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58. Auszug aus dem Urteil vom 27. Oktober 1967 i.S. De Gasperi und Mitbeteiligte gegen Eidg. Oberzolldirektion. | |
Regeste |
Ordnungsverletzung, Busse (Art. 104 ff. ZG). |
2. Ordnungsverletzung bei der Ausfuhr von Waren im schweizerischitalienischen Zwischenauslandsverkehr (Erw. 3). |
3. Der Täter kann auch dann gebüsst werden, wenn ihn kein Verschulden trifft (Erw. 4). |
4. Ist die Schuldlosigkeit oder die Schwere des Verschuldens bei der Bemessung der Ordnungsbusse zu berücksichtigen? (Erw. 5). |
5. Gefährdung der schweizerischen Zollinteressen. Bemessung der Busse nach dem Grad dieser Gefährdung. Überschreitung des der Verwaltung eingeräumten Ermessens? (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
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Am 17. April 1967 fiel dem diensttuenden schweizerischen Zollbeamten in Castasegna auf, dass sich nach Abzug des im Triptyk angegebenen Gewichts des vorgeführten Fahrzeugs von dem von ihm gewogenen Gewicht des beladenen Camions ein bedeutend grösseres Gewicht der Ladung als das deklarierte ergab. Darauf liess die Zollkreisdirektion IV den Kühlraum wieder plombieren und den Auslad in Zürich überwachen. Dabei wurde ein Nettogewicht der beförderten Ware von 5360 kg festgestellt, während es mit 2810 kg deklariert worden war. Als der Chauffeur De Gasperi am 19. April 1967 auf der Rückfahrt in Chur einvernommen wurde, erklärte er, er habe die vom Angestellten Rudin ausgefüllten Deklarationen jeweils unterzeichnet, ohne ihnen Beachtung zu schenken; es sei möglich, dass schon bei früheren Fahrten die Gewichte und Werte zu tief eingesetzt worden seien. Die weitere Untersuchung ergab, dass tatsächlich bei 32 Fahrten durch italienisches Gebiet das Gewicht und der Wert der Ware zu niedrig deklariert worden waren. Der Angestellte Rudin sagte in seiner Einvernahme vom 23. Mai 1967 aus, weil es sich um Transitsendungen handelte, habe er geglaubt, es sei unwichtig, ob die angegebenen Nettogewichte und Werte der Wirklichkeit entsprächen; im Einverständnis seines Vorgesetzten habe er sie eher zu niedrig eingesetzt. Der Grund hiefür sei gewesen, dass die der italienischen Zollverwaltung zu leistende Sicherheit nach dem Wert der Ware bemessen werde; wäre dieser richtig angegeben worden, so wäre die ganze von der Firma geleistete Sicherheit für eine einzige Wagenladung beansprucht worden, während manchmal eine Sendung 2-3 Wagenladungen umfasst habe.
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B.- Die Eidg. Oberzolldirektion erblickte in der unrichtigen Deklaration bei der Ausfuhr eine Ordnungsverletzung im Sinne des Art. 104 ZG. Soweit die Verjährungsfrist von einem Jahr gemäss Art. 105 Abs. 2 ZG noch nicht abgelaufen war, auferlegte ![]() | 3 |
Guido De Gasperi 14 Bussen Fr. 1400.-- und Fr. 42.- Kosten
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Alfonso Ruess 3 " " 300.-- " " 18.- "
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Emilio Tanner 2 " " 200.-- " " 18.- "
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Erminio Beroggi 1 Busse " 100.-- " " 18.- "
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Für Bussen und Kosten erklärte sie die Firma Unternährer solidarisch haftbar.
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C.- Die Firma Unternährer erhebt für sich und im Namen der gebüssten Chauffeure Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Bussverfügungen mit dem Begehren, es sei von Bussen Umgang zu nehmen.
