BGE 94 I 480 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
67. Auszug aus dem Urteil vom 18. Oktober 1968 i.S. X. AG gegen Eidg. Bankenkommission. | |
Regeste |
Art. 3 Bankengesetz. | |
Sachverhalt | |
A.- Die X. AG, die ihren Sitz in der Schweiz hat, will ihr Unternehmen in eine Bank im Sinne des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934 umwandeln. Sie reichte der Eidg. Bankenkommission einen Statutenentwurf ein, der vorsieht, dass die "unmittelbare Geschäftsführung der Bank" einer Direktion obliegen soll und dass der Direktor "als verantwortlicher Geschäftsführer den Verwaltungsrat unaufgefordert von allen den Geschäftsgang entscheidend treffenden Vorkommnissen zu orientieren hat". Als Direktor der Bank wurde der gegenwärtige Geschäftsführer der Gesellschaft ausersehen.
| 1 |
B.- Die Eidg. Bankenkommission entschied am 17. Juni 1968, die Bescheinigung gemäss Art. 3 Abs. 3 des Bankengesetzes und Art. 8 der Vollziehungsverordnung vom 30. August 1961 werde der X. AG "so lange nicht ausgestellt, als sie eine Besetzung des Direktorenpostens vorsieht, bei der die Sicherheit der Gläubiger gefährdet erscheint".
| 2 |
Zur Begründung wurde ausgeführt, der gegenwärtige Geschäftsführer der Gesellschaft sei früher Direktor einer Bank gewesen und habe sich bei dieser Tätigkeit als charakterlich unzuverlässig und fachlich unfähig erwiesen. Die moralische und fachliche Qualität der Leiter einer Bank sei aber für die Sicherheit der Gläubiger von entscheidender Bedeutung. Wenn dem Direktor einer bestehenden Bank die erforderlichen Eigenschaften fehlten, liege ein Missstand vor, gegen den die Aufsichtsbehörde einzuschreiten habe (Art. 23 Abs. 3 lit. 1 Bankengesetz). Die Aufsichtsbehörde müsse jedoch auch dann eingreifen können, wenn eine im Entstehen begriffene Bank von Anfang an mit einem derartigen Missstand behaftet sei. Es wäre absurd anzunehmen, dass sie in einem solchen Fall die Eröffnung der Bank zulassen müsste, nur weil Art. 3 des Bankengesetzes lediglich eine formelle Prüfung der Organisation vorsehe.
| 3 |
C.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die X. AG, der Entscheid der Bankenkommission sei aufzuheben und diese anzuweisen, ihr die Bescheinigung gemäss Art. 3 Abs. 3 des Bankengesetzes und Art. 8 der Vollziehungsverordnung zu erteilen.
| 4 |
Es wird geltend gemacht, die Voraussetzungen für die Ausstellung der Bescheinigung seien in Art. 3 Abs. 1 und 2 des Bankengesetzes umschrieben. Sie seien hier erfüllt. Die Bescheinigung dürfe nicht aus Gründen verweigert werden, die in der Person des in Aussicht genommenen Direktors der Bank liegen. Übrigens stehe nicht fest, dass die Beschwerdeführerin ihren jetzigen Geschäftsführer als Direktor bezeichnen werde. Es treffe auch nicht zu, dass er moralisch unzuverlässig und fachlich unfähig sei.
| 5 |
D.- Die Bankenkommission schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
| 6 |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
| 7 |
Aus den Erwägungen: | |
8 | |
9 | |
Nach dem Wortlaut des Art. 3 des Bankengesetzes hat die Bankenkommission sich bei der Untersuchung, die sie gemäss Abs. 3 vorzunehmen hat, auf die Überprüfung der inneren Organisation der Bank, welche eröffnet werden soll, im allgemeinen zu beschränken. Der Organisationsplan muss an sich, in bezug auf die Abgrenzung der Geschäftsbereiche, der Überwachung und der Verantwortlichkeit, diejenigen Bedingungen erfüllen, die dem Charakter der betreffenden Bank angemessen sind. Dagegen folgt aus dem Text des Art. 3 nicht, dass die Bankenkommission auch die moralischen und fachlichen Qualitäten der Gründer oder anderer Personen, mit denen das Unternehmen die im Organisationsplan vorgesehenen Posten zu besetzen gedenkt, zu überprüfen hat und die Ausstellung der Bescheinigung verweigern kann, wenn sie findet, dass die eine oder andere dieser Personen nicht genügend qualifiziert sei. Die Kommission gibt dies selber zu.
