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10. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Januar 1969 in Sachen Jacques Diserens AG und Jacques Diserens gegen Philipp Brothers Italia S.p.A., Compagnie des Hauts Fourneaux de Chasse und Direktion der Justiz des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Art. 51 HRegV. Voraussetzung zur Löschung einer Aktiengesellschaft wegen Verlegung des Sitzes in das Ausland (Erw. 1). |
Die Wiedereintragung in das schweizerische Handelsregister erfolgt mit Wirkung auf den Zeitpunkt der ungerechtfertigten Löschung (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
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Nachdem der Cie. Chasse in der Folge in der Person des Rechtsanwaltes Guillaud in Vienne wegen Zahlungsschwierigkeiten ein gerichtlicher Verwalter (administrateur au règlement judiciaire) bestellt worden war, verkaufte die Jacques Diserens AG ca 5000 t durch die Cie. Chasse erzeugtes Hämatiteisen an die Philipp Brothers Italia S.p.A. in Mailand und versprach ihr, es vom März bis August 1966 nach den Weisungen der Käuferin zu versenden. Die von der Philipp Brothers AG Zug als Vertreterin der Käuferin verfasste Vertragsbestätigung vom 6. März 1966, die von der Jacques Diserens AG am 9. März 1966 unterschrieben wurde, sagte unter den besonderen Vertragsbestimmungen, die Verkäuferin werde der Käuferin eine von Rechtsanwalt Guillaud unterzeichnete Bestätigung verschaffen, wonach die vertragliche Ware der Käuferin gemäss Weisungen der Philipp Brothers AG Zug ausgeliefert werde.
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2. Im April 1966 begann die Jacques Diserens AG der Cie. Chasse vorzuwerfen, sie habe vom März 1966 an auf Anraten Guillauds die Lieferungen eingestellt und damit den Vertrag ![]() | 3 |
3. Mit Schreiben vom 19. Mai 1966 an die Jacques Diserens AG nahm die Philipp Brothers AG Zug auf die Schwierigkeiten in der Abwicklung des Vertrages vom 6./9. März 1966 Bezug. Sie legte dem Schreiben eine vom gleichen Tag datierte Vertragsbestätigung bei. Diese lautete fast gleich wie jene vom 6./9. März 1966. Die Versendung der Ware sollte darnach im Juni 1966 beginnen.
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In der Folge erklärten Marcel Diserens und Guillaud, die Cie. de Chasse könne sich wegen Einstellung der Erzeugung auf Ende Juli 1966 nicht fest verpflichten, die ganze Menge von 5000 t zu versenden.
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Am 2. Juni 1966 unterschrieb die Jacques Diserens AG die von der Philipp Brothers AG Zug ausgestellte neue Vertragsbestätigung vom 19. Mai 1966.
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4. In einer ausserordentlichen Generalversammlung (Universalversammlung) der Jacques Diserens AG vom 20. Februar 1967 beschloss Jacques Diserens als Inhaber des Zertifikates über alle Aktien, diese Gesellschaft unter Änderung ihrer Statuten und Verlegung des Sitzes nach Vaduz in eine Anstalt mit dem Namen Metallinvest Anstalt umzuwandeln, deren oberstes Organ die Anstalt Domar Vaduz als Inhaberin der Gründerrechte sei und deren Verwaltungsrat aus Jacques Diserens sowie Rechtsanwalt Dr. Marxer und Rechtsberater Goop in Vaduz bestehe.
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Am 21. März 1967 wurde die Metallinvest Anstalt in das Handelsregister des Fürstentums Liechtenstein eingetragen.
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Am 26. Juni 1967 liess die Philipp Brothers Italia S.p.A. der Jacques Diserens AG schreiben, sie habe von den 5000 t Eisen gemäss Vertrag vom 6. März 1966 nur 1013,9 t erhalten. Sie habe die Jacques Diserens AG erfolglos mehrfach ersucht ![]() | 9 |
Am 11. Juli 1967 trug das Handelsregisteramt des Kantons Zürich auf Begehren der Jacques Diserens AG was folgt in das Handelsregister ein:
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"... Diese Aktiengesellschaft, deren Gläubiger befriedigt sind, wird im Handelsregister des Kantons Zürich gelöscht, nachdem sie laut Eintragung im Öffentlichkeitsregister des Fürstentums Liechtenstein vom 21. März 1967 den Sitz nach Vaduz verlegt und sich dabei in eine Anstalt umgewandelt hat, die die Firma 'Metallinvest Anstalt' führt."
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Am 30. September 1967 erklärte Jacques Diserens dem Verwaltungsrat der Metallinvest Anstalt, er lege mit sofortiger Wirkung sein Mandat als Mitglied dieses Organs nieder. Er wurde am 11. Oktober 1967 vom Handelsregisteramt des Fürstentums Liechtenstein als Mitglied des Verwaltungsrates gelöscht.
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B.- Mit Eingaben vom 15. November bzw. 1. Dezember 1967 an das Handelsregisteramt des Kantons Zürich verlangten die Philipp Brothers Italia S.p.A. und die Cie. Chasse die Wiedereintragung der Jacques Diserens AG in das Handelsregister. Nach wiederholtem Schriftenwechsel forderte das Handelsregisteramt Jacques Diserens am 30. April 1968 auf, die Jacques Diserens AG zur Wiedereintragung anzumelden.
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Jacques Diserens liess am 4. Juni 1968 antworten, die Antragsteller würden durch die Verlegung des Sitzes der Gesellschaft und deren Umwandlung in eine Anstalt nicht benachteiligt und hätten zudem ihre Forderungen nicht genügend glaubhaft gemacht. Für den Fall der Wiedereintragung stellte Diserens den Antrag, die Gesellschaft sei unter der Firma Metallinvest AG einzutragen und es sei ihr nach einer Anfrage an Marxer und Goop, ob sie Verwaltungsräte bleiben wollten, Frist zur Bezeichnung der Verwaltungsratsmitglieder anzusetzen.
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Die Direktion der Justiz des Kantons Zürich, der die Angelegenheit gemäss Art. 60 Abs. 2 HRegV überwiesen wurde, wies das Handelsregisteramt am 23. August 1968 an, von Amtes wegen was folgt einzutragen:
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C.- Gegen diese am 29. August 1968 eröffnete Verfügung führen die Jacques Diserens AG und Jacques Diserens persönlich mit Eingaben vom 9. und 27. September 1968 Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie beantragen dem Bundesgericht, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben, eventuell seien als Firma der Name "Metallinvest AG" und als Verwaltungsratsmitglieder nur Dr. Marxer und Goop einzutragen und es sei der Gesellschaft zur Ergänzung oder Abänderung des Verwaltungsrates eine angemessene Frist anzusetzen.
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Die Direktion der Justiz beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Auch die Philipp Brothers Italia S.p.A. und die Cie. Chasse halten die Wiedereintragung der Jacques Diserens AG für gerechtfertigt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Während Art. 14 der Schluss- und Übergangsbestimmungen zu den revidierten Titeln XXIV bis XXXIII des OR vorsieht, dass eine Aktiengesellschaft ihren Sitz mit Bewilligung des Bundesrates ohne Liquidation und ohne Neugründung vom Ausland in die Schweiz verlegen könne, ist der Fall der Sitzverlegung von der Schweiz in das Ausland im Gesetz nicht geregelt. Es besteht über diesen Fall nur Art. 51 HRegV, der in Ausführung der Art. 929 und 936 OR erlassen wurde. Darnach hat eine Firma, die sich wegen Verlegung des Sitzes in das Ausland im Handelsregister löschen lassen will, nachzuweisen, dass sie am neuen Wohnsitz zu Recht besteht und, wenn dort ein Handelsregister geführt wird, sich in dieses hat eintragen lassen (Abs. 1). Gesellschaften können wegen Verlegung ![]() | 19 |
2. Die Erklärung, die Art. 51 Abs. 2 HRegV als Voraussetzung der Löschung bei Sitzverlegung ins Ausland verlangt, muss entweder dahin lauten, die Gläubiger seien befriedigt worden, oder dahin, sie hätten sich mit der Löschung einverstanden erklärt. Da alle Eintragungen in das Handelsregister wahr sein müssen (Art. 38 Abs. 1 HRegV), hat die Erklärung mit den Tatsachen übereinzustimmen. Erkennt der Handelsregisterführer, dass ihr Inhalt unrichtig ist, so darf er die Gesellschaft nicht löschen. Der Zweck des Art. 51 Abs. 2 HRegV, die Gläubiger zu schützen (BLOCH, SJZ 48 246), wäre sonst vereitelt. Deshalb führt auch HIS unter N. 120 zu Art. 934 OR aus, Art. 51 Abs. 2 HRegV verlange, dass die Gläubiger befriedigt oder mit der Löschung einverstanden seien. Erfolgt die Löschung, obschon noch ein Gläubiger besteht, der sich mit ihr nicht einverstanden erklärt hat, so ist sie ungerechtfertigt und muss gemäss Art. 38 Abs. 2 HRegV in dem in Art. 60 HRegV vorgesehenen Verfahren aufgehoben werden, d.h. die Gesellschaft ist wieder in das Handelsregister einzutragen. Es verhält sich sinngemäss gleich wie in den Fällen, in denen eine Gesellschaft als liquidiert gelöscht wurde und sich nachträglich herausstellt, dass noch verwertbare Aktiven vorhanden ![]() | 20 |
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Dieser hat die Voraussetzungen der Wiedereintragung, besonders den Bestand der behaupteten Forderung, nur glaubhaft zu machen (BGE 57 I 42,BGE 60 I 29,BGE 64 I 335,BGE 78 I 454, BGE 87 I 303). Denn es ist grundsätzlich nicht Sache der Handelsregisterbehörden und des Verwaltungsgerichtes, über die materiellrechtlichen Voraussetzungen einer Eintragung oder Löschung abschliessend zu entscheiden. Hierüber urteilt im Streitfalle der Zivilrichter. Die Handelsregisterbehörden haben besonders in Fällen, in denen ein Rechtsverhältnis von einer Eintragung abhängt, seine Entstehung oder Wiederentstehung nicht durch Ablehnung der Eintragung zu verhindern, wenn nicht offensichtlich ist, dass es vor dem materiellen Zivilrecht nicht standhält (BGE 86 I 107 und dort zitierte Urteile, ferner BGE 91 I 362). Namentlich ist den Registerbehörden in nicht offensichtlich klaren Fällen nicht gestattet, durch Ablehnung der Wiedereintragung einer Gesellschaft die Frage, ob die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Verlegung ihres Sitzes ins Ausland erfüllt waren, vorweg zu entscheiden und damit dem Gläubiger, der mit der Gesellschaft im Vertrauen auf ihren schweizerischen Sitz ein Schuldverhältnis einging, die gerichtliche und vollstreckungsrechtliche Belangung in der Schweiz zu verunmöglichen. Beharrt die wiedereingetragene Gesellschaft darauf, dass sie ihren Sitz gültig ins Ausland verlegt habe, so kann sie ihre Auffassung auch vor dem Zivilrichter noch vertreten. Zu bedenken ist auch, dass die Gesellschaft vom Zeitpunkt an, da sie ihren Sitz gültig ins Ausland verlegt, dem schweizerischen Recht, z.B. den Vorschriften über die Haftung aus Geschäftsführung, Kontrolle und Liquidation (Art. 754 ff., 827, 916 ff. OR), nicht mehr untersteht. Die Handelsregisterbehörden dürfen die Auswanderung der Gesellschaft nicht dadurch decken, dass sie ![]() | 22 |
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Das erwähnte Abkommen wurde am 28. April 1968 abgeschlossen, und die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend seine Genehmigung datiert vom 13. November 1968 (BBl 1968 II 693 ff.). Indem die angefochtene Verfügung vom 23. August 1968 diesem Abkommen nicht Rechnung trägt, verletzt sie nicht Bundesrecht. Es kann ihm auch heute nicht Rechnung getragen werden, da es noch nicht ratifiziert ist.
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Zum mindesten kann nicht gesagt werden, es sei offensichtlich, dass die Beschwerdegegner nicht benachteiligt würden, wenn sie die Vollstreckung statt in Zürich in Liechtenstein verlangen müssten. Der Missbrauch des Rechtes, den ihnen die Beschwerdeführer vorwerfen, ist daher auf keinen Fall "offenbar" im Sinne des Art. 2 Abs. 2 ZGB.
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Das Hauptbegehren der Beschwerde ist somit abzuweisen.
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Mit dieser Auffassung setzen die Beschwerdeführer voraus, die Änderungen, welche die Jacques Diserens AG nach der ![]() | 30 |
Die Beschwerdeführer wenden ein, wenn bei der Wiedereintragung die von ihnen beanspruchten Änderungen in bezug auf Firma und Verwaltungsrat nicht anerkannt würden, wäre groteskerweise ein und dieselbe juristische Person mit ein und denselben Rechten und Pflichten formalrechtlich aufgeteilt in zwei Personen, die nicht den gleichen Namen führen würden und nicht von den gleichen Verwaltungsräten vertreten wären. Damit verkennen sie indessen, dass diese Lage nur eintritt, wenn das Fürstentum Liechtenstein die Sitzverlegung nach Vaduz weiterhin als gültig erachtet, obschon ihre Voraussetzungen nach schweizerischem Recht nicht erfüllt waren. Dass das Fürstentum die "Metallinvest Anstalt" mit Sitz in Vaduz weiterhin anerkennen wird, versuchen die Beschwerdeführer jedoch nicht nachzuweisen. Wie dem auch sei, ist es jedenfalls nicht Sache der schweizerischen Behörden, wegen der allfälligen Stellungnahme des Fürstentums Liechtenstein zum Nachteil ![]() | 31 |
Die Verfügung der Justizdirektion hält somit auch insoweit vor dem Gesetze stand, als sie die Gesellschaft als "Jacques Diserens AG, Zürich" und mit Jacques Diserens als einzigem und einzelzeichnungsberechtigtem Verwaltungsrat eingetragen wissen will. Wenn der Gesellschaft diese Firma und dieser Verwaltungsrat nicht mehr behagen, kann sie unter Beachtung der Bestimmungen des schweizerischen Rechtes die Abänderung der Firma und die Neubestellung des Verwaltungsrates beschliessen und hierauf den Handelsregistereintrag entsprechend abändern lassen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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