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62. Auszug aus dem Urteil vom 29. Oktober 1969 i.S. Drogenica M. S. Iseli gegen Heilmittelkommission und Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. | |
Regeste |
Grosshandel mit Heilmitteln. Art. 31 und 4 BV. |
- auf Heilmittel, die von der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel als für den Verkauf in Apotheken und Drogerien geeignet befunden worden sind; |
- auf ausserkantonale Firmen, welche die Apotheken und Drogerien im Kanton beliefern (Erw. 6). |
Begriff der Vertrauenswürdigkeit. Naturarzt, dem im Kanton Appenzell A.Rh. bei Inkrafttreten des neuen Gesundheitsgesetzes jede weitere Heiltätigkeit und Ausübung eines pharmazeutischen Berufes wegen Zuwiderhandlung gegen Gesundheitsgesetze anderer Kantone verboten wurde und der nun in einem andern Kanton Grosshandel mit Heilmitteln betreibt. Darf ihm aufgrund des genannten Berufsverbotes die Belieferung der Apotheken und Drogerien im Kanton Appenzell A.Rh. mit zwei ungefährlichen Heilmitteln mangels Vertrauenswürdigkeit verweigert werden? (Erw. 7). | |
Sachverhalt | |
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Am 6. Dezember 1965 erliess der Kantonsrat eine Verordnung über den Verkehr mit Heilmitteln (HMV), die in den §§ 17-26 Bestimmungen über die "Heilmittelbetriebe" enthält. Als solche gelten Betriebe, in welchen Heilmittel hergestellt, verarbeitet, gelagert, im Gross- oder Kleinhandel abgegeben oder vermittelt werden (§ 17).
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B.- Die Ehegatten Max Samuel und Agnes Iseli waren von 1957 bis 1967 in Lustmühle/AR als Naturärzte und Heilmittelhersteller tätig; ferner führten sie Heilmittel ein und handelten mit solchen, der Ehemann unter der im Handelsregister eingetragenen Firma "Drogenica M.S. Iseli". Nach dem Inkrafttreten des GG erhoben sie gestützt auf Art. 30 GG Anspruch auf weitere Ausübung ihrer Tätigkeit. Die Sanitätskommission erliess jedoch am 10. April 1967 folgende Verfügung:
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"Herrn Max Samuel und Frau Agnes Iseli wird ab sofort jede Heiltätigkeit und Ausübung eines pharmazeutischen Berufes (naturärztliche Praxis, Heilmittelherstellung, Gross- und Kleinhandel mit Heilmitteln, Versandgeschäft mit Heilmitteln) untersagt."
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Zur Begründung dieser Verfügung, die unangefochten blieb, führte die Sanitätskommission im wesentlichen aus, die Ehegatten Iseli seien in den Jahren 1957 - 1966 in zahlreichen (andern) Kantonen mindestens zwanzigmal wegen Verletzung der Sanitätsgesetze bestraft worden und könnten daher nicht als vertrauenswürdig gelten.
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Am 14. August 1968 erteilte das Sanitätssekretariat des Kantons Appenzell A. Rh. der "Firma Drogenica" die Bewilligung zum Verkauf von "Tiger-Balsam Oel" im Kanton. Als die Firma Drogenica aufgrund des IKS-Gutachtens vom 7. Februar 1969 um eine entsprechende Bewilligung für die "Tiger-Balsam Salbe" nachsuchte, teilte ihr die Heilmittel-Kommission mit, dass diese Bewilligung verweigert und die am 14. August 1968 für "Tiger-Balsam Oel" ausgestellte Verkaufsbewilligung widerrufen werde, da dem Firmeninhaber Iseli durch rechtskräftige Verfügung der Sanitätskommission vom 17. April 1967 u.a. jeglicher Gross- und Kleinhandel auf dem Gebiete des Kantons Appenzell A.Rh. verboten worden sei.
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Iseli rekurrierte hiegegen an den Regierungsrat, wurde aber mit Beschluss vom 6. Juni 1969 abgewiesen.
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D.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt die Firma Drogenica M. S. Iseli, dieser Beschluss des Regierungsrates sei wegen Verletzung der Art. 31 und 4 BV aufzuheben. Sie erhebt u.a. folgende Rügen:
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a) Der Heilmittelvertrieb, dessen Bewilligung der Beschwerdeführer verlange, falle nicht unter das im Jahre 1967 ausgesprochene Berufsverbot noch unter Art. 14 GG, der sich nur auf die Führung eines Betriebs im Kanton Appenzell A. Rh. beziehe und keine Wirkung über die Kantonsgrenzen hinaus entfalten könne.
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b) Nachdem die fraglichen Heilmittel von der IKS begutachtet worden seien, habe der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Bewilligung für den Vertrieb auch im Kanton Appenzell A. Rh. und lasse sich ein Vertriebsverbot nicht mit gesundheitspolizeilichen Gründen rechtfertigen.
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E.- Der Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Aus dem Erwägungen: | |
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6. Unter welchen Voraussetzungen ausserkantonale Hersteller und Händler Heilmittel an Apotheken und Drogerien des Kantons Appenzell A.Rh. liefern dürfen, sagen das GG und die HMV nicht ausdrücklich. Doch bestimmt Art. 14 Abs. 1 GG ganz allgemein, dass es zum Grosshandel mit Arzneimitteln einer Bewilligung bedarf, und aus Art. 15 Abs. 1 GG ergibt sich, dass eine solche Bewilligung nur an vertrauenswürdige Personen erteilt werden darf. Diese Bestimmungen sind, wie ohne jede Willkür angenommen werden kann, auch auf ausserkantonale Grosshändler anwendbar, die Arzneimittel in den Kanton liefern. Eine Person treibt nicht nur dort Handel, wo sie die Ware der Post, der Bahn oder einem andern Transportmittel übergibt, sondern auch dort, wo die Ware dem Käufer zugeht (vgl.BGE 54 I 30). Zahlreiche Kantone kennen denn auch neben der ersten Bewilligung, sich am Grosshandel ![]() | 15 |
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers folgt aus dem GG und der HMV keineswegs und jedenfalls nicht zwingend, dass deren Bestimmungen auf ausserkantonale Grosshändler nicht anwendbar wären und diese keiner Bewilligung für die Belieferung von Apotheken und Drogerien im Kanton Appenzell A.Rh. bedürften. Richtig ist freilich, dass einzelne Bestimmungen der HMV auf Betriebe mit Sitz im Kanton zugeschnitten sind. So ist es schwer denkbar, dass die Sanitätsdirektion ausserhalb des Kantons oder gar im Ausland Inspektionen bei Heilmittelbetrieben durchführt (§ 18 HMV) oder kontrolliert, ob deren Leiter hauptamtlich tätig sind (§ 23 HMV). Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass nicht auch von ausserkantonalen Grosshändlern, die in den Kanton liefern, verlangt werden kann, dass sie die Voraussetzungen der Art. 14 und 15 GG erfüllen, d.h. für die fachmännische Prüfung, Lagerung und Abgabe der Heilmittel Gewähr bieten und vertrauenswürdig sein müssen.
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Nach dem Grundsatz der Rechtsgleichheit müssten die ![]() | 17 |
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a) Nach Art. 15 Abs. 1 GG ist auch der Grosshandel mit Heilmitteln nur "vertrauenswürdigen Personen" gestattet. Als vertrauenswürdig gilt nach Art. 18 Abs. 1 lit. a GG insbesondere nicht, wer sich schwerer Zuwiderhandlungen gegen gesundheitspolizeiliche Vorschriften schuldig gemacht hat.
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Aus dem bei den Akten befindlichen Auszug aus dem Strafregister des Kantons Bern vom 4. Februar 1966 und aus einer Strafverfügung des Statthalteramts des Bezirks Zürich vom 13. Juli 1966 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1957 - 1966 in verschiedenen Kantonen, nicht aber im Kanton Appenzell A.Rh., insgesamt 20 mal wegen Verletzung gesundheitspolizeilicher Vorschriften zu Bussen bis zu Fr. 2000.-- verurteilt worden ist. Angesichts dieser zahlreichen Bestrafungen hat ihm die Sanitätskommission in ihrer rechtskräftig gewordenen Verfügung vom 17. April 1967 die Vertrauenswürdigkeit abgesprochen und inskünftig jede Heiltätigkeit und Ausübung eines pharmazeutischen Berufes untersagt. Wenn der Regierungsrat hieraus ableitet, dass die Erteilung einer Bewilligung an den Beschwerdeführer zum Vertrieb der zwei Heilmittel nicht in Frage kommen könne, so übersieht er, dass die Vertrauenswürdigkeit immer im Hinblick auf die ![]() | 20 |
b) Die 20 Bussen, zu denen der Beschwerdeführer in den Jahren 1957 - 1966 verurteilt worden ist, betrafen unbestritten Zuwiderhandlungen gegen gesundheitspolizeiliche Vorschriften. Diese Zuwiderhandlungen können angesichts der bis Fr. 2000.-- gehenden Bussenhöhe an sich nicht als leicht bezeichnet werden. Sie verlieren jedoch stark an Gewicht, wenn man die früheren Verhältnisse im Kanton Appenzell A.Rh. berücksichtigt: Auf Grund des damaligen Standes der Gesundheitsgesetzgebung des Kantons Appenzell A.Rh. konnte der Beschwerdeführer wie zahlreiche andere Personen ihre in der übrigen Schweiz strafbare Betätigung auf dem Gebiete des Gesundheitswesens von diesem Kanton aus jahrelang ausüben, ohne von dessen Behörden behelligt zu werden. Diese sind, wie sich aus der Verfügung der Sanitätskommission vom 17. April 1967 ergibt, lediglich einmal wegen des beim Beschwerdeführer festgestellten Besitzes starkwirkender Medikamente, u.a. Weckamine, bei ihm vorstellig geworden, nicht dagegen wegen seiner in andern Kantonen begangenen Zuwiderhandlungen gegen deren gesundheitspolizeiliche Vorschriften. Nach dem in BGE 95 I 19 E. 7 Gesagten erscheint es zweifelhaft, ob es unter ![]() ![]() | 21 |
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