BGE 94 I 138 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
21. Auszug aus dem Urteil vom 24. Januar 1968 i.S. Zarotti gegen Regierungsrat des Kantons Schaffhausen. | |
Regeste |
1. Art. 88 OG. Der Baugesuchsteller, der nicht Eigentümer des Baugrundstücks ist und keine anderweitigen Rechte daran hat, kann gegen die Abweisung seines Baugesuches staatsrechtliche Beschwerde führen (Anderung der Rechtsprechung). | |
Sachverhalt | |
Zarotti will auf der Westseite der Klettgauerstrasse in Neuhausen auf dem Grundstück GB Nr. 1954, das derzeit Heinrich Benz gehört, eine Benzintankstelle bauen. Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen hat das Baugesuch am 20. April 1967 "aus Gründen der Verkehrssicherheit" abgewiesen. Er hat dazu ausgeführt, im Baubewilligungsverfahren könnten unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Wohles Gründe der Verkehrspolizei berücksichtigt werden, ohne dass es dafür einer gesetzlichen Grundlage bedürfe. Die Verhinderung eines Bauvorhabens aus solchen Gründen verstosse weder gegen die Eigentumsgarantie noch gegen die Handels- und Gewerbefreiheit, wenn bei Erteilung der Baubewilligung mit offensichtlich unhaltbaren Zuständen gerechnet werden müsste, wie das hier zutreffe. Die projektierte Tankstelle käme an die stark befahrene Klettgauerstrasse und in den Vorsortierungsbereich einer sehr belasteten Verkehrskreuzung zu liegen. Aus Gründen der Verkehrssicherheit und um die Leistungsfähigkeit des Knotenpunktes nicht zu beeinträchtigen, sei das Baugesuch abzulehnen.
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Zarotti hat hiergegen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Eigentumsgarantie und des Art. 4 BV erhoben.
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Aus den Erwägungen: | |
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Der Beschwerdeführer hat das Projekt zur Überbauung der Parzelle GB Nr. 1954 in Neuhausen mit Zustimmung des Grundstückeigentümers ausgearbeitet und den Behörden unterbreitet. Nach kantonaler Verwaltungsübung stand ihm das Recht zur Einholung der Baubewilligung zu. Er ist mithin nach dem Gesagten befugt, die Verweigerung der Baubewilligung mit der staatsrechtlichen Beschwerde anzufechten.
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a) Der Regierungsrat macht mit Fug nicht geltend, Art. 38 des kantonalen Baugesetzes erlaube das Verbot. Diese Bestimmung umschreibt die Anforderungen, die an "Ausmündungen und Ausgänge" auf öffentliche Strassen und Plätze zu stellen sind; sie sagt nicht, wie es zu halten ist, wenn keine Möglichkeit zur Anlegung verkehrsgerechter Zu- und Wegfahrten besteht.
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b) Der Regierungsrat nimmt in der Vernehmlassung auf das Normblatt SNV 40 628 der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachmänner (VSS) Bezug. Diese von einem privaten Verein herausgegebenen Richtlinien vermöchten nur dann die gesetzliche Grundlage für einen Eingriff in das Eigentum abzugeben, wenn ihr Inhalt Gewohnheitsrecht wäre (vgl. BGE 81 I 34, BGE 88 I 176). Das trifft indessen nicht zu, da die beiden Voraussetzungen für die Bildung von Gewohnheitsrecht - die lange dauernde, regelmässige Übung und die sie tragende allgemeine Rechtsüberzeugung (BGE 81 I 34 mit Verweisungen, BGE 83 I 246 /47, BGE 84 I 95 Erw. 4) - fehlen. Das Bundesgericht würdigt denn auch in ständiger Rechtsprechung die Normblätter der VSS nicht als Ersatz für eine gesetzliche Grundlage, sondern lediglich als Hilfsmittel für die Prüfung der sich bei der Abklärung des öffentlichen Interesses stellenden Frage, ob eine bestimmte Anlage den Anforderungen der Verkehrssicherheit genüge (vgl. BGE 83 I 151 /52, BGE 87 I 353 /54; ZBl 1960 S. 83, 1961 S. 379, 1965 S. 254, 1966 S. 239 Erw. 5).
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c) Die gesetzliche Grundlage des angefochtenen Beschlusses kann auch nicht in Art. 3 SVG erblickt werden. Laut Abs. 4 dieser Bestimmung können die Kantone den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr auf öffentlichen Strassen "Beschränkungen" und anderweitigen "Anordnungen" unterwerfen, "soweit die Sicherheit, die Erleichterung oder die Regelung des Verkehrs, der Schutz der Strasse oder andere in den örtlichen Verhältnissen liegende Gründe dies erfordern". Der Bundesrat, der auf Beschwerde hin zur Prüfung der Auslegung dieser Vorschrift des eidgenössischen Verwaltungsrechtes zuständig ist (Art. 125 Abs. 1 lit. b OG), hat im Meinungsaustausch festgestellt, dass sich die Gebote und Verbote gemäss Art. 3 SVG nur an die Verkehrsteilnehmer richten können. Die streitige Verweigerung der Baubewilligung ist gegenüber dem Beschwerdeführer als Bauinteressenten und nicht gegenüber den künftigen Benützern der Tankstelle ausgesprochen worden. Die Adressaten des angefochtenen Beschlusses sind demnach nicht die Verkehrsteilnehmer, was es nach der Auffassung des Bundesrates ausschliesst, die Verfügung als "Beschränkung" oder "Anordnung" im Sinne von Art. 3 Abs. 4 SVG aufzufassen.
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