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16. Urteil vom 12. März 1969 i.S. Mayer gegen Mayer und Regierungsrat des Kantons St. Gallen | |
Regeste |
Kantonales Verwaltungsverfahren. Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. |
- gegen die Anordnung der Schätzung ein kantonales Rechtsmittel, das dem von einer Verfügung "Betroffenen" zusteht, zu ergreifen und damit die Zulässigkeit der Schätzung und die Zuständigkeit der sie anordnenden Behörde zu bestreiten (Erw. 3) |
- gegen die Weigerung der kantonalen Rechtsmittelinstanz, auf das Rechtsmittel einzutreten, staatsrechtliche Beschwerde zu erheben (Erw. 2). |
Anwendungslereich des in Art. 618 ZGB vorgesehenen Schatzungsverfahrens (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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Am 17. Oktober 1965 starb der unbeschränkt haftende Gesellschafter Oskar Mayer. Als Erben hinterliess er die Ehefrau und zwei minderjährige Söhne.
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Am 25. Mai 1968 stellten diese Erben beim Bezirksamt Untertoggenburg gestützt auf § 7 st. gall. EG/ZGB das Begehren, es seien im Sinne des Art. 618 ZGB ein oder mehrere Sachverständige zu bestellen, um den Wert der der Firma Mayer & Cie gehörenden Liegenschaften im Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu schätzen. In der Begründung des Gesuchs wurde auf die Bestimmungen verwiesen, die der Gesellschaftsvertrag für den Fall des Todes eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters enthält, und ausgeführt, dass sich ![]() | 3 |
Der Bezirksammann gab dem Begehren statt und erliess am 27. Juni 1968 in Sachen Erben des Oskar Mayer gegen Willy Mayer und Witwe Marie Mayer eine Verfügung, in der er - zur Festsetzung des Verkehrswertes der Liegenschaften zur Zeit des Ablebens des Oskar Mayer das amtliche Schatzungsverfahren gemäss Art. 618 ZGB anordnete (Disp. 1),
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- zwei Sachverständige bestimmte (Disp. 2), und
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- den Termin für die Experteninstruktion festsetzte und dazu die Parteivertreter (d.h. den Anwalt der Erben Oskar Mayer und denjenigen des Willy Mayer und der Witwe Marie Mayer) sowie die Sachverständigen einlud (Disp. 3).
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Willy Mayer und Witwe Marie Mayer rekurrierten gegen diese Verfügung an den Regierungsrat des Kantons St. Gallen mit dem Antrag, sie aufzuheben. Zur Begründung machten sie im wesentlichen geltend: Für die Auseinandersetzung beim Tod eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters seien nach dem Gesellschaftsvertrag die bestehenden amtlichen Verkehrswertschatzungen massgebend. Einer neuen Schatzung bedürfe es daher nicht. Eine Schatzung gemäss Art. 618 ZGB komme nicht in Frage, weil die Liegenschaften, deren Bewertung verlangt werde, gar nicht zur Erbmasse gehörten; Gegenstand des Nachlasses sei bloss ein Anteil am Ergebnis der Liquidation der Kommanditgesellschaft, über dessen Bewertung nach den Vorschriften des OR und des Gesellschaftsvertrages zu entscheiden sei, und zwar durch den ordentlichen Richter. Für ein Verfahren im Sinne des Art. 618 ZGB sei überhaupt kein Raum.
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Der Regierungsrat wies den Rekurs am 9. Oktober 1968 ab, soweit er darauf eintrat, und auferlegte den Rekurrenten eine Entscheidgebühr von Fr. 150.--. Zur Begründung seines Entscheids führte er im wesentlichen aus: Bestandteil des Nachlasses Oskar Mayer sei dessen Beteiligung an der Kommanditgesellschaft Mayer & Cie. Über den Anrechnungswert der dieser Firma gehörenden Liegenschaften, die gegebenenfalls - je nach dem Ausgang des (vom ordentlichen Richter zu beurteilenden) Streites zwischen der Erbengemeinschaft und dem überlebenden Gesellschafter Willy Mayer über den Gesellschaftsvertrag - Bestandteil des Nachlasses würden, könnten sich die Erben Oskar Mayer nicht verständigen. Im Verfahren nach Art. 618 ZGB vor dem Bezirksammann seien demnach nur ![]() | 8 |
B.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellen Willy Mayer und Witwe Marie Mayer den Antrag, der Rekursentscheid des Regierungsrates vom 9. Oktober 1968 sei in den Punkten 1 und 3 (Abweisung des Rekurses und Auferlegung von Kosten), die Verfügung des Bezirksamts Untertoggenburg vom 27. Juni 1968 in allen Punkten aufzuheben. Als Beschwerdegründe machen sie Willkür, Verletzung der Eigentumsgarantie und Unzuständigkeit der kantonalen Behörden geltend. Die Begründung dieser Rügen ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen.
