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54. Auszug aus dem Urteil vom 28. Juni 1968 i.S. Diversified Growth Stock Fund Inc. und Mitbeteiligte gegen Eidg. Bankenkommission. | |
Regeste |
Gesetz- und Verfassungsmässigkeit der auf gesetzlicher Delegation beruhenden Verordnungen des Bundesrates. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts; weitere Klarstellung der Rechtsprechung (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
1 | |
"Der Bundesrat erlässt die zum Schutze der Anleger erforderlichen Vorschriften über ausländische Anlagefonds, für die in der Schweiz öffentlich geworben wird; er kann namentlich die Leistung von Sicherheiten sowie die Verzeigung eines Gerichtsstandes in der Schweiz verlangen."
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Gestützt auf diese Bestimmung hat der Bundesrat in die Vollziehungsverordnung vom 20. Januar 1967 (AFV, AS 1967 S. 135) den Art. 6 aufgenommen, welcher lautet:
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"Die öffentliche Werbung für ausländische Anlagefonds in der Schweiz bedarf einer Bewilligung der Aufsichtsbehörde.
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Die Bewilligung wird erteilt, wenn die ausländische Fondsleitung als ihren ständigen Vertreter in der Schweiz eine Bank mit Sitz oder Zweigniederlassung in der Schweiz bestellt; ist der Vertreter eine juristische Person, so muss er ein voll einbezahltes Grund- oder Stammkapital von zwei Millionen Franken ausweisen.
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In der Werbung für den ausländischen Anlagefonds sowie in allen Veröffentlichungen der Fondsleitung oder des ständigen Vertreters in der Schweiz ist deutlich auf die Nationalität der Fondsleitung hinzuweisen; untersteht die Fondsleitung an ihrem Sitz nicht einer der schweizerischen ähnlichen staatlichen Aufsicht, so ist dieser Umstand in allen Zeichnungsscheinen oder, wo solche nicht verwendet werden, in den Abrechnungen über die Zeichnungen deutlich hervorzuheben.
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Der ständige Vertreter der Fondsleitung in der Schweiz meldet der Aufsichtsbehörde innerhalb zwei Monaten nach Abschluss des Rechnungsjahres des Anlagefonds die Gesamtheit der in der Schweiz während dieser Periode ausgegebenen und zurückgenommenen Anteilscheine und sendet ihr so bald als möglich den veröffentlichten Rechenschaftsbericht der Fondsleitung über den Anlagefonds."
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B.- Die Diversified Growth Stock Fund Inc. wurde im Jahre 1954 gegründet und ist im Staate Delaware (USA) ein getragen. Sie untersteht in den USA dem Investment Company Act von 1940 und der Aufsicht der Securities and Exchange Commission. Der im Staate Nevada (USA) eingetragenen Hugh W. Long & Co. Inc. ist das ausschliessliche Recht, Aktien-Zertifikate des Diversified Growth Stock Fund zu vertreiben, eingeräumt worden. Sie hat das Vertriebsrecht für Europa der Intertrust SA in Luxemburg abgetreten. Diese hat ihrerseits - im Einverständnis mit Hugh W. Long & Co. - das Vertriebsrecht für die Schweiz der Finanzgesellschaft Agantis AG in Zürich übertragen, die seit dem Jahre 1966 besteht und über ein voll einbezahltes Aktienkapital von 500'000 Franken verfügt.
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Im Auftrage der Hugh W. Long & Co. und der Intertrust SA hat die Agantis AG die Eidg. Bankenkommission ersucht, die öffentliche Werbung für den Diversified Growth Stock Fund in der Schweiz zu bewilligen. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie als ständiger Vertreter der ausländischen Fondsleitung in der Schweiz bestellt sei.
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Mit Entscheid vom 1. November 1967 hat die Bankenkommission (Kammer für Anlagefonds) das Gesuch abgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Agantis AG sei keine Bank oder Zweigniederlassung einer Bank, so dass nach Art. 6 Abs. 2 AFV die erbetene Bewilligung nicht erteilt werden könne.
