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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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70. Auszug aus dem Urteil vom 26. September 1969 i.S. Verwaltungsgesellschaft für Investment-Trusts und Bank Leu AG gegen Eidg. Bankenkommission | |
Regeste |
Bundesgesetz über die Anlagefonds. |
Wenn die Fondsleitung durch die Depotbank an der Börse Anteilscheine des Anlagefonds für dessen Rechnung anschaffen lässt, liegen Rücknahmen im Sinne des Art. 21 AFG vor. Werden die zurückgenommenen Titel an der Börse wieder abgesetzt, so werden sie damit neu ausgegeben. Dabei darf der nach Art. 12 Abs. 3 AFG berechnete Ausgabepreis nicht unterschritten werden. Die Rücknahmen und Neuemissionen sind fortlaufend zu buchen (Erw. 3-7). | |
Sachverhalt | |
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Seit 1963 änderten sich die Verhältnisse auf dem schweizerischen Kapitalmarkt derart, dass die Entwicklung der Immobilienanlagefonds ins Stocken geriet. Die Leitung des Fonds IMMOVIT sah sich seit dem Frühjahr 1964 gezwungen, auf die Ausgabe neuer Anteilscheine zu verzichten. Zahlreiche Inhaber von IMMOVIT-Zertifikaten entledigten sich ihrer Titel. Nach den auf den Zertifikaten abgedruckten Bestimmungen des Treuhand- und Verwaltungsvertrages (Fondsreglementes) vom 15. September 1960 konnten die Anleger ihre Titel der Bank Leu zum Weiterverkauf anbieten; konnte die Bank einen ihr angebotenen Anteilschein nicht ohne weiteres verkaufen, so war der Inhaber darauf angewiesen, den Anteil auf 18 Monate zur Rückzahlung zu kündigen. Deshalb oder aus anderen Gründen zogen es viele Inhaber vor, die Zertifikate auf dem Markt zu Preisen, die etwas niedriger als der nach dem Reglement berechnete Rücknahmewert waren, zu verkaufen. Solche Verkäufe wurden namentlich an der Zürcher Börse im nicht offiziellen Verkehr ("ausserbörslich") getätigt. Dort liess die VIT durch die Bank Leu Zertifikate des IMMOVIT-Fonds für dessen Rechnung kaufen, um den Kurs zu stützen; ein Teil der gekauften Titel wurde daselbst wieder verkauft.
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B.- Am 1. Februar 1967 traten das Bundesgesetz über die Anlagefonds vom 1. Juli 1966 (AFG) und die zugehörige Vollziehungsverordnung vom 20. Januar 1967 (AFV) in Kraft. Art. 12 Abs. 3 AFG bestimmt, dass der Ausgabepreis neuer Anteilscheine auf Grund des Verkehrswertes des Fondsvermögens im Zeitpunkt der Ausgabe, geteilt durch die Anzahl der im Umlauf befindlichen Anteile, festzusetzen ist. Nach Art. 21 AFG kann der Anleger den Kollektivanlagevertrag jederzeit widerrufen und gegen Rückgabe des Anteilscheines die Auszahlung seines Anteils am Anlagefonds in bar verlangen (Abs. 1); der Rücknahmepreis ist nach den gleichen Grundsätzen wie der Ausgabepreis auf den Tag der Auszahlung zu berechnen (Abs. 3). Das neue Reglement des Fonds IMMOVIT vom 28. November 1968 ist diesen Bestimmungen angepasst. Seit dem 1. Februar 1967 nahm die Bank Leu im Einvernehmen mit der VIT Zertifikate des Fonds IMMOVIT ohne Aufschub zu dem nach Art. 21 Abs. 3 AFG berechneten Preise ![]() | 4 |
C.- Die Eidg. Bankenkommission, als Aufsichtsbehörde über die Anlagefonds, verfügte am 29. April 1969:
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"1. Die Verwaltungsgesellschaft für Investment-Trusts (VIT), Zürich, wird verpflichtet,
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a) im Sinne der Erwägungen alle aus Mitteln des Fondsvermögens IMMOVIT bezahlten Anteilscheine IMMOVIT fortlaufend als Rücknahme zu behandeln und zu verbuchen;
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b) alle wieder in Umlauf zu setzenden Anteilscheine im Sinne der Erwägungen als Neuausgaben zu behandeln und zu verbuchen;
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c) keine Anteilscheine unter dem reglementarischen Ausgabepreis auszugeben.