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C.- Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen hat auf Vernehmlassung zur Beschwerde verzichtet. Die Erben des Oskar Mayer beantragen Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Beschwerdeführer beantragen neben der Aufhebung der sie beschwerenden Teile des regierungsrätlichen Entscheids auch die Aufhebung der Verfügung des Bezirksammanns in allen Punkten, d.h. der Ziff. 1-3 des Dispositivs. Der Regierungsrat ist auf den Rekurs der Beschwerdeführer insoweit nicht eingetreten, als er sich gegen die Ziff. 1 und 2 der bezirksamtlichen Verfügung richtete. In dieser Beziehung kann sich daher die staatsrechtliche Beschwerde nur gegen den Nichteintretensentscheid des Regierungsrates richten, nicht gegen die ![]() | 11 |
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Die Erben des Oskar Mayer verlangten beim Bezirksamt, der Anrechnungswert der Liegenschaften der Kommanditgesellschaft Mayer & Cie sei im Sinne des Art. 618 ZGB durch Sachverständige zu ermitteln. Eine solche Schätzung hat, wie der Regierungsrat zutreffend festgestellt hat, nur für die Erben Wirkung und ist für Dritte nicht massgebend. Die vom Bezirksamt angeordnete Schatzung ist deshalb für den Entscheid darüber, wie die Liegenschaften der Kommanditgesellschaft Mayer & Cie bei Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses zu bewerten sind, bedeutungslos und kann an sich die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nicht beeinträchtigen. Fragen kann sich nur, ob die Durchführung der Schatzung rechtlich geschützte Interessen der Beschwerdeführer verletze. Sie machen dies geltend mit der Begründung, sie müssten die Liegenschaften zur Schatzung zur Verfügung halten, d.h. den bestellten Sachverständigen Zutritt zu ihnen gewähren, wozu nach Art. 618 ZGB nur Erben verpflichtet seien.
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Die fraglichen Liegenschaften sind Teil des Geschäftsvermögens der Kommanditgesellschaft Mayer & Cie und als solches Gesamteigentum der Beschwerdeführer und der Erben des verstorbenen Komplementärs Oskar Mayer. Diesen Erben steht zur Wahrung ihrer Liquidationsinteressen freilich ein Kontrollrecht zu, das auch den Zutritt zu den Geschäftsräumen und Wohnhäusern der Gesellschaft umfasst (SIEGWART N. 2/3 zu Art. 541 OR, HARTMANN, N. 16 zu Art. 557 OR).
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a) Gegen Verfügungen, die der Bezirksammann aufgrund von Art. 7 EG/ZGB erlässt, ist nach Art. 11 EG/ZGB der Rekurs an den Regierungsrat zulässig. Wer hiezu legitimiert ist, bestimmt sich nach kantonalem Recht. Der Regierungsrat spricht den Beschwerdeführern die Legitimation ab, weil sie aus der angeordneten Schatzung weder Vor- noch Nachteile zu erwarten hätten und daher durch die Ziff. 1 und 2 der bezirksamtlichen Verfügung nicht "betroffen" seien. Dass die Schatzung als solche die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nicht berührt, wurde bereits ausgeführt. Sie haben indessen in ihrer Eigenschaft als Gesamteigentümer der fraglichen Liegenschaften amtlichen Experten den Zutritt zu gestatten. Dass ein Gesamteigentümer bei Vorliegen einer solchen Beschwer nicht als durch die angefochtene Verfügung "betroffen" zu gelten hätte, behauptet der Regierungsrat nicht. Nach den Ausführungen GULDENERS (Grundzüge der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Schweiz S. 80), auf die sich der Regierungsrat in ![]() | 17 |
b) Soweit sich der Rekurs gegen Ziff. 3 dieser Verfügung richtete, ist der Regierungsrat auf ihn eingetreten, hat ihn aber abgewiesen. Die in Ziff. 3 enthaltene Anordnung, Einladung der Sachverständigen und der Parteivertreter zur Experteninstruktion, ist jedoch vom Hauptentscheid, ob eine Schatzung nach Art. 618 ZGB anzuordnen ist, abhängig und kann für sich allein nicht bestehen bleiben. Der angefochtene Entscheid des Regierungsrates ist daher in vollem Umfange wegen Verletzung des Art. 4 BV aufzuheben. Bei diesem Ausgang des Verfahrens braucht nicht geprüft zu werden, ob die von den Beschwerdeführern erhobenen weiteren Rügen der Verletzung der Eigentumsgarantie und der Unzuständigkeit der kantonalen Behörden begründet wären.
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4. Der Regierungsrat wird bei der Neubeurteilung des Rekurses zu berücksichtigen haben, dass Art. 618 ZGB nach der Rechtslehre nur für die Erbteilung, nicht für die Auflösung anderer Gemeinschaften als der Erbengemeinschaft gilt (TUOR/PICENONI N. 7 zu Art. 617 ZGB) und dass das dort vorgesehene Schatzungsverfahren nachBGE 66 II 241sogar nur Platz greift, wenn ein Erbe die Zuweisung einer Liegenschaft aufgrund eines ihm den Miterben gegenüber zustehenden Vorrechts ![]() | 19 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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