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83. Urteil vom 19. Dezember 1967 i.S. X. gegen Schweizerische Eidgenossenschaft. | |
Regeste |
Klage auf Leistungen der Versicherungskasse für das Personal der allgemeinen Bundesverwaltung. |
2. Berechnung der Klagefrist, wenn die Verwaltung den Anspruch des Versicherten zunächst nicht bestritten hat (Erw. 2). |
3. Wird der Versicherte wegen Verfehlungen, die er im Amte begangen hat, in eine Stellung mit niedrigerer Besoldung versetzt, so kann der bisherige versicherte Verdienst mit Zustimmung der Wahlbehördebeibehalten werden. Die Zustimmung kann auch durch konkludentes Verhalten bekundet werden. Wenn sie einmal erteilt worden ist, dürfen der versicherte Verdienst und die Rente nicht mehr herabgesetzt werden (Erw. 3-5). |
4. Verzinsung der rückständigen Rentenbeträge (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
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Am 12. Oktober 1965 wurde der Kläger wegen Betruges und Urkundenfälschung zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe verurteilt. Bis dahin war das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren ausgesetzt worden. Am 11. November 1965 teilte ihm die Kreispostdirektion Basel mit, die Generaldirektion verzichte auf ein "weiteres Vorgehen disziplinarischer Art", weil sich die Abberufung vom Amte eines Posthalters für ihn als Disziplinarstrafe ausgewirkt habe.
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Auf den 1. Januar 1966 wurde der Kläger aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt. Am 14. Januar 1966 gab ihm die Verwaltung der Eidg. Versicherungskasse den Bescheid, er habe Anspruch auf eine Rente von 57% des versicherten Verdienstes von Fr. 13'170.--, was der vom Kläger als Posthalter bezogenen Besoldung entspricht.
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Am 29. April 1966 schrieb die Kreispostdirektion Basel dem Kläger, mit der Rückversetzung im Amte sollte auch der versicherte Verdienst herabgesetzt werden. Zwar könne nach Art. 14 Abs. 4 der Statuten der Versicherungskasse bei Herabsetzung der Besoldung wegen veränderter dienstlicher Beanspruchung der bisherige versicherte Verdienst mit Zustimmung der Wahlbehörde beibehalten werden. Dies sei jedoch "sowohl nach konstanter Praxis der Bundeszentralverwaltung als auch gestützt auf Entscheide des Bundesrates in analogen Fällen" nur dann möglich, wenn kein Selbstverschulden des Versicherten vorliege. Da diese Voraussetzung hier nicht erfüllt sei, werde der versicherte Verdienst nach Weisung der Generaldirektion rückwirkend auf den 1. März 1964 von Fr. 13'170.-- auf Fr. 9'328.-- herabgesetzt. Dementsprechend wurde die Rente gekürzt. Am 13. Mai 1966 übermittelte die Kassenverwaltung dem Kläger die neue Berechnung. Die Beiträge, die er für den wegfallenden Verdienstteil bezahlt hatte, wurden ihm gemäss Art. 17 der Kassenstatuten zurückerstattet.
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In einem Schreiben vom 13. Mai 1966 an die Kreispostdirektion ![]() | 5 |
Am 26. April 1967 unterbreitete der Kläger dem Eidg. Finanz- und Zolldepartement das Begehren, die Rente sei in der ursprünglich festgesetzten Höhe auszurichten. Das Departement lehnte das Begehren am 6. Juli 1967 ab.
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B.- Am 12. Juli 1967 hat X. beim Bundesgericht Klage gegen die Eidg. Versicherungskasse eingereicht, mit dem Antrag, es sei ihm "eine Rente von 57% des versicherten Verdienstes von Fr. 13'170.-- als Posthalter auszurichten und, soweit gekürzt, mit Verzugszins nachzuzahlen".