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Sie machen geltend, Art. 6 Abs. 2 AFV sei insoweit gesetz- und verfassungswidrig, als er verlangt, dass der Vertreter eine Bank sein und, wenn er eine juristische Person ist, ein voll einbezahltes Grund- oder Stammkapital von zwei Millionen Franken ausweisen muss. Diese Auffassung begründen sie wie folgt:
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Art. 1 Abs. 3 AFG ermächtige den Bundesrat nicht, den schweizerischen Anlegern Garantien für die Bonität der ausländischen Anlagefonds zu bieten, sondern nur, dafür zu sorgen, dass die öffentliche Werbung für solche Fonds in der Schweiz seriös betrieben werde. Die Verordnungsvorschrift, dass der Vertreter eine Bank mit Sitz oder Zweigniederlassung in der Schweiz sein muss, sei durch diese Ermächtigung nicht gedeckt. Sie verletze den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, ja sei sinnwidrig. Auch eine schweizerische Finanzgesellschaft, welche die Vertretung eines ausländischen Anlagefonds übernehme, biete selbstverständlich Gewähr dafür, dass die Werbung einwandfrei durchgeführt werde.
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Art. 1 Abs. 3 AFG solle ein Einschreiten des Bundesrates dann ermöglichen, wenn der ausländische Anlagefonds an seinem Sitz überhaupt keiner oder keiner der schweizerischen ebenbürtigen staatlichen Aufsicht unterstehe. Nun sei aber gerade der beschwerdeführende Anlagefonds in den USA einer der schweizerischen gleichwertigen Aufsicht unterstellt. Die Agantis AG als Vertreter dieses Fonds müsse die strengen amerikanischen Vorschriften über die Werbung einhalten, obwohl sie "nur" eine Finanzgesellschaft sei. Sie müsse bei der Werbung höheren Anforderungen genügen als eine schweizerische Bank, welche einen an seinem Sitz nicht oder nur wenig beaufsichtigten ausländischen Anlagefonds vertritt. Es verstosse gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit, die Bewilligung der öffentlichen Werbung in der Schweiz in allen Fällen davon abhängig zu machen, dass als Vertreter eine Bank bestellt wird.
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Auch die weitere Bestimmung, dass der Vertreter, der eine juristische Person ist, ein voll einbezahltes Grund- oder Stammkapital von zwei Millionen Franken ausweisen muss, sei mit ![]() | 16 |
Art. 6 Abs. 2 AFV verletze auch die Handels- und Gewerbefreiheit. Das dort geschaffene Bankenmonopol gehe weit über das hinaus, was erforderlich sei, um den gewerbepolizeilichen Zweck der Aufsicht über die Werbung zu erreichen. Es sei nicht das richtige Mittel hiezu. Auch das beanstandete Erfordernis eines Mindestkapitals habe mit jenem Zweck nichts zu tun.
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D.- Die Eidg. Bankenkommission hat im Verfahren vor dem Bundesgericht an ihrem Standpunkte festgehalten.
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Gemäss einem Antrag der Kommission ist der Bundesrat ersucht worden, zur Frage der Gesetz- und Verfassungsmässigkeit des Art. 6 Abs. 2 AFV Stellung zu nehmen. Er bejaht diese Frage in seiner Vernehmlassung.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Das Bundesgericht hat sich nicht darüber auszusprechen, ob diese in der Verordnung getroffene Lösung die zur Erreichung des gesetzlichen Zweckes am besten geeignete sei, da es nicht sein Ermessen an die Stelle jenes des Bundesrates treten lassen kann. Dagegen kann es prüfen, ob die in der Verordnung ![]() | 22 |
Indessen hat es seither seine Rechtsprechung in dem Sinne klargestellt, dass es eine auf gesetzlicher Delegation beruhende Verordnung des Bundesrates auch auf ihre Übereinstimmung mit der Bundesverfassung prüfen kann, sofern das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, in der Verordnung von der Verfassung abzuweichen (BGE 92 I 432 ff.; BGE 93 I 503; BGE 94 I 88). Im vorliegenden Fall besteht kein Grund, eine solche Ermächtigung anzunehmen. Das Bundesgericht hat daher auch zu untersuchen, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften mit den Grundsätzen der Bundesverfassung vereinbar seien. In dieser Beziehung stellt sich die Frage, ob sie mit Art. 4 und 31 BV im Einklang stehen. Insbesondere ist zu prüfen, ob der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gewahrt sei. Er ist in allen Gebieten des öffentlichen Rechts massgebend; er wird auch durch die Bundesverfassung - namentlich im Bereich der Handels- und Gewerbefreiheit - gewährleistet (BGE 91 I 327, 487; BGE 92 I 35 Erw. 7; BGE 93 I 219). Das Bundesgericht hat sich daher auch mit der Frage zu befassen, ob die Bedingungen, die Art. 6 Abs. 2 AFV aufstellt, in einem vernünftigen Verhältnis zu dem im Gesetz genannten Zweck stehen. Wenn und soweit dies nicht zuträfe, wäre die Verordnungsbestimmung mit dem Gesetz und der Verfassung nicht vereinbar und hätte ihr das Gericht die Anwendung im vorliegenden Fall zu versagen (H. BRUNNER, Die Überprüfung der Rechtsverordnungen des Bundes auf ihre Verfassungs- und Gesetzmässigkeit, Diss. Bern 1953, S. 116; A. GRISEL, Le contrôle des ordonnances fédérales en Suisse, in: Conseil d'Etat, Etudes et documents, Paris 1962, S. 198).
