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78. Urteil vom 13. Dezember 1967 i.S. Schweiz. National Versicherungs-Gesellschaft AG gegen Gemeinde Reinach und Steuerrekurskommission des Kantons Basel-Landschaft. | |
Regeste |
Gemeindesteuern. Willkür. | |
Sachverhalt | |
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1 Die Gemeindesteuern können verlegt werden:
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a) auf die Haushaltungen und einzeln stehende Personen, seien letztere Niedergelassene oder Aufenthalter (Haushaltungssteuer, Personalsteuer, Vorausleistung);
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b) auf Gebäude und Grundstücke (Kataster);
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c) auf das Vermögen, soweit es in Fahrhabe (hausrätliche Gegenstände, die zum eigenen häuslichen Gebrauche dienen, ausgenommen) und in Kapitalien besteht;
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d) auf Einkommen und Erwerb.
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2 Statt der Steuer auf die unter b) und c) erwähnten Objekte kann auch eine Steuer vom gesamten Reinvermögen erhoben werden.
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Im Gesetz vom 7. Juli 1952 über die kantonalen Steuern (StG) wurde die Besteuerung der juristischen Personen neu geordnet. Kapitalgesellschaften, wozu in erster Linie die Aktiengesellschaften gehören, entrichten eine Gewinn- und eine Kapitalsteuer (§ 41 StG). Der Kapitalsteuer "unterliegen das einbezahlte Aktien- bzw. Stammkapital, die offenen und die stillen Reserven", wobei die Vermögensbestandteile "nach den für die natürlichen Personen geltenden Bestimmungen (§§ 30-37) bewertet" werden (§ 44 StG in der bis 31. Dezember 1964 geltenden Fassung). Nach § 32 wird der Wert von Grundstücken unter billiger Berücksichtigung des Verkehrs- und des Ertragswertes berechnet und ist die Katasterschätzung (§ 92) massgebend.
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Für die Gemeindesteuer gelten gemäss § 141 bis zum Inkrafttreten eines neuen Gemeindegesetzes u.a. folgende Übergangsbestimmungen:
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2 Die durch den Staat festgesetzte Katasterschätzung der Grundstücke ist auch für die von der Gemeinde erhobenen Steuern massgebend.
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3 Die in § 46 dieses Gesetzes genannten Gesellschaften und juristischen Personen haben an die Gemeinde die gleiche Kapitalsteuer zu entrichten wie an den Staat.
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4 Für die juristischen Personen gilt der gleiche Steuerfuss wie für die natürlichen Personen.
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5 Die in den §§ 13 und 14 dieses Gesetzes bezeichneten Institutionen sind im gleichen Umfange wie bei der Staatssteuer auch von der Gemeindesteuer befreit ...
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6 Die Gemeinden sind berechtigt. die Staatssteuereinschätzung allgemein auch für die Gemeindesteuer als gültig zu erklären.
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Ein neues Gemeindegesetz ist bis anhin nicht erlassen worden.
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B.- Am 14. März 1963 erliess die Gemeinde Reinach ein neues Steuerreglement (GStR). Es sieht die Erhebung einer Einkommens- und einer Vermögenssteuer vor und bestimmt über deren Objekte in
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§ 7. 1 Der Einkommenssteuer unterliegen, sofern dieses Reglement keine abweichenden Bestimmungen enthält:
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1. das steuerbare Einkommen der natürlichen Personen gemäss Staatssteuer-Veranlagung;
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2. der nach kantonalem Steuergesetz steuerbare Reingewinn juristischer Personen, unter Hinzurechnung der dem Berechnungsjahr belasteten direkten Steuern;
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§ 10.1 Der Vermögenssteuer unterliegt, sofern dieses Reglement keine abweichenden Bestimmungen enthält, das gesamte Reinvermögen der natürlichen und der juristischen Personen gemäss Staatssteuer-Veranlagung.
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2 Juristische Personen entrichten die Vermögenssteuer mindestens von dem in der Bilanz ausgewiesenen Grundkapital mit Einschluss der Reserven.
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C.- Die Schweiz. National-Versicherungs-Gesellschaft in Basel, die heutige Beschwerdeführerin, ist Eigentümerin mehrerer Liegenschaften im Kanton Basel-Landschaft. Aufeinem 1959 erworbenen Grundstück in Reinach begann sie im Jahre 1962 einen Wohnblock zu erstellen. Die Katasterschätzung vom 29. Januar 1963, die nur den Grund und Boden umfasste, betrug Fr. 171 700.--, während sich der Buchwert des Landes und des im Bau befindlichen Gebäudes am 1. Januar 1963 auf zusammen Fr. 1 414 000.-- belief.
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In der am 20. April 1963 abgegebenen Gemeindesteuererklärung für 1963 deklarierte die Beschwerdeführerin ein in Reinach steuerbares Vermögen von Fr. 47 179.--, nämlich 0'0903% ihres auf Grund der Steuerwerte berechneten Reinvermögens von Fr. 52 247 343.--, was dem Verhältnis der Katasterschätzung ihrer Liegenschaft in Reinach (Fr. 171 700.--) zum Steuerwert ihrer Gesamtaktiven (Fr. 190 096 194.--) entspricht.
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Die Gemeindeverwaltung Reinach ging indes bei der Einschätzung gestützt auf § 10 GStR von der Staatssteuerveranlagung für 1963 aus, gemäss welcher, der Steuererklärung der Beschwerdeführerin ![]() | 25 |
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Veranlagung Einsprache, wurde aber von der Gemeindesteuerrekurskommission Reinach mit Entscheid vom 24. Februar 1966 abgewiesen.
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Hiegegen führte die Beschwerdeführerin bei der kantonalen Steuerrekurskommission (StRK) Beschwerde mit dem Antrag, ihr in Reinach steuerbares Vermögen auf Fr. 47 179.-- festzusetzen. Zur Begründung machte sie unter Berufung auf BGE 91 I 249 ff. geltend, § 10 Abs. 2 GStR sei gesetzwidrig, da § 141 Abs. 6 StG nur eine vollständige, umfassende, sich auf alle Steuerpflichtigen und alle Steuerobjekte erstreckende Übernahme der Staatssteuereinschätzung gestatte; von einer solchen Übernahme habe die Gemeinde Reinach abgesehen, weshalb sie von der Beschwerdeführerin nicht eine Steuer vom Kapital, sondern nur eine Vermögenssteuer auf Grund der nach § 141 Abs. 2 StG massgebenden Katasterschätzung erheben dürfe.
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Die StRK wies die Beschwerde mit Entscheid vom 10. Mai 1967 ab. In den Erwägungen wird ausgeführt, dass und weshalb eine Gemeinde entgegen BGE 91 I 256 Erw. 5 befugt sei, die Staatssteuereinschätzung für alle natürlichen bzw. für alle juristischen Personen nur für die Veranlagung des Einkommens oder nur für diejenige des Vermögens zu übernehmen. Auf die nähere Begründung dieser Auffassung wird in den nachstehenden Erwägungen zurückgekommen.
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D.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt die Schweiz. National-Versicherungs-Gesellschaft AG den Antrag, der Entscheid der StRK vom 10. Mai 1967 sei aufzuheben. Als Beschwerdegrund wird Verletzung des Art. 4 BV (Willkür) geltend gemacht. Die Begründung besteht aus einer (abgesehen von einigen kleinen Auslassungen) wörtlichen Wiedergabe der in BGE 91 I 253 Erw. 1-5 enthaltenen Ausführungen gefolgt von einer kurzen Auseinandersetzung mit der davon abweichenden Betrachtungsweise der StRK. Auf die nähere Begründung der ![]() | 29 |
E.- Die Steuerrekurskommission des Kantons Basel-Landschaft und die Gemeinde Reinach beantragen die Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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4. Im Kanton Baselland sind die Gemeinden befugt, Gemeindesteuern nach Massgabe des (durch § 141 Abs. 1-5 und 7-10 StG ergänzten) § 138 GG zu erheben, d.h. natürliche und juristische Personen für Einkommen und Erwerb sowie für das ![]() | 34 |
Da die Richtigkeit dieser grundsätzlichen Erwägungen im angefochtenen Entscheid bestritten wird, ist vor allem zu prüfen, ob das System der Gewinn- und Kapitalbesteuerung sich wirklich so sehr von demjenigen der Einkommens- und Vermögensbesteuerung unterscheidet, dass schon deshalb angenommen werden muss, § 141 Abs. 6 StG gestatte den Gemeinden nur die sich auf alle Steuerpflichtigen und alle Steuerobjekte erstreckende Übernahme der Staatssteuereinschätzungen und schliesse jede beschränkte Übernahme und insbesondere eine Vermischung beider Systeme schlechthin aus.
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5. Im Jahre 1881, zur Zeit des Erlasses des GG, wurden die juristischen Personen in der Schweiz allgemein nach den gleichen Grundsätzen wie die natürlichen Personen, d.h. für ihr Einkommen und Vermögen besteuert. Seither sind die meisten Kantone dazu übergegangen, bei den Kapitalgesellschaften statt des Einkommens und Vermögens den Gewinn und das Kapital ![]() | 36 |
a) Das einbezahlte Kapital wird zwar ohne Rücksicht darauf besteuert, ob es durch die Aktiven gedeckt, also wirtschaftlich noch vorhanden ist. Indessen werden neben dem eigentlichen Grundkapital regelmässig auch die (offenen und stillen) Reserven als Kapital besteuert. Da diese Reserven im tatsächlich vorhandenen, über das Grundkapital hinausgehenden Reinvermögen bestehen (BGE 73 I 64, 66; BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 2. Auflage S. 120), hat die Kapitalsteuer immer dann, wenn das Grundkapital durch die Aktiven gedeckt ist, praktisch das gleiche Objekt wie die Vermögenssteuer, nämlich das Reinvermögen, das in der Differenz zwischen Aktiven und Passiven besteht. Ein wesentlicher Unterschied besteht dagegen beim Steuersatz. Dieser ist bei der Vermögenssteuer stets progressiv, während er bei der Kapitalsteuer proportional oder nur schwach progressiv ist (vgl. zum Verhältnis zwischen Vermögens- und Kapitalsteuer auch BOSSHARD, Die Besteuerung der Kapitalgesellschaften, Diss. Zürich 1953 S. 47; RÜTTIMANN, Das steuerpflichtige Kapital der Aktiengesellschaften, Basel 1963 S. 12/13).
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Der steuerbare Gewinn der Kapitalgesellschaften bemisst sich im allgemeinen nach den gleichen Grundsätzen wie das Geschäftseinkommen der natürlichen Personen; insbesondere dürfen die Gewinnungskosten sowie die geschäftsmässig begründeten Abschreibungen und Rückstellungen abgezogen werden (BLUMENSTEIN a.a. O. S. 182). Der Hauptunterschied zwischen Einkommens- und Gewinnsteuer besteht wiederum beim Steuersatz. Dieser ist zwar sowohl bei der Einkommens- als auch bei der Gewinnsteuer regelmässig progressiv. Während sich jedoch die Progression beim Einkommen nach dessen absoluter Höhe richtet, ist beim Gewinn die sog. Ertragsintensität, d.h. das Verhältnis des Ertrags zum Kapital massgebend (BLUMENSTEIN a.a.O. S. 206).
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b) Diese allgemeinen Ausführungen über das Verhältnis der beiden Besteuerungssysteme treffen auch für die Staatssteuer des Kantons Baselland zu. Dass mit der Kapitalsteuer praktisch das Reinvermögen erfasst wird, geht daraus hervor, dass ihr nach § 44 Abs. 1 StG neben dem einbezahlten Grundkapital auch die offenen und stillen Reserven unterliegen, und vor allem daraus, dass Abs. 2 ausdrücklich von "Vermögensbestandteilen" ![]() | 39 |
c) Gerade diese wesentlichen Unterschiede der beiden Besteuerungssysteme können nun aber die Gemeinden, welche nach § 141 Abs. 6 die Staatssteuereinschätzung auch für die Gemeindesteuer als gültig erklären, nicht übernehmen, da § 46 Abs. 1 KV für die Gemeindesteuer die Progression ausschliesst und § 141 Abs. 4 StG überdies vorschreibt, dass für die juristischen Personen der gleiche Steuerfuss gilt wie für die natürlichen Personen. Unter diesen Umständen kann an der dem Urteil BGE 91 I 249 ff. zugrunde liegenden Auffassung, dass schon die Verschiedenheit der Besteuerungssysteme des § 138 GG einerseits und des StG anderseits eine nur teilweise Übernahme der Staatssteuereinschätzungen durch die Gemeinden verbiete, nicht festgehalten werden, hat doch auch die vollständige Übernahme wegen des Wegfalls der Progressionen und wegen der Anwendbarkeit des gleichen Steuerfusses für natürliche und juristische Personen zur Folge, dass die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Besteuerungssystemen fast gänzlich verwischt werden. Als unzutreffend erweist sich vorab die in BGE 91 I 268 angestellte, bei der Wiedergabe des Urteils in der Beschwerdebegründung allerdings weggelassene Erwägung, zur Übernahme der Kapitalsteuer "gehörte auch die Übernahme des verhältnismässig starren Steuersatzes gemäss § 45 StG, der mit dem progressiven Steuersatz bei der Vermögenssteuer nichts gemein hat"; denn bei der Gemeindesteuer wird jede Progression ausgeschlossen durch § 46 Abs. 2 KV, der damals von keiner Seite angerufen und daher vom Bundesgericht nicht beachtet worden war. Sieht man aber von der Progression und deren Ausgestaltung im StG ab, so sind die Unterschiede zwischen den beiden Besteuerungssystemen ![]() | 40 |
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Diese Bestimmung ermächtigt die Gemeinden, die Staatssteuereinschätzung "allgemein" auch für die Gemeindesteuer zu übernehmen. In BGE 91 I 258 /9 hat das Bundesgericht angenommen, dass damit nur eine "vollständige, umfassende, sich auf alle Steuerpflichtigen und alle Steuerobjekte erstreckende Übernahme der Staatssteuereinschätzung" gemeint sein könne und eine andere Auslegung mit dem klaren Wortlaut und Sinn der Bestimmung sich nicht vereinbaren lasse. Soweit diese Annahme auf den Sinn der Bestimmung verweist, beruht sie indessen, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, im wesentlichen auf der Überlegung, dass das Besteuerungsystem des StG ein einheitliches Ganzes bilde, dessen Bestandteile so aufeinander abgestimmt ![]() | 42 |
Dieser Ausdruck war in der entsprechenden Bestimmung von § 54 Abs. 2 des StG vom 20. August 1928 noch nicht enthalten. Er findet sich erstmals in § 141 Abs. 6 des StG vom 7. Juli 1952, ohne dass ersichtlich wäre, welchen Zweck der Gesetzgeber mit dieser Änderung des Wortlauts verfolgt hat. In BGE 91 I 258 wurde angenommen, dass der Ausdruck klar sei und dass mit der "allgemeinen" Übernahme nichts anderes als eine sich auf alle Steuerpflichtigen und alle Steuerobjekte erstreckende Übernahme gemeint sei. Es ist zuzugeben, dass diese Auslegung am nächsten liegt. Dagegen kann sie nicht als die einzig richtige und mögliche bezeichnet werden. Als noch vertretbar und daher nicht willkürlich erscheint vielmehr auch die Auffassung, dass § 141 Abs. 6 StG die Gemeinden zwar ermächtige, die Staatssteuereinschätzung für alle Steuerpflichtigen und alle Steuerobjekte zu übernehmen, dass er sie jedoch zu solch umfassender Übernahme nicht verpflichte, sondern ihnen - nach dem Grundsatz in maiore minus - auch die Befugnis einräume, weniger weit zu gehen und die Staatssteuereinschätzungen nur für bestimmte Kategorien von Steuerpflichtigen und für bestimmte Steuerobjekte zu übernehmen. Auch diese Auslegung hat einen vernünftigen Sinn und lässt sich mit dem Wortlaut vereinbaren.
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Ist aber auch eine bloss teilweise Übernahme der Staatssteuereinschätzung grundsätzlich zulässig, so ist eine solche aus dem Gesichtspunkt des Art. 4 BV nur zu beanstanden, wenn die Kategorie der Steuerpflichtigen, für welche die Gemeinde sie vornimmt, nach unsachlichen Gesichtspunkten bestimmt wird oder wenn die nur teilweise Übernahme sonst als stossend und willkürlich erscheint. So mag es fraglich sein, ob es einer Gemeinde gestattet wäre, die Staatssteuereinschätzung nur für diejenigen (natürlichen oder juristischen) Personen zu übernehmen, die ihren Wohn- oder Geschäftssitz ausserhalb des Kantons oder der Gemeinde haben, während die Einheimischen nach andern, von der Gemeinde gestützt auf § 138 GG erlassenen und für den Steuerpflichtigen günstigeren Grundsätzen eingeschätzt werden. Ebenso fragwürdig wäre eine Ordnung, durch welche die Gemeinde ![]() | 44 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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