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72. Auszug aus dem Urteil vom 2. April 1969 i.S. Hasler und Mitbeteiligte gegen Kanton Graubünden. | |
Regeste |
Kantonales Fischereiregal; Art. 4 BV im Verhältnis zwischen Kantonseinwohnern und andern Schweizerbürgern. |
Nutzt der Kanton das Fischereiregal zu fiskalischen Zwecken, dann darf er ohne Verletzung des Art. 4 BV den nicht in seinem Gebiet wohnhaften Schweizerbürgern zeitlich befristete Nutzungsbewilligungen zu wesentlich höheren Ansätzen anbieten als den Kantonseinwohnern. Allerdings verlangt der Grundsatz der Rechtsgleichheit, dass sich auch eine derartige Gebühr in einem gewissen Rahmen halte (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.- Die Stimmberechtigten des Kantons Graubünden nahmen am 20. Oktober 1968 ein neues Fischereigesetz an, das an die Stelle des alten Gesetzes vom 5. März 1944 tritt. Nach ![]() | 2 |
Art. 14 Abs. 2 des neuen Gesetzes sieht u.a. vor, dass Bewilligungen für die ganze Dauer der Fangzeit nur noch an Schweizer abgegeben werden, die im Kanton wohnhaft sind oder sich über einen früheren Aufenthalt von mindestens 10 Jahren im Kanton ausweisen können. Personen, die ausserhalb des Kantons wohnhaft sind, aber beispielsweise im Kanton ein Ferienhaus besitzen, können somit keine Bewilligung für die ganze Fangzeit erhalten.
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Die Gebühren für die Fischereibewilligung sind im neuen Gesetz (Art. 16) wesentlich erhöht worden. Eine Gegenüberstellung mit dem alten Recht ergibt folgende Ansätze:
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Art. 13 Art. 16
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altes FG neues FG
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1. Bewilligung für die ganze Dauer der Fangzeit
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a) Schweizer mit Wohnsitz im Kanton 30.- 60.-
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b) Schweizer mit früherem Aufenthalt von mindestens 10 Jahren im Kanton 30.- 100.--
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c) Schweizer ohne Wohnsitz im Kanton 60.- weggefallen
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2. Monatsbewilligung
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a) Schweizer mit Wohnsitz im Kanton 35.- 50.-
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b) Schweizer ohne Wohnsitz im Kanton 35.- 120.--
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3. Halbmonatsbewilligung (15 Tage)
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a) Schweizer mit Wohnsitz im Kanton 25.- 40.-
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b) Schweizer ohne Wohnsitz im Kanton 25.- 80.-
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...
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4. Wochenbewilligung
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a) Schweizer mit Wohnsitz im Kanton 15.- 30.-
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b) Schweizer ohne Wohnsitz im Kanton 15.- 50.-
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...
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5. Tagesbewilligung
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a) Schweizer mit Wohnsitz im Kanton 5.- 10.-
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b) Schweizer ohne Wohnsitz im Kanton 5.- 15.-
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B.- Hans Hasler und 189 weitere Schweizerbürger, die im Kanton Graubünden keinen Wohnsitz haben und sich auch nicht über einen früheren Aufenthalt von mindestens 10 Jahren im Kanton ausweisen können, fechten das neue Fischereigesetz ![]() | 25 |
C.- Der Kleine Rat des Kantons Graubünden beantragt Abweisung der Beschwerde.
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D.- In einem zweiten Schriftenwechsel haben die Parteien an ihren Standpunkten festgehalten.
