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68. Auszug aus dem Urteil vom 18. Oktober 1967 i.S. Gugger gegen Einwohnergemeinde Wettingen und Obergericht des Kantons Aargau. | |
Regeste |
Kantonales Enteignungsrecht. Art. 4 BV und Eigentumsgarantie. |
Anwendung der Methode auf die Enteignung für die Anlage einer Strasse. Wenn der Überbauungsplan, der die Strasse erstmals vorsah, gleichzeitig mit einem Zonenplan erlassen wurde, durch den das betreffende Gebiet in eine Zone mit höherer Ausnützung versetzt wurde, ist es willkürlich, bei der Ermittlung der Enteignungsentschädigung den Wert des Gesamtgrundstücks vor der Umzonung dem Wert des Restgrundstücks nach der Umzonung gegenüberzustellen (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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A.- Am 4. Dezember 1959 fasste die Einwohnergemeindeversammlung von Wettingen gestützt auf §§ 103 ff. aarg. EG/ZGB zwei rechtlich selbständige, jedoch sachlich in einem gewissen Zusammenhang stehende Beschlüsse. Sie erliess
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a) einen neuen Überbauungsplan, der die künftigen Hauptverkehrsstrassen festlegt und u.a. vorsieht, dass die aus dem Zentrum des Baugebietes nach Osten bis zur Jurastrasse führende Zentralstrasse über die Jurastrasse hinaus verlängert und als Direktverbindung nach Baden ausgebaut werden soll.
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b) eine neue Zonenordnung mit Zonenplan, durch welchen das Baugebiet der Gemeinde in 8 Zonen mit verschiedener Bauweise eingeteilt wird und in welchem auch das Strassennetz gemäss dem neuen Überbauungsplan berücksichtigt ist. Die Bauzonen I-VIII sind im Zonenplan in verschiedenen Farben wiedergegeben, während die Strassenzüge weiss gelassen sind, gleichgültig ob es sich um bestehende oder erst projektierte Strassen handelt und ob sie eine Zone durchqueren oder die Grenze zwischen zwei Zonen bilden.
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Der Überbauungsplan und die Zonenordnung mit Zonenplan wurden vom Grossen Rat des Kantons Aargau am 24. August 1961 genehmigt und traten damit in Kraft.
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Am 17. Dezember 1963 genehmigte die Einwohnergemeindeversammlung das Projekt für den Ausbau der Zentralstrasse und den dafür erforderlichen Kredit.
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B.- Der Beschwerdeführer Paul Gugger ist Eigentümer der 1287 m2 haltenden, etwa 40 m langen und 32 m breiten Parzelle Kat. Nr. 4835, die gegenüber der Einmündung der Zentralstrasse in die Jurastrasse liegt und mit der westlichen Schmalseite an die Jurastrasse grenzt. Im südlichen Teil des Grundstücks steht ein im Jahre 1951 erstelltes Einfamilienhaus mit 7 Zimmern und einem Garageanbau; der nördliche Teil ist als Garten ausgestaltet.
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Nach der alten Zonenordnung lag das Grundstück in der Zone II (offene Wohnzone in der Ebene), wo zweigeschossig mit einer Ausnutzung von 0,45 gebaut werden konnte.
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Die im neuen Überbauungsplan vorgesehene Verlängerung der Zentralstrasse über die Jurastrasse hinaus führt über den nördlichen Teil des Grundstücks des Beschwerdeführers. Demgemäss ![]() | 9 |
Nach dem am 17. Dezember 1963 genehmigten Projekt werden für die Verlängerung und den Ausbau der Zentralstrasse 560 m2 Land des Beschwerdeführers benötigt. Die Gemeinde bot ihm dafür Fr. 50.- pro m2. Der Beschwerdeführer lehnte dieses Angebot als ungenügend ab.
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Am 31. Juli 1964 reichte die Gemeinde beim Obergericht des Kantons Aargau Klage ein mit dem Begehren, die Entschädigung für die abzutretenden 560 m2 sei auf Fr. 50.- pro m2 oder total Fr. 28'000.-- festzulegen. Der Beschwerdeführer verlangte Fr. 180.-- pro m2 sowie eine beträchtliche Entschädigung für den Minderwert der Restliegenschaft und für die Erstellung einer Mauer an der Strassengrenze.
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Das Obergericht führte einen Augenschein durch, liess sich vom Architekten Josef Schmidlin in Aarau ein Gutachten erstatten und setzte hierauf mit Urteil vom 25. März 1966 die von der Gemeinde zu bezahlende Entschädigung auf Fr. 32'000.-- fest. Es ging von den auf 1. Juni 1965 vorgenommenen Bewertungen des Experten aus. Dieser hatte, entsprechend den ihm vom Obergericht gestellten Fragen, den Verkehrswert der Liegenschaft vor der Enteignung unter der Voraussetzung, dass sie als Wohnliegenschaft benützt wurde und in der Zone II lag, auf Fr. 232'000.-- geschätzt; für den Verkehrswert nach der Enteignung war er für den Fall, dass der Zonenwechsel berücksichtigt werde, zu einem Verkehrswert von Fr. 200'000.-- gelangt, während er für den Fall, dass der Zonenwechsel nicht berücksichtigt werde, einen Verkehrswert von Fr. 187'000.-- angenommen hatte. Das Obergericht stellte die erste dieser beiden Schätzungen, d.h. Fr. 200'000.-- dem Verkehrswert vor der Enteignung von Fr. 232'000.-- gegenüber und kam so zu einer Enteignungsentschädigung von Fr. 32'000.--.
