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54. Urteil vom 13. Juni 1969 i.S. von Dach gegen Schütz und Appellationshof des Kantons Bern | |
Regeste |
Güterzusammenlegung, Gewinnbeteiligung des früheren Eigentümers. |
2. Beteiligung des früheren Eigentümers am Gewinn im Falle der Veräusserung von Land durch den neuen Eigentümer. |
a) Das Gewinnbeteiligungsrecht |
- ist eine öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung (Erw. 5) |
- liegt im öffentlichen Interesse (Erw. 6 a). |
b) Gegen die Eigentumsgarantie und gegen Art. 4 BV verstösst eine kantonale Ordnung des Gewinnbeteiligungsrechts, welche |
- vorschreibt, dass bei der Berechnung des Gewinns der "landwirtschaftliche" und nicht der wirkliche Verkehrswert dem Verkaufserlös gegenüberzustellen ist (Erw. 6 c); |
- unberücksichtigt lässt, dass auch das dem Anspruchsberechtigten neu zugeteilte Land im Werte gestiegen ist (Erw. 6 d). | |
Sachverhalt | |
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2 Die Rückzahlung umfasst im ersten Jahr den vollen Gewinn und vermindert sich um 1/15 für jedes folgende Jahr.
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3 Streitigkeiten beurteilt der Zivilrichter nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung.
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4 Im Dekret des Grossen Rates werden nähere Vorschriften über die Berechnung des Gewinns erlassen."
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Das Dekret des Grossen Rates wurde am 18. Februar 1964 erlassen und bestimmt im Abschnitt "Gewinnbringende Veräusserung nach erfolgter Neuzuteilung":
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"§ 13. Geltendmachung des Anspruches. 1 Wird innert 15 Jahren seit Genehmigung des Neuzuteilungsplanes durch den Regierungsrat Land im zusammengelegten Gebiet veräussert oder werden Nutzungsrechte an solchem Land eingeräumt, so gibt das Grundbuchamt allen beteiligten Grundeigentümern im alten Bestand Mitteilung unter Hinweis auf Artikel 43 des Meliorationsgesetzes und die Dekretsbestimmungen.
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2 Können sich die Parteien über den Gewinnanspruch nicht einigen, so hat der Ansprecher innert eines Jahres seit der Mitteilung nach Absatz 1 Klage beim Zivilrichter zu erheben.
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§ 14. Berechnung des Gewinnes.
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Der Gewinn im Sinne von Artikel 43 Absatz 4 des Meliorationsgesetzes wird wie folgt berechnet:
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1. Bei Verkauf:
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Vom Verkaufspreis werden abgezogen:
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a) der landwirtschaftliche Verkehrswert im Zeitpunkt des ersten Verkaufs; bei späteren Verkäufen der jeweilige Erwerbspreis;
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b) die Meliorationskosten;
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c) allfällige Rückerstattungen von Bundes- und Kantonsbeiträgen infolge Zweckentfremdungen, sofern sie vom Verkäufer geleistet wurden;
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d) Handänderungsgebühren, Vermögensgewinnsteuern, Notariats- und Vermessungskosten;
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e) allfällige Aufwendungen des Verkäufers in der Zwischenzeit, die zur Werterhöhung führten.
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Die Abzüge sind zu belegen.
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2. Bei Einräumung von Nutzungsrechten:
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Der über die land- und forstwirtschaftliche Nutzung hinausgehende Gewinn."
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C.- Mit Vertrag vom 30. September 1963 verkaufte die Beschwerdeführerin die Parzelle Nr. 163 im Halt von ca. 9800 m2 zum Preis von Fr. 20.- je m2 an Hans Hofstetter. Von dieser Parzelle gehörten vor der Güterzusammenlegung zwei Streifen von zusammen 1400 m2 zu den Parzellen Nr. 189 und 192 des Beschwerdegegners Schütz. Dieser verlangte gestützt auf Art. 43 MelG einen Anteil an dem von der Beschwerdeführerin erzielten Gewinn und belangte sie durch Klage auf Bezahlung von Fr. 10'920.-- nebst 5% Verzugszins. Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage.