| 10 |
Wohl bemerkte der Bundesrat in der Botschaft vom 2. Februar 1934 zum Entwurf des Bankengesetzes, die Bankenkommission werde "sich vorgängig über den Grad der moralischen Zuverlässigkeit der Gründer erkundigen" (BBl 1934 I S. 184). Diese Auffassung fand aber weder im vorgelegten Entwurf noch im Gesetz Ausdruck, und auch die Botschaft führte nicht weiter aus, welche Folgen eintreten sollten, falls die Bankenkommission zum Schluss käme, die Gründer seien moralisch nicht zuverlässig. Bei der Beratung des Gesetzes im Parlament wurde unwidersprochen erklärt, dass die Befugnis der Bankenkommission, die Anerkennung der Organisation einer Bank vom Ergebnis einer Prüfung der moralischen und fachlichen Qualitäten der Gründer und der künftigen Leiter abhängig zu machen, im Entwurf des Bundesrates nicht vorgesehen sei und dass eine abweichende Ordnung sich auch nicht rechtfertige (Protokoll der Tagung der ständerätlichen Kommission vom 13.-16. Februar 1934, S. 43 f.; StenBull 1934 StR S. 218/9, NR S. 641). Es entging den eidgenössischen Räten nicht, dass in der Vergangenheit gerade durch das unverantwortliche Verhalten gewisser Bankdirektoren grosse Schäden entstanden waren; doch wollte man weiteren solchen Vorkommnissen durch die Vorschrift vorbeugen, dass ein genauer und sachgemässer Organisationsplan aufzustellen sei.
| 11 |
Die dem Wortlaut des Art. 3 des Bankengesetzes nächstliegende Auslegung, dass die Bankenkommission sich auf eine formelle Prüfung der in den Gesellschaftsverträgen, Statuten und Reglementen vorgesehenen Organisation zu beschränken hat, wird also durch den Werdegang der Bestimmung bestätigt. Diese ist auch im Schrifttum stets im gleichen Sinne verstanden worden (REIMANN, Komm. zum schweizerischen Bankengesetz, 3. Aufl., S. 27 Z. 6; GRANER, Schweiz. jur. Karthotek, Karte 460, S. 6; TARNUTZER, Entstehung, Organisation und Funktion der Eidg. Bankenkommission, Berner Diss. 1941, S. 61; URECH, Die staatliche Beaufsichtigung der Banken in der Schweiz, Zürcher Diss. 1944, S. 63 f.; PIGUET, La banque dans le cadre de la réglementation bancaire suisse, thèse Lausanne 1953, S. 385 f.).
| 12 |
Der angefochtene Entscheid lässt sich demnach nicht auf Art. 3 des Bankengesetzes stützen.
