BGE 94 I 193 | |||
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29. Urteil vom 27. März 1968 i.S. X gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft | |
Regeste |
Art. 88 OG; Art. 11 f. des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz vom 10. 8. 1964; Legitimation des vom Widerruf einer Aufenthaltsbewilligung Betroffenen zur staatsrechtlichen Beschwerde, wenn dieser ohne den Widerruf auf die Verlängerung der Bewilligung Anspruch gehabt hätte. | |
Sachverhalt | |
A.- Der Beschwerdeführer hielt sich seit dem Jahre 1956 als Saisonarbeiter in der Schweiz auf, zunächst in Basel, im Jahre 1960 in Binningen und in den Jahren 1961-1964 wieder in Basel. Am 30. November 1964 wurde die Saison- in eine Ganzjahresbewilligung umgewandelt. Am 7. April 1967 verfügte die kantonale Fremdenpolizei von Basel die Wegweisung, weil das Verhalten des Beschwerdeführers zu Klagen Anlass gegeben, d.h. dieser eine ausdrückliche fremdenpolizeiliche Weisung missachtet habe; sie setzte ihm eine Abreisefrist bis zum 21. April 1967. Am 27. Juni 1967 meldete sich der Beschwerdeführer von Basel herkommend in Allschwil an. Er erhielt von der Fremdenpolizei des Kantons Basel-Landschaft eine Aufenthaltsbewilligung. Am 6. Juli 1967 gab die Fremdenpolizei von Basel-Stadt derjenigen des Kantons Basel-Landschaft davon Kenntnis, dass der Beschwerdeführer wegen Ehestörung aus dem Kanton Basel-Stadt weggewiesen wurde. Sie ersuchte, ihn ebenfalls wegzuweisen oder zum mindesten zu verwarnen, da er die ehewidrigen Beziehungen zu Frau Z., deren Weiterführung zur Wegweisung Anlass gegeben hätten, auch inzwischen nicht aufgegeben habe. Mit Verfügung vom 2. August 1967 widerrief die basellandschaftliche Fremdenpolizei die von ihr am 4. Juli 1967 erteilte Aufenthaltsbewilligung und setzte dem Beschwerdeführer Frist zur Wegreise bis zum 19. August 1967. Begründet wird diese Verfügung damit, seit Erteilung der Bewilligung sei festgestellt worden, das Verhalten des Beschwerdeführers habe im früheren Wohnkanton zu schweren Klagen Anlass gegeben. Die neue Aufenthaltsbewilligung sei unter wissentlichem Verschweigen dieser wesentlichen Tatsache erschlichen worden.
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Der Betroffene rekurrierte an den Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. Da er vor Erlass der Wegweisungsverfügung nicht angehört worden war, ersuchte er um Einsichtgabe in die Akten und bestritt, zu Klagen Anlass gegeben zu haben. Der Regierungsrat wies den Rekurs mit Entscheid vom 26. September 1967 ab und ersuchte die Eidgen. Fremdenpolizei, die kantonale Wegweisungsverfügung auf das Gebiet der ganzen Schweiz auszudehnen. Dieser Entscheid stützt sich auf Art. 9 Abs. 2 lit. a ANAG. Der Beschwerdeführer habe die Behörden des Kantons Basel-Landschaft über die in Basel angeordneten Massnahmen und deren Gründe nicht orientiert; diese seien nicht bereit, einen Ausländer aufzunehmen, der im bisherigen Wohnsitzkanton zu so schweren Klagen Anlass gegeben habe, dass er habe weggewiesen werden müssen. Ausserdem seien die Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 2 lit. b ANAG erfüllt.
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Der Rekurrent sei wegen Ehestörung aus dem Kanton Basel-Stadt weggewiesen worden und habe die unerlaubten Beziehungen nachher aufrechterhalten. Darin liege ein Verstoss gegen die öffentliche Ordnung. Der Ehebruch sei ein Verhalten, das unter Art. 9 Abs. 2 lit. b ANAG falle. Es komme nicht darauf an, ob die Strafbarkeitsbedingung des Art. 214 StGB erfüllt sei oder ob der Sicherheitspolizei ein Einschreiten verwehrt wäre. Auch das Verhalten des Beschwerdeführers zu seiner früheren Verlobten könne nur negativ bewertet werden.
