BGE 94 I 77 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
14. Auszug aus dem Urteil vom 1. März 1968 i.S. Interfer Verwaltungsaktiengesellschaft gegen Eidg. Bankenkommission. | |
Regeste |
Geltungsbereich des Bundesgesetzes über die Anlagefonds. |
Ist die Fondsleitung eine Aktiengesellschaft und verlegt sie ihren Sitz von der Schweiz ins Ausland, so bleibt der Anlagefonds dem schweizerischen Gesetz unterstellt, solange die Gesellschaft im schweizerischen Handelsregister mangels Erfüllung der Bedingungen des Art. 51 der Handelsregisterverordnung nicht gelöscht ist. | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.- Die Interfer AG mit Sitz in Zürich wurde am 27. Oktober 1961 im dortigen Handelsregister eingetragen. Sie errichtete und leitete den Internationalen Ferienhaus-Anlagefonds Interfer mit dem Zweck, den Anteilhabern eine Kapitalanlage in Immobilien in verschiedenen Ländern zu verschaffen und ihnen zu ermöglichen, in den Häusern unentgeltlich Ferien zu verbringen. Das Unternehmen hatte anfänglich Erfolg, geriet dann aber in finanzielle Schwierigkeiten. Am 19. Januar 1966 beschloss die Interfer AG, den Fonds zu liquidieren.
| 2 |
Gestützt auf Art. 55 des BG über die Anlagefonds vom 1. Juli 1966 (AFG), das am 1. Februar 1967 in Kraft trat, meldete sich die Interfer AG als Fondsleitung bei der eidg. Bankenkommission an.
| 3 |
Am 8. November 1967 beschloss eine ausserordentliche Generalversammlung der Interfer AG, die Firma in Interfer Verwaltungsaktiengesellschaft abzuändern und den Sitz der Gesellschaft von Zürich nach Vaduz (Fürstentum Liechtenstein) zu verlegen. Die Inter fer Verwaltungsaktiengesellschaft wurde am 14. November 1967 im Öffentlichkeitsregister des Fürstentums Liechtenstein eingetragen.
| 4 |
B.- Mit Verfügung vom 23. November 1967 verpflichtete die eidg. Bankenkommission in Anwendung des Art. 43 Abs. 2 AFG die Interfer AG Zürich, bei der Zürcher Kantonalbank zur Sicherstellung der Ansprüche der Anleger den Betrag von Fr. 50'000.-- in bar oder in Wertpapieren zu hinterlegen.
| 5 |
Durch eine am gleichen Tage getroffene weitere Verfügung, die auf Art. 44 Abs. 1 und Art. 45 Abs. 1 AFG gestützt wird, entzog die Bankenkommission der Interfer AG Zürich die Bewilligung zur Führung der Geschäfte eines Anlagefonds und ernannte zwei Sachverwalter für den Interfer-Anlagefonds in Liquidation.
| 6 |
C.- Gegen diese Verfügungen richten sich die von der Interfer Verwaltungsaktiengesellschaft Vaduz eingereichten Verwaltungsgerichtsbeschwerden. Die Beschwerdeführerin macht u.a. geltend, es sei zweifelhaft, ob der Interfer-Anlagefonds überhaupt jemals dem Anlagefondsgesetz unterstanden habe. Auf jeden Fall sei dieses Gesetz nach seinem Art. 1 nur solange anwendbar gewesen, als die Fondsleitung ihren Sitz in der Schweiz gehabt habe. Sie habe aber den Sitz ins Ausland verlegt, bevor die Bankenkommission die angefochtenen Verfügungen getroffen habe. Fondsleitung sei seit dem 14. November 1967 nicht mehr die Interfer AG Zürich, sondern die Interfer Verwaltungsaktiengesellschaft Vaduz. Die Bankenkommission sei somit am 23. November 1967 nicht mehr zuständig gewesen, Verfügungen zu erlassen, die sich gegen die Interfer AG Zürich als Fondsleitung richteten.
| 7 |
Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab.
| 8 |
Aus den Erwägungen: | |
9 | |
a) Dieser Zweifel ist unbegründet. Das Anlagefondsgesetz ist nach Art. 1 Abs. 1 anwendbar auf alle Anlagefonds, deren Leitung ihren Sitz in der Schweiz hat. Art. 2 Abs. 1 umschreibt den Anlagefonds als ein Vermögen, das auf Grund öffentlicher Werbung von den Anlegern zum Zwecke gemeinschaftlicher Kapitalanlage aufgebracht und von der Fondsleitung nach dem Grundsatz der Risikoverteilung auf Rechnung der Anleger verwaltet wird. Der Interfer-Anlagefonds fällt offensichtlich unter diesen Begriff. Er untersteht also dem Gesetz, solange seine Leitung ihren Sitz in der Schweiz hat. Dass dies zum mindesten bis zur Verlegung des Sitzes der Fondsleitung ins Ausland der Fall war, lässt sich nicht bestreiten und wird auch nicht bestritten. Die Beschwerdeführerin weist vergeblich darauf hin, dass schon vor dem Inkrafttreten des Anlagefondsgesetzes mit der Liquidation des Interfer-Fonds begonnen und die Ausgabe von Anteilscheinen eingestellt worden sei. Der Fonds ist (noch) nicht aufgelöst worden. Er besteht heute noch als Anlagefonds im Sinne des Gesetzes. Es ist nicht bestritten und steht fest, dass das Fondsvermögen auf Grund öffentlicher Werbung aufgebracht worden ist. Zwar mag zutreffen, dass die öffentliche Werbung längst, schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, aufgehört hat, doch folgt daraus nicht, dass das Fondsvermögen den Charakter eines Anlagefonds verloren hat. Der Interfer-Anlagefonds stellt auch heute noch ein von den Anlegern auf Grund öffentlicher Werbung aufgebrachtes Vermögen dar. Die Fondsleitung hat sich denn auch gemäss Art. 55 AFG bei der Bankenkommission angemeldet und damit die Anwendbarkeit dieses Gesetzes anerkannt.
| 10 |
b) Unbegründet ist aber auch die Auffassung der Beschwerdeführerin, der Interfer-Anlagefonds habe dem Anlagefondsgesetz auf jeden Fall im Zeitpunkte des Erlasses der angefochtenen Verfügungen nicht mehr unterstanden, weil die Fondsleitung ihren Sitz schon vorher ins Ausland verlegt habe.
| 11 |
Das Anlagefondsgesetz will die Anleger, deren Schuldner die Fondsleitung ist, dieser gegenüber schützen. Es erfasst deshalb jene Anlagefonds, deren Leitung ihren Sitz in der Schweiz hat (Botschaft des Bundesrates, BBl 1965 III 314 unten). Ist die Fondsleitung - wie im vorliegenden Fall - eine Aktiengesellschaft, so untersteht sie dem Anlagefondsgesetz, wenn und solange sie in der Schweiz nach Ausweis des hiesigen Handelsregisters ihren statutarischen Sitz hat, d.h. eine schweizerische Gesellschaft ist.
| 12 |
Will diese schweizerische Aktiengesellschaft ihren Sitz ins Ausland verlegen, so kann sie nach Art. 51 HRegV ohne Liquidation ihre Löschung im schweizerischen Handelsregister verlangen, jedoch nur, wenn sie nachweist, dass sie am neuen Sitz zu Recht besteht und in einem dort allenfalls bestehenden Handelsregister eingetragen ist (Abs. 1), und wenn sie ausserdem die Erklärung abgibt, dass ihre Gläubiger befriedigt worden sind oder sich mit der Löschung einverstanden erklärt haben (Abs. 2). Fehlt eine dieser Voraussetzungen, so kann die Gesellschaft ihre Löschung im schweizerischen Handelsregister nur durch die auf Grund eines Auflösungsbeschlusses der Generalversammlung durchgeführte Liquidation herbeiführen. Solange sie im schweizerischen Handelsregister nicht gelöscht ist, untersteht sie dem schweizerischen Recht. Dieses beherrscht sie auch nach der Verlegung des Sitzes ins Ausland noch weiter, nämlich solange, bis sie die in Art. 51 HRegV umschriebenen Voraussetzungen des Auszugs erfüllt. Erst wenn sie nach Erfüllung dieser Bedingungen im schweizerischen Handelsregister gelöscht worden ist, wird sie aus der Herrschaft des schweizerischen Rechts entlassen (STAUFFER, Komm. zu Art. 14 der Schluss- und Übergangsbestimmungen zu den Titeln 24-34 des OR, N. 106; NIEDERER, Kollisionsrechtliche Probleme der juristischen Person, in GUTZWILLER/NIEDERER, Beiträge zum Haager Internationalprivatrecht 1951, S. 120; WEISS, Komm. des Aktienrechts, Einleitung N. 485; MEIER-HAYOZ, Sitzverlegungen juristischer Personen von und nach der Schweiz, in den Schweiz. Beiträgen zum 5. internationalen Kongress für Rechtsvergleichung 1958, S. 73/74).
| 13 |
Im Sinne dieser Ordnung ist auch Art. 1 Abs. 1 AFG zu verstehen. Eine Aktiengesellschaft, welche bisher als Fondsleitung mit Sitz im Inland dem Anlagefondsgesetz unterstellt war, bleibt diesem Gesetz auch nach der Verlegung ihres Sitzes ins Ausland unterstellt, solange sie mangels Erfüllung der Bedingungen des Art. 51 HRegV im schweizerischen Handelsregister nicht gelöscht ist. Der Schutz, den jenes Gesetz den Anlegern gewährt, muss bis zur Befriedigung der Anleger andauern, es wäre denn, alle Anleger seien mit der Verlegung des Sitzes der Fondsleitung ins Ausland einverstanden. Eine andere Auslegung wäre mit dem Sinn und Zweck des Anlagefondsgesetzes nicht vereinbar; denn sie würde den vom Gesetz erstrebten Schutz der Anleger vereiteln, weil sie der Fondsleitung ermöglichen würde, sich zum Nachteil der Anleger ins Ausland zu verziehen, sobald sie damit rechnen muss, dass gegen sie Massnahmen auf Grund des Anlagefondsgesetzes ergriffen werden.
| 14 |
Im vorliegenden Fall sind nicht alle Voraussetzungen des Art. 51 HRegV erfüllt. Zwar ist die Beschwerdeführerin im Öffentlichkeitsregister des Fürstentums Liechtenstein eingetragen, und sie scheint nach der dortigen Gesetzgebung am neuen Sitz zu Recht zu bestehen; aber sie hat die in jener Verordnungsvorschrift weiter geforderte Erklärung, dass die Gläubiger befriedigt oder zum mindesten mit der Löschung im schweizerischen Handelsregister einverstanden seien, nicht abgegeben. Sie ist denn auch noch immer in diesem Register eingetragen. Nach dem schweizerischen Recht befindet sich also ihr statutarischer Sitz nach wie vor in Zürich; die Verlegung ihres Sitzes nach Vaduz wird von der Schweiz bis auf weiteres nicht anerkannt. Daraus folgt, dass der Interfer-Anlagefonds auch jetzt noch dem Anlagefondsgesetz untersteht. Die Bankenkommission war daher zuständig, die angefochtenen Verfügungen vom 23. November 1967 zu erlassen.
| 15 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |