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8. Urteil vom 5. Februar 1969 i.S. Zweckverband der Abwasserregion Solothurn-Emmen gegen Gemeinde Oekingen und Mitbeteiligte sowie Regierungsrat des Kantons Solothurn. | |
Regeste |
Gemeindeverbände. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. |
Beschwerde des zur gemeinsamen Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe gegründeten Verbands von Gemeinden (Zweckverband) gegen einen von der kantonalen Aufsichtsbehörde über die Gemeinden gefällten Entscheid. |
- Legitimation des Zweckverbands zur Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV? (Erw. 2). |
- Legitimation zur Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie nur dann, wenn dem Zweckverband nach der KV oder nach der kantonalen Gemeindegesetzgebung Autonomie zukommt, was im Kanton Solothurn nicht der Fall ist (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
1 | |
Der staatlichen Organisation unterliegen die Einwohnergemeinden, Bürgergemeinden und Kirchgemeinden.
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Art. 54:
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Die Gemeinden ordnen innerhalb der Schranken der Verfassung und der Gesetze ihre Angelegenheiten selbständig".
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Das Gemeindegesetz vom 27. März 1949 (GG) befasst sich im ersten Titel mit "Arten, Gebiet und Aufgaben der Gemeinden". § 1 mit dem Randtitel "Arten" bestimmt:
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"Gemeinden im Sinne dieses Gesetzes sind die Einwohnergemeinden, die Bürgergemeinden und die Kirchgemeinden".
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Die §§ 2-9 enthalten Bestimmungen über das Gebiet und die Aufgaben der in § 1 genannten Gemeinden. Im Anschluss daran bestimmt § 10 mit dem Randtitel "Zweckverbände der Gemeinden":
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"Gemeinden, die besondere Aufgaben gemeinsam erfüllen wollen, können sich zu einem öffentlich-rechtlichen Zweckverband zusammenschliessen oder eine gemeinsame Anstalt gründen.
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Organisationsstatut und Reglemente des Zweckverbandes müssen von jeder der beteiligten Gemeinden wie alle andern Gemeindereglemente behandelt und beschlossen werden. Dabei finden die entsprechenden Bestimmungen dieses Gesetzes Anwendung.
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Wenn eine Einigung über das Statut oder ein Reglement durch die angeschlossenen Gemeinden nicht erfolgt, wird ein Schiedsgericht bestellt...
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Das von allen beteiligten Gemeinden eines Zweckverbandes angenommene Organisationsstatut muss vom Regierungsrat genehmigt werden. Er kann die Genehmigung verweigern, wenn die Vorschriften des Statuts über den Austritt und die Haftung keinen genügenden Schutz des Verbandszweckes und des Verbandsvermögens gewährleisten.
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Der Regierungsrat löst einen Zweckverband oder eine Anstalt auf, wenn der Zweck unerreichbar geworden ist, oder wenn seine Verfolgung vom Staat unmittelbar übernommen wird".
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Die Zweckverbände unterstehen der Aufsicht des Regierungsrates. Nach § 223 Abs. 3 GG besteht das in Abs. 1 gegen Beschlüsse der Gemeindeversammlungen und Gemeindebehörden vorgesehene Recht zur Beschwerde an den Regierungsrat auch gegen die Organe eines Gemeindeverbandes oder einer gemeinsamen Anstalt.
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B.- Im Jahre 1965 gründete die Stadt Solothurn zusammen mit 15 solothurnischen und 4 bernischen Gemeinden ihrer ![]() | 14 |
Der Vorstand liess durch ein Ingenieurbüro bei zwei Solothurner Firmen, der Cellulosefabrik Attisholz AG und der von Roll AG, zwei getrennte Vorprojekte mit approximativen Kostenvorschlägen einholen. Diese Projekte gingen ein und beruhen auf verschiedenen Abwasserreinigungsssytemen. Nachdem der Vorstand ein Gutachten der Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz an der ETH über die beiden Projekte eingeholt und weitere Abklärungen veranlasst hatte, beschloss er am 29. August 1967, der schon vorher auf den 15. September 1967 angesetzten Delegiertenversammlung das Projekt Attisholz als technisch gleichwertig, finanziell jedoch vorteilhafter zur Ausführung vorzuschlagen. Am 13. September 1967 reichte die von Roll AG eine neue Offerte ein, die erhebliche Kosteneinsparungen aufwies. An der Delegiertenversammlung wurde ein Antrag auf Rückweisung der Sache an den Vorstand zur Prüfung dieser neuen Offerte und zur weiteren Abklärung mit 18:16 Stimmen abgewiesen und hierauf das Projekt Attisholz demjenigen der von Roll AG mit 17:15 Stimmen bei 2 Enthaltungen vorgezogen.
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Gegen diesen Beschluss der Delegiertenversammlung reichten 8 der 20 Verbandsgemeinden beim Regierungsrat des Kantons Solothurn Beschwerden ein, mit denen sie im wesentlichen eine Verletzung des § 9 Abs. 3 und 4 der Verbandsstatuten rügten und geltend machten, dass die Vorstandsmitglieder ![]() | 16 |
Der Regierungsrat führte einen doppelten Schriftenwechsel durch und hob hierauf am 7. Juni 1968 den Beschluss der Delegiertenversammlung vom 15. September 1967 auf. Gleichzeitig erteilte er aufgrund seines Aufsichtsrechts (§ 220 GG) dem Zweckverband genaue Weisungen für das Vorgehen bei der Vorbereitung der neuen Beschlussfassung. In den 80 Seiten umfassenden Erwägungen seines Entscheids kommt der Regierungsrat zum Schluss, dass die Vorstandsmitglieder und die Verbandsgemeinden in Missachtung von Bestimmungen der Verbandsstatuten und des GG zu spät und die Delegierten in mehreren wesentlichen Punkten unrichtig informiert worden seien; ferner sei die Nichtberücksichtigung der Offerte von Roll vom 13. September 1967 rechtsungleich und willkürlich gewesen.