| 13 |
14 | |
Dieser Auffassung kann jedoch nicht zugestimmt werden. Sie ist nicht vereinbar damit, dass der Gesetzgeber in Art. 3 des Bankengesetzes die Überprüfungsbefugnis der Bankenkommission bewusst im oben dargelegten Sinne beschränkt hat. Die Regel von Art. 23 Abs. 3 lit. 1, die sich nach ihrem Wortlaut und ihrer Stellung im Gesetz nur auf Banken, die bereits tätig geworden sind, bezieht, darf nicht entgegen dem ausdrücklich geäusserten Willen des Gesetzgebers auf die Vorgänge bei der Gründung ausgedehnt werden. Anders wäre es allenfalls, wenn die Bankenkommission befugt wäre, einem sich bei der Ausübung des Bankgeschäfts zeigenden Missstand von sich aus unverzüglich abzuhelfen; dann hätte es tatsächlich wenig Sinn, eine von vornherein mit Missständen behaftete Unternehmung vorerst einmal zuzulassen, wenn doch nachher sofort gegen sie eingeschritten werden müsste. Allein diese weitgehende Befugnis gibt das Gesetz der Bankenkommission nicht. Es bestimmt in Art. 21 Abs. 3, dass die Revisionsstelle, welche bei einer Revision Missstände festgestellt hat, der Bank eine angemessene Frist zu deren Behebung anzusetzen und, falls die Frist nicht eingehalten wird, der Bankenkommission Bericht zu erstatten hat; auf eine solche Meldung hin hat alsdann nach Art. 23 Abs. 3 lit. 1 die Bankenkommission ihrerseits der Bank eine Frist zur Behebung der Missstände anzusetzen oder die entsprechenden administrativen oder gerichtlichen Schritte einzuleiten. Die Bankenkommission hält dafür, dass sie die in dieser Bestimmung vorgesehenen Massnahmen auch schon dann ergreifen könne, wenn sie von Missständen nicht durch die Revisionsstelle, sondern von anderer Seite oder auf Grund eigener Wahrnehmungen Kenntnis erhalten hat (a.M. URECH, a.a.O. S. 85). Es kann indessen offen gelassen werden, wie es sich damit verhält; denn auf jeden Fall muss die Bankenkommission sich an das Verfahren halten, das ihr Art. 23 Abs. 3 lit. 1 für die Behebung der ihr bekannt gewordenen Missstände vorschreibt.
| 15 |
Es mag ferner dahingestellt bleiben, ob die Ernennung eines fachlich oder charakterlich ungeeigneten Bankleiters an sich schon als Missstand im Sinne des Gesetzes betrachtet werden kann, wie die Bankenkommission annimmt, oder ob unter Missständen nicht lediglich bestimmte Vorkommnisse oder organisatorisches Ungenügen, die im Laufe des Bankbetriebes auftreten, zu verstehen sind. Auch wenn der Bankenkommission in dieser Beziehung beizupflichten wäre, stände ihr doch kein Mittel zur Verfügung, um unmittelbar die Entfernung des ungeeigneten Bankleiters zu erreichen oder gar die Schliessung der Bank zu erzwingen. Die Kommission müsste der Bank zuerst Frist zur Behebung des Missstandes ansetzen oder administrative oder gerichtliche Schritte gegen sie einleiten. Als Sanktion für die Nichtbefolgung der Weisung, den Missstand zu beheben, käme einzig die Bestrafung nach Art. 46 Abs. 1 lit. m oder allenfalls die Ausfällung einer Ordnungsbusse nach Art. 51 des Bankengesetzes in Frage.
| 16 |
Kann also die Bankenkommission nicht unverzüglich nach der Gründung einen ihr als ungeeignet erscheinenden Bankleiter aus eigener Kompetenz entfernen lassen, sondern hat sie dafür ein bestimmtes Verfahren einzuschlagen, so ist es nicht sinnwidrig und gegen Art. 23 des Bankengesetzes verstossend, einen solchen Leiter vorerst zuzulassen, selbst wenn die Bankenkommission der Ansicht ist, dass sie seine Geschäftsführung alsbald werde beanstanden müssen, weil sie die Interessen der Gläubiger gefährde. Es ist deshalb nicht zulässig, einer Bank, welche die formellen Bedingungen von Art. 3 Abs. 1 und 2 des Bankengesetzes erfüllt, den Ausweis nach Art. 8 der Vollziehungsverordnung solange zu verweigern, als sie nicht eine die Bankenkommission zufriedenstellende Besetzung der Direktion vorgesehen hat.
| 17 |
Gewiss ist es verständlich, dass die Bankenkommission ungeeignete Persönlichkeiten von Anfang an von leitenden Tätigkeiten im Bankgewerbe fernhalten will, doch stellt ihr das geltende Recht hiefür das Verfahren, in dem über die Anerkennung der Organisation einer Bank zu entscheiden ist, nicht zur Verfügung. Solange das Gesetz nicht geändert ist, muss die Bankenkommission sich mit den ihr zur Zeit zu Gebote stehenden Behelfen begnügen und z.B. durch Anordnung ausserordentlicher Revisionen (Art. 23 Abs. 3 lit. i Bankengesetz) Missstände rechtzeitig zu erfassen versuchen.
| 18 |
19 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |