 23 GG und sei willkürlich (wird näher ausgeführt). Art. 20 Abs. 2 GG, auf den sich der Regierungsrat stütze, regle nur die Abgabe von Heilmitteln an Verbraucher, treffe also nicht zu auf die Beschwerdeführerinnen, die nicht direkt an die Verbraucher liefern.
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b) Aus Art. 17 der interkantonalen Vereinbarung vom 16. Juni 1954 betreffend die Kontrolle der Heilmittel ergebe sich, dass die Kantone Heilmittel, die von der IKS geprüft worden seien, nicht verbieten können.
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c) Der Missbrauch von Weckaminen könne schädlich wirken. Das treffe aber noch für eine Unzahl anderer Heilmittel zu, die in Spitälern und von Ärzten regelmässig verordnet werden. Gleich wie bei diesen andern Heilmitteln sei die Unterstellung unter Rezeptpflicht der richtige Behelf zum Vermeiden von Missbräuchen. Das allgemeine Verbot verletze das Prinzip der Verhältnismässigkeit. Eine wirksame Kontrolle sei möglich; sie funktioniere bei weit gefährlicheren Präparaten auch. Beide Beschwerdeführerinnen seien bereit, eine genaue Fabrikations-, Lager- und Versandkontrolle zu führen.
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D.- Der Regierungsrat des Kantons Appenzell A. Rh. beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Auf seine Ausführungen wird in den nachstehenden Erwägungen eingegangen.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Rüge ist unbegründet. Die IVS ist ein Konkordat im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. b OG, dessen Auslegung das Bundesgericht frei überprüfen kann (vgl. BGE 90 I 47). Dieses Konkordat, dem alle Kantone beigetreten sind, nimmt ihnen die Freiheit, von der IKS geprüfte Heilmittel zu verbieten, nicht weg. Die IKS "untersucht, begutachtet und registriert" die ihr eingereichten Heilmittel, teilt den Kantonen den "Befund" mit und "beantragt die zu bewilligende Verkaufsart oder die Abweisung des Heilmittels" (Art. 13 IVS). Die Kantone sind gehalten, das Inverkehrbringen von Heilmitteln, die dem Konkordat nicht entsprechen, zu verhindern und ihre kantonalen Erlasse an das Konkordat und die Vollzugsbestimmungen anzupassen (Art. 17 IVS). Dagegen sieht das Konkordat nirgends, auch nicht in Art. 17, vor, dass die Kantone die von der IKS empfohlenen Heilmittel im Kantonsgebiet zuzulassen hätten. Sie sind vielmehr, wie das Bundesgericht bereits im nicht veröffentlichten Urteil vom 18. November 1964 i.S. Engler (Erw. 1) festgestellt hat, befugt, auch Heilmittel, die von der IKS günstig beurteilt worden sind, zu verbieten.
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5. Die Beschwerdeführerinnen machen weiter geltend, der angefochtene Entscheid verstosse ganz eindeutig gegen Art. 22 und 23 GG und sei willkürlich. Art. 22 Abs. 1 GG verbietet das Inverkehrbringen von Heilmitteln, bevor sie von der IKS geprüft sind. Daraus folgt nicht, dass die kantonalen Behörden das Inverkehrbringen aller von der IKS günstig beurteilten Heilmittel zulassen müssten. Dürfen sie aber das Inverkehrbringen verbieten, dann ist es kaum willkürlich, auch die Fabrikation zu verbieten. Art. 23 GG sieht für die nicht von der IKS zu prüfenden Heilmittel ein besonderes Melde- und Prüfungsverfahren vor (Abs. 1) und ermächtigt die Heilmittelkommission, solche Heilmittel zu verbieten, sofern "deren Anwendung Schäden befürchten lässt" (Abs. 2). Der Wortlaut des Art. 23 bezieht sich allerdings auf Fabrikate, die einzeln geprüft werden, doch dürfte sich auch ein generelles Verbot ganzer Kategorien ohne Willkür auf die Vorschrift stützen lassen. Der weiterhin angerufene Art. 20 GG führt zu keinem andern Schluss. Er ordnet die Rezeptpflicht für die Abgabe an die Verbraucher und bestimmt, dass die Empfehlungen der IKS dabei "wegleitend" seien, was wiederum darauf hinweist, dass die Heilmittelkommission an die Befunde der IKS nicht gebunden ist. Die Frage, ob der angefochtene Beschluss kantonales Recht verletzt, kann indes offen bleiben, da die Beschwerde aus andern Gründen gutgeheissen werden muss.
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Der vom Regierungsrat bestätigte Beschluss der Heilmittelkommission bezweckt den Schutz der Volksgesundheit. Da die Weckamine, wie die Beschwerdeführerinnen nicht bestreiten, suchtgefährlich sind und ihr Missbrauch zu gesundheitlichen Schäden führen kann, sind Massnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs mit Art. 31 BV grundsätzlich vereinbar. Als geeignet hiefür erscheint, wie bei andern suchtgefährlichen und im Falle des Missbrauchs schädlichen Medikamenten, vor allem die Unterstellung unter die Rezeptpflicht. Der Regierungsrat ist indes mit der Heilmittelkommission der Auffassung, dass dies allein nicht genüge und nur ein grundsätzliches Verbot den Missbrauch von Weckaminen genügend verhindern könne; wenn nämlich, so führt er im angefochtenen Entscheid aus, solche Mittel "trotz des nachgewiesenermassen geringen Bedarfs in grossen Mengen in den Kanton eingeführt oder hier hergestellt, verarbeitet oder vertrieben werden können, so ist die Gefahr ausserordentlich gross, dass sie auf illegalem Wege in die Hände Unbefugter geraten." Damit lässt sich jedoch ein allgemeines Verbot der Herstellung von Weckaminen im Kantonsgebiet nicht rechtfertigen.
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Weckamine sind Heilmittel, welche die IKS geprüft und für welche sie, wie der Regierungsrat in der Beschwerdeantwort ausführt, nur die einfache Rezeptpflicht empfohlen hat. Die Heilmittelkommission hat sie durch Ziff. 3 des Beschlusses vom 25. August 1966 der verschärften Rezeptpflicht unterstellt, was bedeutet, dass sie nur auf Rezept eines eidg. dipl. Arztes hin und nur in einer Apotheke bezogen werden können und der Apotheker das Rezept zurückzubehalten hat (§ 13 der VO vom 6. Dezember 1965 über den Verkehr mit Heilmitteln). Zum Zwecke dieser Abgabe ist, wie der Regierungsrat in der Beschwerdeantwort ausführt, die nach Ziff. 1 des genannten Beschlusses verbotene Einfuhr von Weckaminen ausnahmsweise gestattet, wogegen die Herstellung im Kantonsgebiet selber verboten sein soll. Ein solches Verbot ist jedoch zum Schutze der Volksgesundheit nicht erforderlich. Wichtig für diese ist, dass sich die Apotheker an die in Ziff. 1 des Beschlusses vorgeschriebene Rezeptpflicht halten. Tun sie es, so ist es belanglos, wo die Weckamine fabriziert werden; tun sie es dagegen nicht, dann wird der Missbrauch auch durch das Fabrikationsverbot nicht ausgeschlossen. Im einen wie im andern Falle liegt die Verantwortung zunächst beim Arzt und beim Apotheker. Kommen diese ihrer Pflicht nach, so ist die Gefahr, welche die Heilmittelkommission und der Regierungsrat bannen wollen, behoben. Diese Gefahr besteht nicht nur bei Weckaminen, sondern noch bei sehr zahlreichen andern Arzneimitteln. Genügt die Rezeptpflicht bei diesen, so muss sie auch bei den Weckaminen genügen. Voraussetzung hiefür ist allerdings, dass dem Fabrikanten nur die Belieferung von diplomierten Ärzten und Apothekern gestattet wird und er sich dieser Vorschrift unterzieht. Allein auch in dieser Hinsicht verhält es sich mit den Weckaminen gleich wie bei andern giftigen oder stark wirkenden Arzneien. Umstände, die zum Unterschied von diesen ein grundsätzliches Fabrikationsverbot rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Namentlich macht der Regierungsrat nicht etwa geltend, dass die Fabrikanten im Kanton Appenzell A. Rh. allgemein weniger vertrauenswürdig seien als anderswo und daher befürchtet werden müsse, die der verschärften Rezeptpflicht unterstellten Präparate würden im Schwarzhandel unter dem Publikum verbreitet.
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Das grundsätzliche Fabrikationsverbot geht somit weiter, als der Schutz der Volksgesundheit erheischt. Wird die Herstellung, wie es Art. 14 GG und § 24 der VO für (rezeptpflichtige) Arzneimittel vorsehen, von einer Bewilligung abhängig gemacht und wird dem Hersteller die Führung einer genauen Produktions-, Lager- und Versandkontrolle vorgeschrieben und der Verkauf nur an diplomierte Ärzte und Apotheker gestattet, dann ist, wenn die Abgabe an Verbraucher nur auf Rezept hin erlaubt ist, derselbe Schutz des Publikums erreicht, der bei allen andern ebenso gefährlichen oder noch gefährlicheren Arzneien genügt. Den Behörden wird damit keine andere Kontrolle überbunden als jene, die für die Produzenten und die Apotheker bezüglich aller übrigen gefährlichen Medikamente ohnehin besteht: beim Produzenten die Überwachung der Fabrikations-, Lager- und Versandlisten, beim Apotheker die Überwachung der Giftschränke.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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