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Es wird geltend gemacht, Art. 6 ZG sei nicht verletzt worden; denn die Waren seien immer der zuständigen Zollstelle zugeführt, unter Zollkontrolle gestellt und zur Abfertigung angemeldet worden. Die Camions seien mit wenigen Ausnahmen beim Verlassen der Schweiz und beim Wiedereintritt gewogen worden, ohne dass sich je eine Differenz ergeben habe. Die ungenauen Gewichtsangaben in den Deklarationen hätten auf Schätzungen beruht und seien nie beanstandet worden. Das effektive Gewicht sei ja von den Zollstellen jeweils festgestellt und im Formular eingesetzt worden. Die Beschwerdeführerin habe nur diesen Angaben Bedeutung beigemessen, zumal es sich um reine Transitsendungen gehandelt habe, die nach Art. 35 VVZ von Zoll- und Monopolgebühren befreit seien. Die Feststellung der Identität sei durch die Plombierung gesichert worden, und tatsächlich seien Gewicht und Wert bei jedem Transport gleich geblieben. In keinem Fall liege ein Zollvergehen oder eine Umgehung von Zollgebühren vor. Auch eine Gefährdung von Zollinteressen sei ausgeschlossen, so dass nach Art. 105 ZG von Ordnungsbussen abzusehen sei.
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D. - Die Oberzolldirektion beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht folgt diesem Antrag.
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Aus den Erwägungen: | |
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Dagegen ist dem Beschwerdeführer Beroggi nur eine einzige Busse von Fr. 100.-- auferlegt worden, so dass an sich dagegen nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, sondern die Beschwerde an das Eidg. Finanz- und Zolldepartement gegeben wäre, auf die denn auch in der Rechtsmittelbelehrung verwiesen wird. Da indessen das Bundesgericht die konnexen, genau gleiche Tatbestände betreffenden Beschwerden der Chauffeure De Gasperi, Ruess und Tanner zu beurteilen hat und sich auch mit dem Falle Beroggi wegen der solidarischen Haftbarkeit der Firma ohnehin befassen muss, drängt sich eine Zusammenlegung aller Beschwerden zu gemeinsamer Beurteilung durch das Bundesgericht geradezu auf - nicht nur aus Gründen der Prozessökonomie, sondern vor allem auch, weil es stossend wäre, wenn eine Beschwerde anders als die übrigen beurteilt würde. Es verhält sich hier ähnlich wie im Falle Tuor (BGE 92 I 427 ff.), wo die Oberzolldirektion zwar demselben Betroffenen und wegen gleicher Tatbestände, aber in zwei verschiedenen Verfügungen eine Ordnungsbusse von Fr. 100.-- und eine von Fr. 1000.-- (wegen Widerhandlungen gegen die Tabaksteuerverordnung vom 30. Dezember 1947) auferlegt hatte. Damals ![]() | 15 |
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Doch schreibt Art. 35 Abs. 3 VVZ für den Zwischenauslandsverkehr vor, dass die Waren beim Grenzübertritt in der Regel der Zwischenabfertigung zu unterstellen sind - sei es mit Freipass, sei es im Vormerkverfahren oder auch in dem für den Verkehr zwischen der Schweiz und Italien durch das Protokoll vom 2. Juli 1953 geschaffenen besonderen Verfahren. Auch für die Zwischenabfertigung gilt Art. 6 ZG, wonach alle eingeführten und ausgeführten Waren zur Abfertigung angemeldet werden müssen. Dass die Zollmeldepflicht insbesondere für die Zwischenabfertigung auch beim Austritt besteht, wird bestätigt durch Art. 35 Abs. 4 VVZ, der die zollamtliche Anmeldung beim Austrittszollamt ausdrücklich erwähnt und die Folgen ihrer Unterlassung ordnet. Inhalt und Umfang der Zollmeldepflicht im erwähnten besonderen Verfahren ergeben sich aus dem dafür aufgestellten Formular D. IV. 69, das u.a. die Angabe des Nettogewichtes und des Wertes der Ware verlangt.
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Indessen nimmt die Verwaltung in ständiger Praxis an, dass die Ordnungsverletzung im Sinne des Zollgesetzes auch dann strafbar ist, wenn dem Täter ein Verschulden - Vorsatz oder auch nur Fahrlässigkeit - nicht zur Last gelegt werden kann. Das Bundesgericht hat schon bisher die gleiche Auffassung vertreten (Urteil vom 3. April 1963 i.S. Locher, nicht publiziert). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.