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B.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde wird beantragt, den Beschluss des Regierungsrates des Kantons Basel-Landschaft vom 26. September 1967 und damit die Verfügung der kantonalen Fremdenpolizei vom 2. August 1967 aufzuheben. Die Beschwerdebegründung ergibt sich soweit notwendig aus den nachfolgenden Erwägungen.
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C.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Der Beschwerdeführer ist italienischer Staatsangehöriger. Gemäss Art. 11 des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz vom 10. August 1964 (AS 1965 S. 399) haben italienische Arbeitskräfte nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von wenigstens 5 Jahren Anspruch auf eine Vorzugsbehandlung, d.h. auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für ihre Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz.
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Nach der Beschwerdeantwort des Regierungsrates hielt sich der Beschwerdeführer in der Zeit von 1956 bis 1964 insgesamt etwa 89 Monate, oder mehr als 7 Jahre als Saisonarbeiter in der Schweiz auf, bis ihm mit Wirkung seit dem 30. November 1964 eine Jahresbewilligung erteilt wurde.
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Nach Art. 12 Ziff. 2 des Abkommens werden die Monate, während welcher der Arbeitnehmer als Saisonarbeiter in der Schweiz gearbeitet hat, von den Fristen abgezogen, die für die Vorzugsbehandlung für Aufenthalter gelten. Die nach den Art. 11 und 12 anrechenbare Aufenthaltsdauer beträgt danach mehr als 10 Jahre, übersteigt also die Mindestdauer von 5 Jahren, die nach Art. 11 Anspruch auf die Vorzugsbehandlung gibt.
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Der Regierungsrat macht zwar geltend, die Umwandlung in eine Jahresbewilligung sei am 30. November 1964, d.h. vor dem Inkrafttreten des Abkommens und nach den allgemeinen Weisungen des BIGA vom 25. Mai 1960 erfolgt, sodass die Vorzugsbehandlung des Abkommens ausser Betracht falle. Indes spricht Art. 12 Ziff. 2 des Abkommens schlechthin von den Monaten, während welcher der Arbeitnehmer als Saisonarbeiter in der Schweiz gearbeitet hat. Er unterscheidet nicht, ob der Arbeitnehmer noch heute als Saisonarbeiter tätig ist, und ob seine Bewilligung inzwischen in eine Ganzjahresbewilligung umgewandelt wurde. Die Unterscheidung, die der Regierungsrat machen will, hat deshalb nicht bloss den Wortlaut, sondern auch den Sinn und Zweck des Abkommens gegen sich, das den stabileren Elementen unter den ausländischen Arbeitskräften eine Vorzugsbehandlung gewähren will. Die Umwandlung der Saison- in eine Ganzjahresbewilligung weist aber auf eine grössere Stabilität des Arbeits- und Aufenthaltsverhältnisses hin.
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Der Beschwerdeführer hätte ohne den Widerruf der Aufenthaltsbewilligung auf deren Verlängerung Anspruch gehabt. Er kann die Vorzugsbehandlung nur verlangen, wenn es nicht beim Widerruf bleibt. Er besitzt deshalb ein aktuelles Interesse daran, dass die Verfassungsmässigkeit des Entscheides des Regierungsrates überprüft wird.
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3. Art. 9 Abs. 2 lit. a ANAG ermächtigt die Fremdenpolizei, die Aufenthaltsbewilligung zu widerrufen, wenn der Ausländer sie durch falsche Angaben oder durch wissentliches Verschweigen wesentlicher Tatsachen erschlichen hat. Der Beschwerdeführer stellt in Abrede, dass er der Fremdenpolizei des Kantons Basel-Landschaft falsche Angaben über die in Basel über ihn angeordnete Wegweisung und deren Ursachen gemacht habe. Da man ihn nicht nach dem Grund des Wohnungswechsels gefragt habe, habe er keinen Anlass gehabt, darüber unrichtige Angaben zu machen.
