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35. Auszug aus dem Urteil vom 19. März 1969 i.S. Weder gegen Thurgau, Kanton und Regierungsrat. | |
Regeste |
Nutzung öffentlicher Gewässer. |
Gewaltentrennung. Gebühren. |
Das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage gilt nicht nur für Verwaltungsgebühren, sondern auch für Konzessions- oder Nutzungsgebühren (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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§ 2. Bauten und Anlagen, welche auf die Höhe des Wasserstandes, den Lauf der Gewässer oder die Sicherheit der Ufer und des Bettes Einfluss haben, oder die bestehenden Uferlinien verändern, dürfen nur mit Bewilligung des Regierungsrates ausgeführt werden.
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§ 4. Wer ein Wasserwerk neu errichten, eine Stauvorrichtung in einem öffentlichen Gewässer anbringen oder von demselben Wasser ableiten will, hat auf dem Bauplatz den Ort der Auffassung des Wassers sowie die Höhe der Schwellung auszustecken, Plan und Baubeschrieb beim Gemeindeammann einzugeben und durch letzteren die beabsichtigte Baute in den öffentlichen Blättern auskünden zu lassen; sodann, wenn alle Privateinsprachen gegen dieselbe beseitigt sind, sich beim Regierungsrat um die Konzession zu bewerben.
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Am 9. Dezember 1946 erliess der Regierungsrat des Kantons Thurgau eine Vollziehungsverordnung (VV) zum GKG, die u.a. folgende Bestimmungen enthält:
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§ 3 Abs. 1: Der Regierungsrat ordnet die Nutzung dieser öffentlichen Wasservorkommen und setzt auch die Bedingungen fest, unter denen Grundstücke, welche dauernd oder vorübergehend ganz oder teilweise vom öffentlichen Gewässer überflutet sind, für Bauten und Anlagen aller Art in Anspruch genommen werden können.
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§ 5 Abs. 1: Zur Nutzung von Wasser aus öffentlichen Seen, Flüssen, Bächen, Grundwasserströmen und Grundwasserbecken in einer über den Gemeingebrauch hinausgehenden Weise ist eine Verleihung (Konzession) des Regierungsrates gemäss § 4 des Gesetzes erforderlich.
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§ 18 VV, der vom Grossen Rate am 2. April 1947 genehmigt wurde, bestimmt, dass für die Verleihung von Wasserrechten, Konzessionen und Bewilligungen eine Verleihungsgebühr zu entrichten ist, und setzt diese Gebühren für die Wasserkraftnutzungsrechte und für die Nutzung von Grundwasser fest.
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B.- Im Frühjahr 1963 kaufte der Beschwerdeführer Adolf Weder die 2106 m2 haltende Parzelle Nr. 2165 in der Gemeinde Egnach. Es handelt sich um ein längliches, unregelmässig geformtes Grundstück, das sich in abnehmender Breite von Süden nach Norden bis zur Mitte der Aach erstreckt und von deren Mündung in den Bodensee etwa 160 m entfernt ist. Auf ![]() | 8 |
Am 20. Januar 1963 kam Weder beim kantonalen Wasserwirtschaftsamt um die Bewilligung ein, auf der Parzelle Nr. 2165 durch Ausbaggerung von ca. 1000 m3 einen Bootshafen zu erstellen; ferner ersuchte er um die Bewilligung zum Bau einer ca. 26 m langen Ufermauer als Anlegeplatz für Boote und um die Konzession "für ev. später zu erstellende 15 Schiffsboxen".
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Der Regierungsrat entschied über dieses Gesuch durch Beschluss vom 23. September 1963, indem er Weder eine Konzession "für die Nutzung von öffentlichem Wasser für den Schiffsbetrieb im Gondelhafen und dem Gewässergebiet (Aach) für die Dauer von 20 Jahren" erteilte (Ziff. 1) und die jährliche Konzessionsgebühr auf Fr. 200.--, zu entrichten durch einmalige Zahlung von Fr. 4000.--, festsetzte (Ziff. 5).
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C.- Am 18. Oktober 1963 stellte Weder beim Regierungsrat ein Wiedererwägungsgesuch mit dem Antrag, Ziff. 1 und 5 des Beschlusses vom 23. September 1963 aufzuheben. In der Folge erstellte er den Bootshafen und am Südende desselben ein Bootshaus.