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Er macht geltend, nach Art. 14 Abs. 4 der Kassenstatuten habe die Wahlbehörde darüber zu entscheiden, ob im Falle der Herabsetzung der Besoldung wegen veränderter dienstlicher Beanspruchung der bisherige versicherte Verdienst beizubehalten oder zu kürzen sei. Hier habe die Wahlbehörde - die Generaldirektion der PTT - seinerzeit verfügt, dass der versicherte Verdienst auf der bisherigen Höhe zu belassen sei. Tatsächlich seien die Versicherungsbeiträge bis zuletzt für diesen Verdienst bezahlt worden, und auf der gleichen Grundlage sei zunächst auch die Rente berechnet worden. Die Verwaltung sei nicht berechtigt gewesen, hinterher den versicherten Verdienst herabzusetzen; ihr Vorgehen verstosse gegen Treu und Glauben.
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C.- Die Schweizerische Eidgenossenschaft beantragt die Abweisung der Klage.
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Sie führt aus, auf den 1. April 1965 seien die Versetzung des Klägers im Dienst und die damit verbundene Herabsetzung des Gehalts endgültig geworden, so dass sich "ex lege" auch der versicherte Verdienst entsprechend verringert habe. Wohl seien die weiteren Versicherungsbeiträge und dann zunächst auch die Rente nach dem früheren versicherten Verdienst bemessen worden, doch beruhe dies auf einem Irrtum. Offenbar hätten die mit der Auszahlung des Gehalts beauftragten Stellen der Kreispostdirektion Basel übersehen, dass am 1. April 1965 die Herabsetzung der Besoldung definitiv geworden war, und daher sei diese Tatsache auch der Versicherungskasse nicht gemeldet worden. Es treffe nicht zu, dass die Wahlbehörde die Beibehaltung ![]() | 10 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Als Beklagte wird in der Klageschrift vom 12. Juli 1967 die Kasse bezeichnet. Diese ist indessen ein unselbständiger Zweig der allgemeinen Bundesverwaltung; sie besitzt nicht eine eigene juristische Persönlichkeit und kann - im Unterschied zu den SBB - nicht selbständig Prozess führen (BGE 66 I 304; vgl. zur Stellung der SBB BGE 91 I 228). Die vorliegende Klage ist daher als gegen die Eidgenossenschaft gerichtet zu betrachten.
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Der hier eingeklagte Anspruch ist - wenn überhaupt - beim Dienstaustritt des Klägers, also am 1. Januar 1966 entstanden.
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Unter diesen Umständen braucht die Frage, ob - wie der Kläger behauptet - als Ausgangspunkt der Frist das Schreiben der Kasse an ihn vom 13. Mai 1966 anerkannt werden dürfte (was zweifelhaft ist), nicht erörtert zu werden.
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Die im November 1963 angeordnete provisorische Versetzung des Klägers nach Basel hatte eine erste Kürzung seiner Besoldung zur Folge; er erhielt zwar zunächst weiterhin die Posthalterbesoldung, doch verminderte sie sich nach Massgabe der nun für ihn geltenden kürzeren Arbeitszeit. Sodann wurde mit der am 10. Februar 1964 verfügten vorläufigen Enthebung des Klägers vom Amte eines Posthalters eine weitere Herabsetzung des Gehalts - auf das Maximum der 22. Besoldungsklasse ![]() | 18 |
Diese Folge ist jedoch nicht in allen Fällen unvermeidlich. In der Tat bestimmt Art. 14 Abs. 4 der Kassenstatuten:
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"Wird der Verdienst wegen veränderter dienstlicher Beanspruchung herabgesetzt, so kann der Versicherte mit Zustimmung der Wahlbehörde zum bisherigen versicherten Verdienst versichert bleiben. Diese Zustimmung ist innert 3 Monaten, vom Zeitpunkt der Herabsetzung an gerechnet, nachzusuchen..."
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Es steht zwar fest, dass der Kläger weder binnen dreier Monate nach der (endgültigen) Herabsetzung des Gehalts noch nachher um Beibehaltung des bisherigen versicherten Verdienstes von Fr. 13'170.-- ersucht hat. Anderseits steht aber auch fest, dass die PTT-Verwaltung sich so verhalten hat, wie wenn ein solches Gesuch gestellt und von der Wahlbehörde gutgeheissen worden wäre: Sie hat seit der endgültigen Abberufung des Klägers vom Amte eines Posthalters weiterhin, bis zu seinem Dienstaustritt Ende 1965, die Beiträge des Bundes an die Versicherungskasse auf Grund eines versicherten Verdienstes von Fr. 13'170.-- geleistet und die Beiträge des Versicherten in gleicher Höhe von dessen Gehalt abgezogen. Damit hat sie bekundet, dass sie den Kläger ungeachtet der Herabsetzung des Gehalts zum bisherigen versicherten Verdienst versichert bleiben lasse.