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2. Die Bank Leu AG, Zürich, wird verpflichtet, sämtliche aus dem Fondsvermögen IMMOVIT bezahlten Anteilscheine IMMOVIT gemäss Art. 20 VV als Rücknahmen fortlaufend in die Zertifikatskontrolle einzutragen und sämtliche für Rechnung des Anlegers wieder in Umlauf gesetzten Anteilscheine als Ausgaben fortlaufend in die Zertifikatskontrolle einzutragen."
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In den Erwägungen wird ausgeführt, die Fondsleitung dürfe Mittel des von ihr verwalteten Fonds nicht in Zertifikaten dieses ![]() | 11 |
D.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen die VIT und die Bank Leu, die Verfügung der Bankenkommission vom 29. April 1969 sei aufzuheben.
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Es wird geltend gemacht, die Verfügung verletze das Anlagefondsgesetz; sie sei willkürlich und verstosse gegen den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit.
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Das Gesetz untersage der Fondsleitung nicht schlechthin, auf dem Markt Anteilscheine des von ihr verwalteten Fonds für dessen Rechnung zu kaufen. Es verbiete ihr nur, auf diese Weise Fondsvermögen anzulegen. Das sei jedoch nicht die Absicht der VIT; habe diese doch die von ihr zu Lasten der Fondsrechnung gekauften IMMOVIT-Zertifikate alsbald entweder wieder abgestossen oder vernichtet. Vielmehr gehe es ihr darum, ein Zurückgleiten des Kurses des Titels weit unter den inneren Wert zu verhindern und die bestehenden Anlagen des Fonds zu erhalten. Ein Kurseinbruch würde zu spekulativen Aufkäufen und zu einer starken Zunahme der Rücknahmebegehren führen, so dass die Fondsleitung schliesslich Liegenschaften des Fonds verwerten müsste. Da die umstrittenen Transaktionen der VIT somit den Interessen der Anleger dienten, sei nicht einzusehen, inwiefern sie dem Anlagefondsgesetz, das gerade diese Interessen schütze, widersprechen sollten.
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Es handle sich hier um Rückkäufe am freien Markt, nicht um Rücknahmen im Sinne des Art. 21 AFG. Die Frage, ob bei einer Rücknahme der nach dieser Bestimmung berechnete Preis unterschritten werden dürfe, stelle sich daher nicht. Übrigens gebe die Bankenkommission zu, dass der Anleger auf diesen Preis verzichten, sich mit einem niedrigeren Betrage begnügen könne. Der Wiederverkauf der zurückgekauften Titel an der Börse stelle nicht eine Emission dar. Unter einer solchen ![]() | 15 |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Bankenkommission stützt das Dispositiv 1a auch auf ![]() | 19 |
Nach Art. 21 Abs. 1 AFG kann der Anleger den Kollektivanlagevertrag jederzeit widerrufen und gegen Rückgabe des Anteilscheines die Auszahlung seines Anteils am Anlagefonds in bar verlangen. Von dieser Möglichkeit macht der Anleger Gebrauch, wenn er seinen Titel der Fondsleitung zum "Kauf" aus Mitteln des Fonds übergibt. Die Fondsleitung kann den Titel für Rechnung des Fonds gar nicht anders "erwerben" als dadurch, dass sie ihn gemäss Art. 21 AFG gegen Auszahlung des Anteils zurücknimmt. Damit wird das Vertragsverhältnis zwischen der Fondsleitung und dem bisherigen Titelinhaber beendigt. Der Kollektivanlagevertrag untersteht nach Art. 8 Abs. 3 AFG den Vorschriften über den Auftrag, soweit dieses Gesetz nicht etwas anderes bestimmt. Laut Art. 404 Abs. 1 OR kann der Auftraggeber den Auftrag jederzeit widerrufen, und dazu ist gemäss Art. 21 Abs. 1 AFG auch der Anleger berechtigt. Ein Widerruf im Sinne dieser Bestimmung liegt immer auch dann vor, wenn die Fondsleitung an der Börse einen Anteilschein des Fonds für dessen Rechnung anschafft.