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Da auch das wissentliche Verschweigen wesentlicher Tatsachen einen Widerrufsgrund bildet, kann ein Gesuchsteller allenfalls eine Pflicht haben, zu sprechen, falls die Tatsachen, die er verschweigt, den Entscheid beeinflussen würden. Indes bestehen für eine Verpflichtung, von sich aus der Behörde über bestimmte Tatsachen Angaben zu machen Grenzen. Insbesondere ist niemand verpflichtet, der Behörde unrichtige Verdächtigungen mitzuteilen. Das gilt selbst dann, wenn diese von einer andern Behörde übernommen wurden. Waren die Verdächtigungen selber unrichtig, so lässt sich auch das Verschweigen eines darauf gestützten Entscheides rechtfertigen. Der Beschwerdeführer durfte zudem annehmen, die Behörde lege wenig Wert darauf, zu erfahren, warum er den früheren Aufenthalt im Kanton Basel-Stadt aufgegeben habe. Denn er wurde hierüber anlässlich der Anmeldung in Allschwil nicht befragt.
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Ob die Aufenthaltsbewilligung habe widerrufen werden können, weil der Beschwerdeführer sie erschlichen habe, hängt daher mit der Frage zusammen, ob er im Sinn von Art. 9 Abs. 2 lit. b ANAG in Basel-Stadt zu berechtigten Klagen Anlass gegeben hat.
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Es fehlen jedoch genügende Anhaltspunkte für die behaupteten ehewidrigen Beziehungen des Beschwerdeführers.
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Die Behauptung stützt sich auf die Angaben eines dem Beschwerdeführer nicht bekanntgegebenen Dritten an einen Beamten des Kantons Basel-Stadt. Diese waren ziemlich allgemein gehalten und gestatten keinen zuverlässigen Schluss auf ehewidrige Beziehungen. Sie könnten als Grundlage für eine so einschneidende Massnahme, wie der Widerruf einer Aufenthaltsbewilligung sie darstellt, nur berücksichtigt werden, wenn sie sich bestätigen würden, nachdem der Beschuldigte selbst Gelegenheit erhalten hätte, sich dazu zu äussern. Der Anspruch auf solche Anhörung besteht auch im Verwaltungsverfahren, wenn der Bürger zur Wahrung seiner Rechte angehört werden muss, und wenn kein öffentliches Interesse dagegen spricht. Ein derartiges entgegenstehendes Interesse ist nicht namhaft gemacht. Der Ausländer hat auf Anhörung und Gewährung rechtlichen Gehörs nicht weniger Anspruch als der Schweizerbürger. Der Beschwerdeführer hatte aber keine Gelegenheit, sich zu den gegen ihn vorgebrachten Vorwürfen zu äussern.
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Freilich wurde die Vermutung, der Beschwerdeführer habe zu Frau Z. ein Verhältnis auch durch seine frühere Geliebte geäussert. Doch vermag diese sich dafür auf keine andern konkreten Tatsachen zu berufen als darauf, dass der Beschwerdeführer ihre Frage, ob er sie heiraten wolle, verneint, und dass Frau Z. sie darauf wegen ihres Benehmens aus der Wohnung weggeschickt habe. Auch hiezu konnte sich übrigens der Beschwerdeführer nicht äussern. Durch die Aussagen der Frau Z. ist sodann festgestellt, dass die öfters in der Wohnung verkehrende Frl. A. der Frau Z. Eifersuchtsszenen machte und deshalb aus der Wohnung gewiesen wurde. Das ist für ehewidrige Beziehungen zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Logisgeberin jedoch nicht schlüssig. Die häufige Anwesenheit desselben in der Wohnung erklärte Frau Z. mit der Tatsache, dass er Untermieter war und wegen Arbeiten, die er in der Wohnung ausführte, anders als die übrigen Untermieter gehalten wurde. Der Ehemann Z. bezeichnet die an die Adresse seiner Frau gemachten Vorhalte als nicht begründet, und der Beschwerdeführer selbst hat sie stets bestritten.
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Unter solchen Umständen durfte die Behauptung, der Beschwerdeführer habe durch seine Beziehungen zu Frau Z. zu Klagen Anlass gegeben, nicht ohne Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als erwiesen angesehen werden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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