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C.- Gegen diesen Beschwerdeentscheid des Regierungsrates hat der Zweckverband der Abwasserregion Solothurn-Emme staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er beantragt, den angefochtenen Entscheid wegen Willkür (Art. 4 BV) und Verletzung der Gemeindeautonomie (Art. 54 KV) aufzuheben. In der Begründung wird geltend gemacht, dass der Zweckverband eine Gemeinde im Sinne des GG sei und dass die Aufsichtsbefugnisse des Regierungsrates gegenüber dem Zweckverband in gleicher Weise beschränkt seien wie gegenüber einer Gemeinde (§ 223 Abs. 1 GG). Auf dem Gebiete der Abwasserreinigung, das zu ihrem eigenen Wirkungskreis gehöre, hätten die Gemeinden eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit, seien sie also autonom. Der angefochtene Entscheid beruhe auf groben Verletzungen fundamentaler Verfahrensnormen, namentlich des Anspruchs auf rechtliches Gehör, und enthalte willkürliche Rechts- und Ermessenskontrollen (wird näher ausgeführt).
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D.- Der Regierungsrat des Kantons Solothurn beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. Er bestreitet die Legitimation des Zweckverbands, und zwar vor allem deshalb, weil dieser keine Gemeinde sei und daher auch keine verfassungsrechtlich geschützte Autonomie besitze. Von den 8 Verbandsgemeinden, deren Beschwerden der Regierungsrat mit dem angefochtenen Entscheid gutgeheissen ![]() | 19 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Im vorliegenden Falle ist klar, dass die erste dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist. Der Regierungsrat hat den angefochtenen Entscheid in seiner Eigenschaft als Beschwerde- und Aufsichtsbehörde gefällt. Er hat damit einen Beschluss eines Organs des Zweckverbands wegen Verletzung von Bestimmungen des GG und der ebenfalls dem öffentlichen Recht angehörenden Statuten des Zweckverbandes aufgehoben. Dieser Beschluss bezog sich auf die Erfüllung einer den beteiligten Gemeinden obliegenden, von ihnen dem Zweckverband übertragenen öffentlichen Aufgabe und wurde von einigen dieser Gemeinden beim Regierungsrat angefochten. Dessen Entscheid trifft daher den Zweckverband rechtlich nicht wie eine Privatperson, sondern in seiner Eigenschaft als öffentlichrechtlicher und mit einer öffentlichen Aufgabe betrauter Verband. Daraus ![]() | 21 |
Die grundlegenden Vorschriften des § 10 GG über die Zweckverbände stehen im Abschnitt "Arten, Gebiet und Aufgaben der Gemeinden". § 1 GG, der von den "Arten" handelt, erwähnt jedoch nur die in Art. 52 KV genannten Gemeinden. Der Beschwerdeführer behauptet freilich, nach konstanter Praxis des Regierungsrates werde der Zweckverband als besondere Gemeindeart anerkannt, doch bleibt er den Beweis dieser Behauptung schuldig. Vollends enthält das GG keine Anhaltspunkte dafür, dass den Zweckverbänden im Sinne des § 10 die den Gemeinden in Art. 54 KV gewährleistete Autonomie zukäme. Dass die Zweckverbände wie die Gemeinden der Aufsicht des Regierungsrates unterstehen, spricht nicht für ihre Gleichstellung mit den Gemeinden und noch weniger für ihre Autonomie, sondern ist selbstverständlich, da die Bildung von Zweckverbänden und die Übertragung von Gemeindeaufgaben an sie den Gemeinden nicht dazu verhelfen kann, sich in bezug auf die Erfüllung dieser Aufgaben der Staatsaufsicht zu entziehen. Die Bestimmung, wonach der Regierungsrat einen Zweckverband auflöst, wenn die Verfolgung seines Zweckes vom Staate unmittelbar übernommen wird (§ 10 Abs. 5 GG), dürfte eher gegen die Autonomie der Zweckverbände sprechen, hat jedoch keine entscheidende Bedeutung, da die Verfolgung ![]() | 22 |
Dem Zweckverband neben den an ihm beteiligten Gemeinden ohne dahingehende kantonale Vorschrift eine Autonomie zuzuerkennen, deren Verletzung mit staatsrechtlicher Beschwerde ![]() | 23 |
Ist demnach eine verfassungsmässig geschützte Autonomie des Zweckverbands im Sinne des § 10 GG zu verneinen, so ist der Beschwerdeführer zur vorliegenden Beschwerde auch insoweit nicht legitimiert, als er eine Verletzung der in Art. 54 KV gewährleisteten Gemeindeautonomie geltend macht.
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4. Inwieweit die am Zweckverband beteiligten Gemeinden selber zu dieser Rüge legitimiert gewesen wären, kann dahingestellt bleiben. Die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde wird ausschliesslich vom Zweckverband und weder ausdrücklich noch dem Sinne nach auch im Namen einzelner Gemeinden erhoben. Sie kann auch nicht als Beschwerde aller beteiligten Gemeinden gelten, denn sie richtet sich ausser gegen den Regierungsrat gegen die 8 Gemeinden, deren Beschwerden gegen den Zweckverband zum angefochtenen Entscheid führten. Der Beschwerde wäre übrigens auch dann kein Erfolg beschieden, wenn neben dem Zweckverband oder statt seiner sich einzelne Gemeinden wegen Verletzung der Gemeindeautonomie ![]() | 25 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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