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Gewiss kann die Fondsleitung den für Rechnung des Fonds zurückgenommenen Anteilschein, statt ihn zu vernichten, in der Weise weiterverwenden, dass sie ihn einem neuen Anleger abgibt. Damit setzt sie aber nicht das vom bisherigen Titelbesitzer seinerzeit begründete Vertragsverhältnis mit dem neuen Inhaber fort; vielmehr schliesst sie mit diesem einen besonderen, neuen Kollektivanlagevertrag ab.
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Das Anlagefondsgesetz verwehrt der Fondsleitung, Anteilscheine des Fonds für dessen Rechnung anders als durch Rücknahme im Sinne des Art. 21 anzuschaffen. Diese Ordnung ist zwingend; denn das Gesetz behält abweichende Vereinbarungen nicht ausdrücklich vor und schliesst sie damit aus (Art. 8 Abs. 4). Die Weisung, welche die Bankenkommission der VIT im angefochtenen Dispositiv 1a erteilt, entspricht somit dem Gesetz.
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Mit der Rücknahme dieser Titel gegen Auszahlung aus Mitteln des Fonds wird, wie gesagt, immer das Vertragsverhältnis zwischen der Fondsleitung und dem bisherigen Titelinhaber beendigt. Die Weitergabe eines so zurückgenommenen Zertifikats an einen neuen Anleger beruht auf einem neuen Kollektivanlagevertrag; sie stellt also eine neue Ausgabe (Emission) dar.
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Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, es könne nicht eine neue Ausgabe vorliegen, wenn alte, für Rechnung des Fonds ![]() | 26 |
Damit ist festgestellt, dass auch das Dispositiv 1 b der angefochtenen Verfügung im Einklang mit der gesetzlichen Ordnung steht.
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6. Im Dispositiv 2 ihrer Verfügung verpflichtet die Bankenkommission die Bank Leu, in der Anteilscheinkontrolle fortlaufend alle für Rechnung des Fonds IMMOVIT entgegengenommenen Zertifikate dieses Fonds unter dem Titel "Rücknahme der Anteilscheine" und alle nach der Rückzahlung aus Mitteln des Fonds wieder in Umlauf gesetzten Zertifikate ![]() | 29 |
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Unbegründet ist auch die Rüge der Willkür. Das Bundesgericht überprüft die Anwendung des Anlagefondsgesetzes in den Verfügungen der Bankenkommission nicht nur unter dem beschränkten Gesichtspunkte der Willkür, sondern frei. Da die angefochtenen Weisungen dieser Prüfung standhalten, können sie nicht willkürlich sein.
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Es braucht nicht erörtert zu werden, ob das Vorgehen der Beschwerdeführerinnen, das die Weisungen veranlasst hat, durchweg im Interesse der Anleger liege, wie behauptet wird. Entscheidend ist, dass diese Handlungsweise der Beschwerdeführerinnen zwingenden Vorschriften der Gesetzgebung über die Anlagefonds widerspricht. Die festgestellten Verstösse wären auch dann nicht zu rechtfertigen, wenn jene Behauptung zuträfe.
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