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Sollte dieser Sachverhalt der Wahlbehörde - der Generaldirektion der PTT - anfänglich entgangen sein, so muss sie davon, wie überhaupt vom ganzen den Kläger betreffenden Dossier, doch spätestens im November 1965, als nach dem Urteil des Strafgerichts das Disziplinarverfahren abzuschliessen war, Kenntnis erhalten haben. Sie hat nie das Gegenteil behauptet. Damals aber hat sie sich auf Antrag der Kreispostdirektion Basel dazu entschlossen, die Abberufung vom Amte eines Posthalters als genügende Sühne für die Verfehlungen des ![]() | 22 |
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Diese Auslegung wird in dem Schreiben vom 29. April 1966 durch den Hinweis auf eine "konstante Praxis der Bundeszentralverwaltung" und auf "Entscheide des Bundesrates in analogen Fällen" gestützt. Wie es sich damit verhalte, kann dahingestellt bleiben. Weder hat das Eidg. Finanz- und Zolldepartement in seinem Schreiben vom 6. Juli 1967 an den Kläger noch hat die Eidg. Finanzverwaltung in der Antwort auf die Klage irgendeinen konkreten, vergleichbaren Fall namhaft gemacht. Anderseits hat auch der Kläger seine Behauptung, die Praxis sei gegenteilig, nicht belegt. Wesentlich ist, ob die Auslegung, welche die Beklagte nun dem Art. 14 Abs. 4 der Kassenstatuten gibt, richtig sei oder nicht.
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Daraus folgt, dass nach dieser Bestimmung der bisherige versicherte Verdienst des Klägers mit Zustimmung der Wahlbehörde beibehalten werden konnte. Der Entscheid darüber war dem Ermessen der Wahlbehörde anheimgegeben. Tatsächlich hat sie der Beibehaltung des bisherigen versicherten Verdienstes zunächst durch konkludentes Verhalten zugestimmt, wie aus dem Schreiben an den Kläger vom 11. November 1965 geschlossen werden muss.
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Die Zustimmung, welche die Generaldirektion durch konkludentes Verhalten zum Ausdruck gebracht hatte, ist einer förmlichen Verwaltungsverfügung gleichzustellen. Verwaltungsverfügungen sind zwar grundsätzlich nicht unabänderlich. Ihre Abänderung oder Aufhebung wurde aber in der Rechtsprechung auch nie vorbehaltlos als zulässig erachtet. Vielmehr wurde jeweils das Interesse an der Verwirklichung des objektiven ![]() | 28 |
Unter solchen Umständen geht das Postulat der Rechtssicherheit dann vor, wenn durch den ersten Verwaltungsakt ein subjektives Recht des Bürgers begründet worden ist, oder wenn dieser Akt in einem Verfahren ergangen ist, in welchem die öffentlichen Interessen allseitig zu prüfen und gegenüber den entgegengesetzten Privatinteressen abzuwägen waren (BGE 79 I 6, BGE 86 I 173, BGE 88 I 227, BGE 89 I 434). Im vorliegenden Fall trifft beides zu: Durch den ersten, vor der Pensionierung getroffenen Entscheid der Generaldirektion der PTT hat der Kläger ein wohlerworbenes Recht erlangt, das auf einer individuell abgegebenen Zusicherung beruht (BGE 83 I 65, BGE 87 I 325), und dieser Entscheid ist das Ergebnis eines Verfahrens, in dem das Verhalten des Klägers und dessen beamtenrechtliche Folgen abgeklärt worden sind.
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Dazu kommt noch, dass eine blosse Änderung der Auslegung einer Kann-Vorschrift, wobei - wie hier - die eine und die andere Lösung mit dem Wortlaut und Sinn der Bestimmung vereinbar sind, ohnehin keinen Revisionsgrund bildet (BGE 83 I 326).
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Für die Berechnung der Rente des Klägers massgebend ist somit der versicherte Verdienst von Fr. 13'170.--, welcher der ![]() | 31 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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