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Der Gerichtspräsident von Nidau holte ein Gutachten über den "landwirtschaftlichen Verkehrswert" des verkauften Landes im Zeitpunkt des Verkaufs ein und hiess dann die Klage mit Urteil vom 25. Juni 1968 gut aufgrund folgender, einen noch höheren Gewinnanspruch ergebenden Berechnung:
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Abzüge gemäss § 14 Ziff. 1 des Meliorationsdekrets:
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- Landwirtschaftlicher Verkehrswert Fr. 4.-
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- Meliorationskosten, Subventionsrücker stattungen, Handänderungsabgaben usw. Fr. 3.- Fr. 7.-
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Gewinn pro m2 Fr. 13.-
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Gewinn auf 1400 m2 Fr. 18'200.--
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Anteil des Klägers 11/15 Fr. 13'346.65
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Der Appellationshof des Kantons Bern, an den die Beklagte appellierte, bestätigte das Urteil des Gerichtspräsidenten am 5. November 1968.
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D.- Gegen das Urteil des Appellationshofes führt Witwe Elise von Dach staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, es sei aufzuheben. Sie macht Verletzung der Eigentumsgarantie und des Art. 4 BV geltend. Die Begründung dieser Rügen ergibt sich, soweit notwendig, aus den nachstehenden Erwägungen.
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E.- Der Appellationshof des Kantons Bern und Fritz Schütz beantragen Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Auch die Neuzuteilung an die Beschwerdeführerin konnte, nachdem der Regierungsrat den Neuzuteilungsplan am 13. Juni 1958 genehmigt hatte und dieser Entscheid unangefochten ![]() | 36 |
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Diese Rüge ist zulässig. Der Umstand, dass die Frist zur Anfechtung des MelG und des Dekretes abgelaufen ist, hindert die Beschwerdeführerin nicht, die Verfassungswidrigkeit einzelner Bestimmungen noch im Anschluss an eine gestützt darauf ergangene Anwendungsverfügung geltend zu machen (BGE 95 I 4 E. 2 mit Hinweisen auf frühere Urteile). Dem steht auch der weitere Umstand nicht entgegen, dass der Bundesrat das MelG am 13. Juni 1963 genehmigt hat; denn diese Genehmigung schliesst, wie das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung ![]() | 38 |
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Die kantonalrechtlichen Bestimmungen über Landumlegungen stellen öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen dar. Die Eingriffe in die Eigentumsverhältnisse, welche die Landumlegungen nach sich ziehen, sind daher mit der Eigentumsgarantie nur vereinbar, wenn und soweit sie auf gesetzlicher Grundlage beruhen und im öffentlichen Interesse liegen; die Entschädigung, die für den Entzug des Eigentums zu leisten ist, besteht im wertgleichen Realersatz, auf den der Eigentümer grundsätzlich Anspruch hat. Sieht das kantonale Recht, wie dies regelmässig der Fall ist, einen solchen Anspruch auf wertgleichen Realersatz ausdrücklich vor, so prüft das Bundesgericht die Frage, ob eine bestimmte Neuzuteilung im einzelnen Falle einen wertgleichen Realersatz darstelle, nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür (vgl. BGE 85 I 89, BGE 90 I 231 E. 4 und 289 E. 6; unbestimmt BGE 94 I 610 E. 4b). Der Anspruch des Grundeigentümers, bei Landumlegungen wertgleichen Realersatz zu erhalten, folgt indessen unmittelbar aus der bundesrechtlich gewährleisteten Eigentumsgarantie. Diese gebietet es, in den Erlassen über Landumlegungen dem Eigentümer des eingeworfenen Landes einen Anspruch auf wertgleichen Realersatz (nach Vornahme des Abzugs für ![]() | 40 |