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4. Nach Art. 6 Abs. 1 AFV bedarf die öffentliche Werbung für ausländische Anlagefonds in der Schweiz einer Bewilligung der Aufsichtsbehörde. Diese Vorschrift wird von den Beschwerdeführern nicht beanstandet und kann auch nicht beanstandet werden. Das Anlagefondsgesetz selber bestimmt in Art. 3 und 5, dass die Leitungen der schweizerischen Anlagefonds (die Fondsleitungen mit Sitz in der Schweiz, Art. 1 Abs. 1) und, wo für solche Fonds Depotbanken beigezogen werden, auch diese zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit einer Bewilligung der ![]() | 24 |
Der von den Beschwerdeführern angefochtene Abs. 2 des Art. 6 AFV umschreibt die Voraussetzungen der Bewilligung in Anlehnung an Vorschriften des Gesetzes, die für die schweizerischen Anlagefonds gelten. Nach Art. 3 AFG darf die Bewilligung, deren die Leitung eines solchen Fonds bedarf (Abs. 1), nur einer Bank im Sinne des Bankengesetzes oder einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft, deren Gegenstand und Zweck ausschliesslich die Leitung von Anlagefonds ist, erteilt werden (Abs. 2); ist die Fondsleitung eine juristische Person, so muss sie ein mindestens zur Hälfte einbezahltes Grund- oder Stammkapital von einer Million Franken, wenn sie auch Bankgeschäfte betreibt, ein voll einbezahltes Grund- oder Stammkapital von zwei Millionen Franken ausweisen (Abs. 3). Nach Art. 5 AFG muss für einen schweizerischen Anlagefonds, dessen Leitung nicht eine Bank ist, eine Depotbank beigezogen werden (Abs. 1); die Bewilligung, deren die Depotbank bedarf (Abs. 2), wird nur einer Bank im Sinne des Bankengesetzes mit Sitz oder Zweigniederlassung in der Schweiz und, wenn es sich um eine juristische Person handelt, mit einem einbezahlten Grund- oder Stammkapital von mindestens zwei Millionen Franken erteilt (Abs. 3). Art. 6 Abs. 2 AFV ist dem Art. 5 Abs. 3 AFG nachgebildet, wie der Bundesrat in seiner Vernehmlassung zur Beschwerde bestätigt.
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Art. 8 Abs. 2 AFG bestimmt, dass die Depotbank - wo eine solche besteht - nach Massgabe des Art. 18 am Kollektivanlagevertrag teilnimmt. Gemäss Art. 18 hat sie das gesamte Fondsvermögen aufzubewahren und dafür zu sorgen, dass Anlagen, die nach Gesetz oder Fondsreglement unzulässig sind, unterbleiben (Abs. 1); zu diesem Zwecke besorgt sie die Ausgabe und Rücknahme der Anteilscheine sowie den ganzen Zahlungsverkehr für den Anlagefonds (Abs. 2); das Fondsreglement ![]() | 26 |
Indessen ist die Aufgabe, die dem Vertreter der ausländischen Fondsleitung in der Schweiz zum Schutze der Anleger zugedacht ist, nicht auf die in Art. 6 Abs. 4 und 5 AFV genannten Obliegenheiten beschränkt. Es wird von ihm mehr erwartet, ![]() | 27 |
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Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die von den Beschwerdeführern angefochtenen Vorschriften des Art. 6 Abs. 2 AFV nicht nur geeignet sind, dem in Art. 1 Abs. 3 AFG genannten Zweck zu dienen, sondern auch in einem vernünftigen Verhältnis zu diesem Zweck stehen.