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Das Zollgesetz unterscheidet in seinem 3. Abschnitt deutlich zwischen den Zollvergehen (Unterabschnitt I, Art. 73-103) und den Ordnungsverletzungen (Unterabschnitt II, Art. 104-108); insbesondere regelt es die Frage, ob der Täter auch dann bestraft werden könne, wenn ihm ein Verschulden nicht vorgeworfen werden kann, für die beiden Kategorien verschieden. Die Tatbestände der Zollhehlerei und der Zollpfandunterschlagung (Art. 78, 79) sind so gefasst, dass ihre Begehung sich stets als eine schuldhafte darstellt. Die Zollübertretung und der Bannbruch (Art. 74, 76) sind zwar grundsätzlich auch dann strafbar, wenn ein Verschulden nicht nachgewiesen ist; doch wird nach Art. 75 Abs. 3 und Art. 77 Abs. 4 der Angeschuldigte "von der Strafe befreit, wenn er nachweist, dass ihn kein Verschulden trifft und namentlich dass er alle Sorgfalt angewendet hat, um die Vorschriften zu befolgen" (E. BLUMENSTEIN, Grundzüge des schweizerischen Zollrechts, S. 62/3). Dagegen spielt für die Strafbarkeit der Ordnungsverletzung (Art. 104) das Verschulden ![]() | 21 |
Wohl gilt im gewöhnlichen Strafrecht ausnahmslos der Grundsatz, dass der Täter nur bestraft werden kann, wenn ihm ein Verschulden vorzuwerfen ist; er ist in Art. 18 (und Art. 102) StGB anerkannt, ferner in Art. 333 Abs. 3 daselbst, wonach die in anderen Bundesgesetzen unter Strafe gestellten Übertretungen strafbar sind, auch wenn sie fahrlässig begangen werden, sofern nicht nach dem Sinne der Vorschrift nur die vorsätzliche Begehung mit Strafe bedroht ist. Doch sind, wie ausgeführt, die allgemeinen Bestimmungen und Begriffe des StGB auf die Ordnungsverletzungen im Sinne des Zollgesetzes nicht anwendbar. Insbesondere betrifft Art. 333 StGB nur solche Widerhandlungen -mit Einschluss der Übertretungen -, welche im Hinblick aufihre moralische Verwerflichkeit mit einer eigentlichen Strafe bedroht sind, dagegen nicht auch blosse Ordnungsverletzungen, die nur mit einer Ordnungsbusse geahndet werden können (BGE 82 I 307).
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Das ZOIlgesetz regelt auch die Zuständigkeit zur Beurteilung der Widerhandlungen verschieden für die Zollvergehen einerseits ![]() | 23 |
Das Argument, mit dem die Beschwerdeführer offenbar ein Verschulden oder zum mindesten einen Vorsatz bestreiten wollen, schliesst somit die Ordnungsbussen nicht aus.
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In der Tat wurde vom schweizerischen Zolldienst lediglich - und zudem nur bei einem Teil der Transporte - gemäss dem Vordruck auf dem Formular D. IV. 69 das Gesamtgewicht (peso complessivo) von Fahrzeug und Ladung gewogen; es kann keine Rede davon sein, dass die Angaben der Warenführer über Nettogewicht und Wert der Ware kontrolliert ![]() | 26 |
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Dass kein Zoll umgangen wurde, ist unbestritten; das schliesst indessen, wie erwähnt, eine Ordnungsverletzung nicht aus. Die teilweise Umgehung der Sicherheit für den Zwischenauslandsverkehr richtet sich freilich nicht gegen die schweizerische, sondern gegen die italienische Zollverwaltung, der die Sicherheit ![]() | 28 |
Allerdings kann nach Art. 105 Abs. 1 Satz 3 ZG in leichten Fällen, bei denen eine Gefährdung des Zollinteresses ausgeschlossen erscheint, von einer Ordnungsbusse Umgang genommen werden. Die Anwendung dieser Bestimmung ist indessen - in dem dort gezogenen Rahmen - dem Ermessen der Verwaltung anheimgestellt. Das Bundesgericht kann nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der Verwaltung setzen; es kann nur prüfen, ob die Verwaltung die ihrem Ermessen gesetzten Grenzen überschritten und damit das Bundesrecht verletzt habe (Art. 104 Abs. 1 OG; BGE 81 I 384 unten). Unter diesem Gesichtspunkte kann jedoch die Annahme der Oberzolldirektion, dass hier das Zollinteresse durch die begangenen Ordnungsverletzungen ernstlich gefährdet worden sei und daher eine Bestrafung sich rechtfertige, angesichts der festgestellten Tatsachen nicht beanstandet werden.
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Wird die Verhängung einer Ordnungsbusse als gerechtfertigt ![]() | 30 |
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