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40. Urteil vom 23. Mai 1969 i.S. Organchemie AG gegen Schweiz. Eidgenossenschaft (PTT - Betriebe). | |
Regeste |
Haftpflicht des Bundes aus dem Telephonverkehr. |
2. Nach dem Telegraphen- und Telephonverkehrsgesetz vom 14. Oktober 1922 haftet die Eidgenossenschaft nicht für den Schaden, den ein Telephonabonnent deshalb erleidet, weil er auf den ihm zugeteilten Linien wegen eines technischen Hindernisses in der Telephonzentrale nur beschränkt erreichbar ist (Erw. 2). |
3. Die Haftung des Bundes kann auch nicht aus dem Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 1958 abgeleitet werden (Erw. 3). |
4. Bedeutung des "Legalitätsprinzips" (Erw. 4). |
5. Gegenüber dem fehlbaren Beamten steht dem Geschädigten kein Anspruch zu (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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Die Gesellschaft wollte in einen Neubau in Kilchberg (Zürich) übersiedeln und bestellte dafür einen Telephonanschluss mit 15 Amtsleitungen. Die Kreistelephondirektion Zürich teilte ihr die Nummern 91 19 20 bis 91 19 34 zu. Die Gesellschaft liess neues Briefpapier drucken, in welchem die Nummer 91 19 20 angegeben wurde. Am 14. August 1967 (Montag) nahm sie ihre Tätigkeit im neuen Gebäude auf. Dabei stellte sich heraus, dass die Anrufer, welche die Nummer 91 19 20 einstellten, nicht automatisch mit der nächstfolgenden freien Nummer verbunden werden konnten, wenn die gewählte Nummer besetzt war. Es wurde festgestellt, dass in der Telephonzentrale Kilchberg eine solche Umstellung einer angerufenen Nummer mit der Endzahl 0 nicht möglich war. Noch am Nachmittag des 14. August 1967 ![]() | 2 |
B.- Die Organchemie AG erklärt, sie habe infolge eines Fehlers, welcher der Telephondirektion bei der Zuteilung der Telephonnummern für den Neubau in Kilchberg unterlaufen sei, einen Schaden im Betrage von Fr. 19'919.15 (Druckkosten, Ausfall von Bestellungen usw.) erlitten. Sie meldete beim Eidg. Finanz-und Zolldepartement eine Forderung gegen den Bund in dieser Höhe an, wobei sie sich auf das BG vom 14. März 1968 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG) berief. Die Generaldirektion PTT, welcher die Eingabe überwiesen wurde, lehnte die Forderung ab. Sie führte aus, nach dem BG vom 14. Oktober 1922 über den Telegraphen- und Telephonverkehr (Telegraphen- und Telephonverkehrsgesetz, TVG) hafteten die PTT-Betriebe nicht für Störungen und Hindernisse im Telephonbetrieb, und das Verantwortlichkeitsgesetz sei nicht anwendbar.
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C.- Mit der vorliegenden Klage vom 11. Juli 1968 gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft (PTT-Betriebe) hält die Organchemie AG an ihrer Forderung fest.
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Es wird geltend gemacht, das TVG lasse die Haftung des Bundes aus dem Telephonverkehr zu, soweit es sie nicht ausdrücklich ausschliesse. Art. 35 TVG müsse in diesem Sinne verstanden werden. Einzig für Störungen und Hindernisse im Telephonbetrieb hafte der Bund nicht (Art. 37 TVG). Hier handle es sich nicht um einen solchen Tatbestand, wohl aber um einen Vorgang des Telephonverkehrs, nämlich um eine fehlerhafte "Abonnementsbearbeitung". Der gemeinsame Anschluss mehrerer Telephonlinien an das Ortsnetz sei im Gesetz vorgesehen und technisch möglich. Im vorliegenden Fall hätte es lediglich einer richtigen Anordnung des zuständigen Beamten bedurft. Die falsch eingerichtete Anlage habe gar nicht in Betrieb genommen werden können. Für die Folgen des vom Sachbearbeiter begangenen Fehlers hafte der Bund nach Art. 35 TVG.
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D.- Die Schweizerische Eidgenossenschaft beantragt die Abweisung der Klage.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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In zweiter Linie wird die Klage auf das VG gestützt. Auch nach dieser Begründung ist das Bundesgericht als einzige Instanz gemäss Art. 110 OG zuständig (Art. 10 Abs. 1 VG). Die Klägerin hat den aus dem VG abgeleiteten Anspruch vorschriftsgemäss zunächst der Verwaltung und sodann rechtzeitig dem Bundesgericht unterbreitet (Art. 10 Abs. 2, Art. 20 VG).
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2. Das TVG ordnet in seinem Abschnitt IV (Art. 35-37) die Haftpflicht der PTT-Betriebe aus dem Telegraphen- und Telephonverkehr. Art. 35 enthält allgemeine Bestimmungen, Art. 36 betrifft den Telegraphenverkehr und Art. 37 den Telephonverkehr. Im vorliegenden Fall kommen nur die Art. 35 und 37 in Betracht. Durch Art. 35 Abs. 1 wird die Haftpflicht der Verwaltung "auf den in diesem Gesetz umschriebenen Umfang beschränkt". Nach Art. 37 Abs. 1 haften die PTT-Betriebe "nicht für die Folgen von Störungen und Hindernissen im Telephonbetrieb". In BGE 94 I 173 (oben) hat das Bundesgericht angenommen, das Wort "Telephonverkehr" in Art. 35 Abs. 1 bezeichne einen weiteren Begriff als das Wort ![]() | 10 |
3. Allerdings unterliegt keinem Zweifel, dass für die Betriebsstörung das Personal der PTT-Betriebe verantwortlich ist. Die zuständigen Beamten waren nach der gesetzlichen Ordnung verpflichtet, der Klägerin eine für die ein- und ausgehenden Gespräche gleichermassen brauchbare Linien- und ![]() | 11 |
Enthielte das TVG keine Bestimmungen über die Haftpflicht der Verwaltung, so würde daher der Bund laut Art. 3 Abs. 1 VG für die Folgen des von den PTT-Beamten begangenen Fehlers haften. Nun bestimmt aber Art. 3 Abs. 2 VG, dass "bei Tatbeständen, welche unter die Haftpflichtbestimmungen anderer Erlasse fallen, die Haftung des Bundes sich nach jenen besonderen Bestimmungen richtet". Das bedeutet, dass das VG in allen Bereichen nicht anwendbar ist, für welche das übrige Bundesrecht eine Haftung des Bundes vorsieht oder ausschliesst (StenBull StR 1956 S. 325; BGE 94 I 172 Erw. 3). Da der vorliegende Tatbestand unter die Haftpflichtbestimmungen des TVG fällt, lässt sich der Anspruch der Klägerin auch nicht auf das VG stützen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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