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6. Das streitige Gewinnbeteiligungsrecht beruht unbestritten auf einer gesetzlichen Grundlage, da es in Art. 43 MelG ![]() | 42 |
a) Die Beschwerdeführerin erklärt mit Recht, dass sie das Institut der Gewinnbeteiligung an sich nicht beanstande. Für dieses lassen sich in der Tat gute Gründe anführen. Durch die Güterzusammenlegung wird der vorher zerstreute Grundbesitz des einzelnen Grundeigentümers in eine einzige oder einige wenige Parzellen zusammengefasst. Nun kann es vorkommen, dass ein Teil des Zusammenlegungsgebietes infolge rechtlicher Massnahmen, wie z.B. den Erlass eines Zonenplans, oder einfach infolge der baulichen Entwicklung der Gemeinde bald nach der Beendigung des Zusammenlegungsverfahrens zu wertvollem Bauland wird, während für das übrige Gebiet auf lange Zeit nur die landwirtschaftliche Nutzung in Frage kommt. Es wäre stossend, wenn diejenigen Grundeigentümer, deren Grundbesitz im nunmehrigen Baugebiet zusammengefasst worden ist, durch Veräusserung ihres Landes grosse Gewinne erzielen könnten, während andere, die vor der Zuteilung im gleichen Gebiet Land besassen, leer ausgingen. Durch die Beteiligung der früheren Grundeigentümer am Gewinn soll dieses stossende Ergebnis gemildert und ein billiger Ausgleich geschaffen werden.
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c) Als mit Art. 4 BV und mit der Eigentumsgarantie unvereinbar erscheint es dagegen, dass nach § 14 Ziff. 1 lit. a erster Halbsatz des Dekretes bei der Berechnung des Gewinnes ausnahmslos vom "landwirtschaftlichen Verkehrswert im Zeitpunkt des ersten Verkaufes" auszugehen ist.
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Unter Gewinn versteht man gemeinhin die Differenz zwischen dem Verkaufserlös und den Gestehungskosten (vgl. BGE 95 I 135). Bei unentgeltlichem Erwerb, z.B. durch Erbgang oder Schenkung, mag anstelle der Gestehungskosten des Rechtsvorgängers auch der Verkehrswert zur Zeit des Erwerbes in Frage kommen. Bei der Güterzusammenlegung, wo das neuzugeteilte Land den wertgleichen Realersatz für den abgetretenen Altbesitz darstellt, liegt es am nächsten, den Gewinn aufgrund der Differenz zwischen dem Verkaufserlös und dem Verkehrswert zur Zeit des Eigentumsübergangs zu berechnen. Keinesfalls darf, sofern der wirkliche Verkehrswert den "landwirtschaftlichen Verkehrswert" weit übersteigt, ohne weiteres und in allen Fällen von letzterem ausgegangen werden, da dies zu unhaltbaren Ergebnissen führt.
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Bauland und Bauerwartungsland sind bei der Neuzuteilung, nach dem Gebot des wertgleichen Realersatzes, grundsätzlich denjenigen und nur denjenigen Eigentümern zuzuweisen, die ![]() | 47 |
Die Beschwerdeführerin macht geltend, das von ihr für Fr. 20.- pro m2 verkaufte Land sei schon mehrere Jahre vor Einleitung des Güterzusammenlegungsverfahrens Fr. 12-15 pro m2 wert gewesen. Wenn bei der Gewinnberechnung demgegenüber von einem "landwirtschaftlichen Verkehrswert" von Fr. 4.- ausgegangen wird, so wird nicht nur die seit der ![]() | 48 |
d) Die in Art. 43 MelG und § 14 des Dekretes enthaltene Regelung des Gewinnbeteiligungsrechts ist aber noch aus einem weiteren Grunde verfassungswidrig.