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5. Die Beschwerdeführer sehen einen Verstoss gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit darin, dass Art. 6 Abs. 2 AFV die Bewilligung der öffentlichen Werbung in der Schweiz ausnahmslos vom Beizug einer grossen Bank abhängig macht; sie sind der Meinung, dieses Erfordernis sei auf jeden Fall dann sinnlos, wenn der ausländische Fonds, wie hier der Diversified Growth Stock Fund, an seinem Sitz einer der schweizerischen ![]() | 30 |
Wohl lässt sich feststellen, ob ein ausländischer Fonds an seinem Sitz der staatlichen Aufsicht untersteht, und auch, ob die einschlägige Gesetzgebung des ausländischen Staates der schweizerischen Ordnung der Aufsicht über die inländischen Fonds gleichwertig oder zum mindesten ähnlich ist. Eine solche Vergleichung der beidseitigen gesetzlichen Vorschriften ist offenbar in der Bestimmung des Art. 6 Abs. 4 AFV gemeint, nach welcher in Fällen, in denen die ausländische Fondsleitung an ihrem Sitz "nicht einer der schweizerischen ähnlichen staatlichen Aufsicht" untersteht, auf diesen Umstand in den Zeichnungsscheinen oder in den Abrechnungen über die Zeichnungen hingewiesen werden muss. Für den Schutz der schweizerischen Anleger ist jedoch nicht nur von Bedeutung, ob der ausländische Fonds an seinem Sitz der staatlichen Aufsicht unterstellt ist und, wenn ja, wie diese Aufsicht gesetzlich geordnet ist, sondern auch, wie die betreffenden Vorschriften angewendet werden, namentlich in bezug auf die öffentliche Werbung in der Schweiz, sofern sie diese Tätigkeit überhaupt erfassen. Es käme darauf an, wie die schweizerische Aufsichtsbehörde die Durchführung der ausländischen Ordnung beurteilen würde. Hierauf könnte aber der schweizerische Gesetzgeber nicht abstellen, schon deshalb nicht, weil jene Behörde ausserstande wäre, die Art der Anwendung der Vorschriften der verschiedenen ausländischen Staaten, die in Betracht kommen, zuverlässig festzustellen. Die Unterscheidung, welche nach Auffassung der Beschwerdeführer in der Verordnung des Bundesrates hätte getroffen werden sollen, könnte gar nicht folgerichtig durchgeführt werden; sie würde in der Praxis auf Schwierigkeiten stossen und zu Unzukömmlichkeiten führen. Daher kann nicht beanstandet werden, dass Art. 6 Abs. 2 AFV für alle ausländischen Fonds die Voraussetzungen der Bewilligung gleich ordnet. Diese Regelung steht durchweg in einem vernünftigen Verhältnis zu dem im Gesetz vorgeschriebenen Zweck. Sie ist sachgemäss und verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht.
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Ob die in Art. 6 AFV getroffene Ordnung - mit Einschluss der Sondervorschrift des Abs. 4 für ausländische Fonds, die an ihrem Sitz (nach der dortigen Gesetzgebung) nicht einer der schweizerischen ähnlichen staatlichen Aufsicht unterstehen - ![]() | 32 |
6. Die Beschwerdeführer wenden ferner ein, dass das "Bankenmonopol", welches durch Art. 6 Abs. 2 AFV geschaffen werde, mit dem Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht vereinbar sei. Auch diese Rüge hält der Prüfung nicht stand. Die umstrittenen Verordnungsvorschriften beschränken allerdings die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit, indem sie gewisse Erwerbszweige und Betriebsarten davon ausschliessen. Aber sie dienen - wie die Bestimmungen der Art. 3 und 5 AFG, an die sie sich anlehnen - nicht einem wirtschaftspolitischen, sondern einem polizeilichen Zweck, nämlich dem Schutze der Anleger. Einschränkungen solcher Art untersagt Art. 31 BV nicht. Aber auch der allgemeine und insbesondere durch diese Verfassungsbestimmung gewährleistete Grundsatz der Verhältnismässigkeit ist nicht verletzt, wie bereits ausgeführt worden ist.
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