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Am 9. Juli 1968 hiess der Regierungsrat das Wiedererwägungsgesuch dahin teilweise gut, dass er anordnete, Weder habe für die Dauer der Konzession nach seiner Wahl entweder eine einmalige Gebühr von Fr. 2625.-- oder (vom Jahre 1963 an) eine jährliche Gebühr von Fr. 200.-- zu bezahlen. Den Erwägungen dieses Entscheids ist zu entnehmen: Wenn und soweit ein öffentliches Gewässer privaten Strandboden überdecke, stehe die Wasserfläche über diesem Boden dem Gemeingebrauch offen, so u.a. der Kleinschiffahrt. Die ständige Beanspruchung eines öffentlichen Gewässers durch Stationieren von Booten im Wasser gehe über den Gemeingebrauch hinaus und bedürfe grundsätzlich einer Gebrauchserlaubnis. In diesem Sinne sei Weder konzessionspflichtig. Bei der von ihm erhobenen Konzessionsgebühr handle es sich nicht um eine Steuer, sondern um eine Gebühr für Sondernutzung. Da der Staat nicht verpflichtet sei, eine Konzession zu erteilen, sei er berechtigt, Bedingungen und Auflagen, also auch die Benutzungsgebühren, frei und ohne besondere gesetzliche Grundlage festzusetzen. Die Gebühr sei keineswegs übersetzt, sondern vielmehr äusserst bescheiden, da in der Hafenanlage 12 Boote stationiert werden könnten, die ![]() | 12 |
D.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt Adolf Weder den Antrag, der Wiedererwägungsentscheid des Regierungsrates des Kantons Thurgau vom 9. Juli 1968 sei wegen Verletzung des Art. 4 BV und des § 19 KV (Gewaltentrennung) aufzuheben. Zur Begründung macht er u.a. geltend:
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Da die Parzelle Nr. 2165 im Privateigentum stehe, sei ein Gemeingebrauch am darüber befindlichen Wasser ausgeschlossen und liege darin, dass er dort Boote stationiere, auch kein gesteigerter Gemeingebrauch, gleichgültig ob das Wasser als öffentliches Gewässer zu gelten habe oder nicht. Infolgedessen fehle die Voraussetzung für eine Konzession und damit auch für eine Konzessionsgebühr.
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Selbst wenn man im Stationieren der Boote auf dem Wasser über dem Grundstück des Beschwerdeführers einen gesteigerten Gemeingebrauch erblicken wollte, sei die verlangte Gebühr verfassungswidrig, weil es eindeutig an einer gesetzlichen Grundlage für ihre Erhebung fehle und der Regierungsrat dadurch, dass er in der VV eine solche Gebühr vorsehe, sein Verordnungsrecht überschritten und damit den Grundsatz der Gewaltentrennung sowie Art. 4 BV verletzt habe.
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E.- Der Regierungsrat des Kantons Thurgau beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Im Entscheid vom 23. September 1963 hat der Regierungsrat die streitige Konzession "für die Nutzung von öffentlichem Wasser für den Schiffsbetrieb im Gondelhafen und dem Gewässergebiet (Aach)" erteilt und die Konzessionspflicht in den Erwägungen damit begründet, dass "die Nutzung des Wassers für diesen privaten Gondelhafen aus dem See und dem Aachlauf" zweifellos über den Gemeingebrauch hinausgehe. Aus diesen Wendungen könnte man schliessen, dass der Regierungsrat das Hineinfliessenlassen von Wasser aus der Aach in das auf dem Grundstück des Beschwerdeführers ausgehobene Hafenbecken als konzessionspflichtige Sondernutzung eines öffentlichen Gewässers betrachtete. Aus dem Wiedererwägungsentscheid vom 9. Juli 1968 ergibt sich indes, dass ![]() | 18 |
Der Regierungsrat hat für den Strand des Bodensees bereits im Jahre 1929 den Standpunkt eingenommen, dass, wenn und soweit der See den privaten Strandboden bedecke, sich das öffentliche Gewässer über diesen Boden erstrecke und die Wasserfläche über demselben dann als Teil des öffentlichen Gewässers dem Gemeingebrauch (Kleinschiffahrt, Baden, Fischen usw.) offen stehe. Das Bundesgericht hat dieser Auffassung in BGE 56 I 266 ff. beigepflichtet und festgestellt, dass demnach die Befugnisse des Eigentümers am privaten Strandboden, wenn und soweit dieser vom öffentlichen Gewässer überspült sei, sehr abgeschwächt seien und er dort nichts unternehmen dürfe, was geeignet sei, den Gemeingebrauch zu hindern oder zu stören.