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Wer neu zugeteiltes Land veräussert, hat den dabei erzielten "Gewinn" ganz oder teilweise an den früheren Eigentümer herauszugeben ohne Rücksicht darauf, ob und inwieweit auch das diesem neu zugeteilte Land an der Wertsteigerung teilgenommen hat, ob also der Gewinn auf Kosten des früheren Eigentümers gemacht wurde und dieser, im Verhältnis zum Veräusserer, infolge der Neuzuteilung eine Vermögenseinbusse erlitten hat. Das führt wiederum zu äusserst stossenden Ergebnissen, die mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit und der Eigentumsgarantie unvereinbar sind. Handelt es sich bei dem Land, das dem nunmehrigen Veräusserer neu zugeteilt worden ist, um Bauland oder Bauerwartungsland, so wird, nach dem Gebot des wertgleichen Realersatzes, in der Regel auch dem früheren Eigentümer dieses Landes bei der Neuzuteilung wieder Bauland oder Bauerwartungsland zugeteilt worden sein, dessen Wert im gleichen oder ähnlichen Masse steigt wie der Wert seines früheren Landes. Wird diese Wertsteigerung bei der Berechnung des vom früheren Eigentümer beanspruchten Gewinnanteils ausser Betracht gelassen, so macht er, wenn sein früheres Land kurz nach der Neuzuteilung verkauft wird, während er das ihm neu zugeteilte Land erst nach Ablauf der 15-jährigen Frist veräussert, einen doppelten Gewinn; er erhält den Gewinn, der auf dem Verkauf seines früheren Landes erzielt wird, ganz oder teilweise, und kann überdies die Wertsteigerung des ihm selber neu zugeteilten Landes voll realisieren, während der Veräusserer seines früheren Landes nicht nur die seit der Neuzuteilung eingetretene Wertsteigerung, sondern, wie unter lit. c hievor dargelegt, auch noch einen Teil seines früheren Vermögens verliert. Das ist so stossend, dass es als eine den Art. 4 BV verletzende rechtsungleiche Behandlung bezeichnet werden muss. Ferner liegt darin wiederum ein Verstoss gegen das Gebot des wertgleichen Realersatzes und damit gegen die Eigentumsgarantie. In diesem Punkte besteht ![]() | 50 |
Dass die Ordnung des Gewinnbeteiligungsrechts im vorliegenden Falle auch wegen der Nichtberücksichtigung der beim Anspruchsberechtigten eingetretenen Wertsteigerung des neu zugeteilten Landes unhaltbar ist, ergibt sich ohne weiteres aus einem Vergleich des Alt- und Neubesitzes der beiden Parteien. Je ein Teil ihres Altbesitzes grenzte an die Strasse Worben-Studen oder lag unweit derselben und hatte deshalb als Bauland oder Bauerwartungsland zu gelten. Die der Beschwerdeführerin neu zugeteilte und dann im Jahre 1963 veräusserte Parzelle Nr. 163, die ca. 1400 m2 früheres Land des Beschwerdegegners umfasst, grenzt wiederum an die Strasse Worben-Studen. Die dem Beschwerdegegner zugeteilte Parzelle Nr. 300 grenzt zwar nicht an diese Strasse, jedoch unweit derselben an eine Nebenstrasse, und auch die ihm weiter zugeteilte grosse und arrondierte Parzelle Nr. 301 befindet sich in diesem Gebiete. Das ihm in der Nähe seines Hofs neu zugeteilte Land dürfte daher ebenfalls Bauland oder Bauerwartungsland sein und deshalb heute (wie übrigens schon im Zeitpunkt der Zuteilung) gleich wie die von der Beschwerdeführerin veräusserte Parzelle Nr. 163 einen weit höheren Wert als den auf Fr. 4.- pro m2 geschätzten "landwirtschaftlichen Verkehrswert" haben. Ist aber beiden Parteien bei der Neuzuteilung Bauland oder Bauerwartungsland zugeteilt worden, so verstösst es gegen Art. 4 BV und gegen die Eigentumsgarantie, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet wird, dem Beschwerdegegner einen Gewinnanteil auszubezahlen ohne Rücksicht darauf, dass das diesem zugewiesene Land in gleichem oder ähnlichem Masse an Wert zugenommen hat wie das der Beschwerdeführerin zugeteilte Land.
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7. Da sich die dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegende Regelung des Gewinnbeteiligungsrechts als verfassungswidrig erweist, ist dieser Entscheid aufzuheben, ohne dass der weitere Einwand der Beschwerdeführerin zu prüfen ist, der ![]() | 52 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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