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C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt Paul Gugger den Antrag, das Urteil des Obergerichts vom 25. März 1966 sei wegen Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 22 KV) und der Rechtsgleichheit (Art. 4 BV) aufzuheben. - Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt das angefochtene Urteil auf.
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4. Der Beschwerdeführer bezeichnet die vom Obergericht vorgenommene Wertdifferenz-Ermittlung als rechtlich unhaltbar. Sollte sich dieser Vorwurf nicht nur gegen die vom Obergericht angewendeten und in der Beschwerde im Einzelnen kritisierten Faktoren richten, sondern - was nicht ganz klar ![]() | 15 |
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Es ist zwar richtig, dass der Zonenplan die erst geplante Weiterführung der Zentralstrasse bereits berücksichtigte und die Zonengrenzen wohl etwas anders zog, als wenn diese Weiterführung nicht oder anders vorgesehen gewesen wäre. Es ist auch richtig, dass Überbauungsplan und Zonenordnung von der Gemeinde gleichzeitig beschlossen worden sind. Das vermag indes die angefochtene Berechnung nicht zu rechtfertigen. Obwohl der Überbauungsplan zu einem Bauverbot für das künftige Strassenareal führte (§ 106 EG/ZGB), behielt das Land seinen vollen Wert für den Beschwerdeführer sowohl als Garten seiner Villa wie auch hinsichtlich der Berechnung der Ausnutzungsziffer bei einer neuen Überbauung. Erst die Enteignung entzog ihm das Land mit seinen tatsächlichen und rechtlichen Vorteilen. Ob und wann die Strasse gebaut und die Enteignung durchgeführt würde, war bei Erlass und Inkrafttreten der Zonenordnung noch ungewiss. Hier wurde die Ausführung etwas über zwei Jahre nach dem Inkrafttreten beschlossen. Doch dauert das sich aus einem Überbauungsplan ergebende Bauverbot oft viel länger (vgl. BGE 93 I 338 ff., insb. 343). Auch sind spätere Änderungen des Planes und der ![]() | 17 |
Das Land des Beschwerdeführers gehörte - von dem hiernach zu erörternden, im Plan weiss gelassenen Strassenareal abgesehen - vom Inkrafttreten des Zonenplans am 24. August 1961 bis zur Einleitung der Enteignung im Jahre 1964 wie auch an dem vom Experten und vom Obergericht angenommenen Stichtag für die Bewertung (1. Juni 1965) zur Zone V. Bei der Wertdifferenz-Berechnung den Wert des Gesamtgrundstücks auf Grund einer fiktiven, seit drei Jahren nicht mehr geltenden Zoneneinteilung zu bestimmen, die Restparzelle aber auf Grund der neuen Zoneneinteilung entsprechend höher zu bewerten, ist schlechterdings unhaltbar und verletzt die Eigentumsgarantie, nach welcher der Enteignete Anspruch auf volle Entschädigung hat.
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Der Gemeinderat wendet zu Unrecht ein, das enteignete Land könne keinesfalls der Zone V zugeteilt werden, da es im Zonenplan weiss gelassen worden sei, also zu keiner Zone gehöre. Es mag noch angehen, das Areal bestehender öffentlicher Strassen keiner Zone zuzuweisen, obwohl im Falle einer Strassenverlegung und Zuteilung von Strassengebiet an Private ebenfalls ein Bedürfnis nach Klarheit über die Zonenzugehörigkeit besteht. Dagegen können Teile privater Parzellen, die möglicherweise später einmal für eine vorerst nur geplante Strasse beansprucht werden, nicht einfach ausgezont werden, wenn das umgebende Land bestimmten Zonen zugeteilt wird. Wenn das Strassenprojekt geändert oder aufgegeben und dadurch privates Land freigegeben wird, so muss über dessen Zonenzugehörigkeit Klarheit bestehen. Wird das Projekt aber ausgeführt, so ist die Zonenzugehörigkeit für die Bemessung der Enteignungsentschädigung wesentlich. Es geht nicht an, diese Entschädigung dadurch herabsetzen zu wollen, dass inmitten eingezonter Gebiete Teile privater Grundstücke ausgezont werden. Das Obergericht hat denn auch den Hinweis der Gemeinde auf die Auszonung zurückgewiesen und angenommen, das Strassenareal ![]() | 19 |
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