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Nun lässt sich der private Strandboden des Bodensees freilich nicht ohne weiteres mit Grundstücken an Flussufern und ![]() ![]() | 20 |
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4. Er bestreitet die Verfassungsmässigkeit dieser Gebühr aus verschiedenen Gründen. Es ist angezeigt, in erster Linie den grundsätzlichen Einwand zu prüfen, dass eine solche ![]() | 22 |
a) Im angefochtenen Entscheid wird zur Begründung des Standpunkts, eine solche Grundlage sei nicht erforderlich, ausgeführt, das Bundesgericht habe im Urteil BGE 93 I 638 ff. "durchblicken lassen", dass es nicht einer besonderen gesetzlichen Grundlage bedürfe, um Gebühren für die Sondernutzung öffentlicher Gewässer bzw. aller öffentlichen Sachen im engern Sinne zu erheben. In der Beschwerdeantwort wird diese Behauptung zu Recht nicht mehr aufgestellt, denn es ist nicht ersichtlich, wo in jenem Urteil etwas derartiges angedeutet worden wäre. Dagegen wird die Befreiung vom Erfordernis der gesetzlichen Grundlage in der Beschwerdeantwort aus der Rechtsnatur der Konzession, d.h. daraus abgeleitet, dass deren "Vertragscharakter - namentlich der Sondernutzungskonzession - unverkennbar und allgemein anerkannt" sei; ferner wird in der Beschwerdeantwort, wie schon im angefochtenen Entscheid, behauptet, daraus, dass der Staat zur Erteilung einer Konzession nicht verpflichtet sei, folge sein Recht, Bedingungen und Auflagen, also auch die Benutzungsgebühren, frei festzusetzen.
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Dem kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Die in BGE 80 I 246 (und BGE 81 I 86) enthaltenen Bemerkungen über das vertragliche Element innerhalb der Konzession beziehen sich auf diejenigen Konzessionsbestimmungen, in denen gegenseitige Rechte und Pflichten in freier Vereinbarung festgelegt worden sind, im Gegensatz zu solchen, die einseitig durch die Behörde verfügt worden sind. Nur unter dieser Voraussetzung, d.h. soweit gegenseitige Rechte und Pflichten in freier Vereinbarung festgelegt werden, messen die vom Regierungsrat zitierten Ausführungen IMBODENS (Der verwaltungsrechtliche Vertrag, ZSR 1958 S. 167a ff., insbesondere 170/71a) den durch die Konzession begründeten Beziehungen vertraglichen Charakter zu. Hieraus lässt sich für die streitige Konzessionsgebühr nichts zur Stütze des angefochtenen Entscheids ableiten, da der Regierungsrat diese Gebühr einseitig festgesetzt hat. Für den verfügungsmässig begründeten Inhalt der Konzession aber gilt, ohne Rücksicht darauf, ob ein Anspruch auf Erteilung der Konzession besteht, der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung. Danach bedürfen die einem Verwaltungsakt beigefügten Bedingungen und Auflagen einer gesetzlichen Grundlage ![]() | 24 |
b) Für den Fall, dass es einer gesetzlichen Grundlage bedürfe, behauptet der Regierungsrat zu Unrecht, sie sei vorhanden.
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Das GKG enthält, wie die Beschwerdeantwort anerkennt, keine Bestimmung, die den Regierungsrat als Vollzugsbehörde ermächtigen würde, Konzessionsgebühren oder Gebühren für eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung öffentlicher Gewässer zu erheben.
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Die Verordnung des Grossen Rates vom 26. Januar 1948 über die Gebühren der Verwaltungsbehörden, nach deren § 2 der Regierungsrat für "Entscheide, Beschlüsse, Verfügungen und andere Verrichtungen in Verwaltungssachen und Verwaltungsstreitigkeiten" Gebühren von Fr. 10 bis 1000 erheben kann, wird von ihm mit Recht nicht angerufen, denn sie bezieht sich nur auf Gebühren für solche Amtshandlungen, nicht auf Konzessions- oder Benutzungsgebühren.
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Der Regierungsrat stützt sich auf § 18 VV und erblickt die gesetzliche Grundlage dieser Bestimmung im Gesetz vom 16. Januar 1919 betreffend das kantonale Besoldungs- und Gebührenwesen. Nach § 1 dieses Gesetzes ist der Grosse Rat allgemein ermächtigt, auf Antrag des Regierungsrates "die in die Staatskasse fallenden Gebühren festzusetzen". Im Hinblick hierauf hat der Regierungsrat den § 18 der VV vom 9. Dezember 1946 zum GKG, der die Erhebung von Gebühren vorsieht, dem Grossen Rat zur Genehmigung unterbreitet, die am 2. April 1947 erteilt wurde. Nach § 18 Abs. 3 und 4 beträgt die einmalige Verleihungsgebühr für Wasserkraftnutzungsrechte 10 bis 20 Franken pro Brutto-Pferdekraft und diejenige für die Nutzung von Grundwasser 1 bis 5 Franken pro Minutenliter. Diese ![]() | 28 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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