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Aus den Erwägungen: | |
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2. Der Kanton Graubünden beansprucht an allen Gewässern das Fischereiregal, soweit nicht "Sonderfischereirechte nachgewiesen und vom Kanton anerkannt sind" (Art. 1 des neuen Fischereigesetzes). Das Fischereiregal fällt unter die sog. Grund- oder Bodenregale und ist im Gewässerregal, d.h. in der Gewässerhoheit der Kantone mitenthalten (vgl. AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, N. 1954 S. 695; MARC CHRISTEN, Kant. Regalien und Bundespolizeirecht, Diss. Bern 1950 S. 21 und 25; MELCHIOR SPAHN, Die kantonalen Regalrechte nach Art. 31 Abs. 2 BV, Diss. Zürich 1956 S. 26 und 79 f.). Diese Grund- oder Bodenregale bilden nach Aubert "une variété du monopole fiscal et historique". Sie erklären sich damit, dass sie sich auf beschränkt vorhandene Werte beziehen, die in billiger Weise verteilt werden sollen. Das gilt nicht nur für das Fischerei- und Jagdregal, sondern auch für das Bergregal und das Regalrecht an Wasserläufen. Soweit den Kantonen solche Regalrechte zustehen, haben sie besonders umfassende Nutzungs- und Normsetzungsbefugnisse (MEIER-HAYOZ, Komm. zu Art. 664 ZGB N. 21). Sie können darüber ähnlich frei wie im Rahmen ihrer zivilrechtlichen Verwaltungstätigkeit verfügen. Wenn dabei schon der Überprüfung der kantonalen Verwaltungsentscheide durch das Bundesgericht enge Schranken gesetzt sind (vgl. BGE 75 I 15; MEIER-HAYOZ, a.a.O. N. 190, S. 228), so gilt dies erst recht gegenüber dem kantonalen Gesetzgeber. Vorbehältlich der sog. ehehaften Sonderfischereirechte beschränkt sich die bundesgerichtliche Prüfungsbefugnis entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer im wesentlichen auf Willkür. Über das Fischereiregal verfügen die Kantone im Rahmen des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1888 betr. die ![]() | 29 |
Die Kantone pflegen sich bei der Ausnutzung des Fischereiregals von verschiedenen Überlegungen leiten zu lassen. Einerseits sind sie daran interessiert, eine übermässige "Befischung" (M. CHRISTEN, a.a.O. S. 126) der Gewässer zu verhindern, anderseits können sie den Wunsch vieler Bürger, zu fischen, fiskalisch ausnützen, indem sie bei Erteilung einer Fischereibewilligung nicht nur eine Verwaltungsgebühr, sondern zu fiskalischen Zwecken eine sog. Regalgebühr erheben. Die Regalgebühren sind sowohl von den Verwaltungsgebühren als auch von den Anstalts- und Benutzungsgebühren zu unterscheiden (vgl. BGE 66 I 8). Insbesondere können die Kantone auch nur einer beschränkten Zahl von Nutzungsberechtigten entgeltliche Pachtrechte einräumen (Fischereipacht) oder aber einer unbestimmten Vielzahl von Personen zeitlich befristete Bewilligungen ausstellen (Patentfischerei).
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Da der Kanton Inhaber des Fischereiregals ist, kann er nach bisheriger Rechtsprechung die Fischereiberechtigung auf Personen beschränken, die im Kanton wohnhaft sind und die dort ihr primäres Steuerdomizil haben (vgl. BGE 41 I 156 /7, BGE 66 I 12 /3). Zu Recht berufen sich die Beschwerdeführer nicht auf Art. 60 BV. Diese Vorschrift verbietet nur eine Ungleichbehandlung zwischen Kantonsbürgern und übrigen Schweizerbürgern, die im Kanton wohnhaft sind; dagegen lässt Art. 60 es zu, dass die Kantone ausserkantonal Wohnhafte anders behandeln oder von der Nutzung des Regals ausschliessen, dies jedenfalls dann, wenn ernsthafte Gründe eine solche Unterscheidung rechtfertigen.
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Solche Gründe bestehen im vorliegenden Falle. Die Zahl der Fischer, die um eine Bewilligung nachgesucht haben, ist nach den Angaben des Kantons in 10 Jahren von 5'600 auf 12'100 gestiegen. Der Kanton Graubünden befürchtet eine übermässige "Befischung", wenn jedermann während der ganzen Fangsaison fischen könnte. Ob die sog. "Intensivfischer" weniger zahlreich sind unter den im Kanton wohnhaften ![]() | 32 |
In seiner Botschaft an den Grossen Rat führt der Kleine Rat aus, der Fischbestand könne als ein dem kantonalen Territorium innewohnendes Gut betrachtet werden, dessen naturgemässe, keineswegs unbeschränkte Ausnutzung vorzugsweise den Angehörigen dieses Gebietes zu ermöglichen sei, die als solche die allgemeinen Staatslasten des Kantons zu tragen hätten. Das Merkmal der territorialen Zugehörigkeit erscheine somit als wesentliches tatsächliches Kriterium zur Begründung einer ungleichen rechtlichen Behandlung. Diese verstosse keineswegs gegen die verfassungsmässige Garantie der Gleichheit vor dem Gesetz. Bei einer solchen Rechtslage habe der Kleine Rat eine Lösung finden müssen, welche "zugleich den Wünschen der einheimischen Fischer entgegenkommt, die Interessen des Fremdenverkehrs berücksichtigt und das Ansehen des Kantons wahrt".
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Ob die vom bündnerischen Gesetzgeber getroffene Lösung Fehler aufweise oder nicht, ist unerheblich. Einschreiten könnte das Bundesgericht nur, wenn der Kanton sein Regal in einer verfassungswidrigen Weise überspannt hätte. Dies trifft nicht zu.
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Zu Unrecht machen die Beschwerdeführer geltend, die erhobenen Regalgebühren seien verfassungswidrig, soweit sie prohibitiv seien. Der Kanton darf nach dem Gesagten die ausserkantonalen Sportfischer davon abhalten, ihren Sport während der ganzen neunmonatigen Fangzeit auszuüben, und ![]() | 36 |
Auch der Hinweis der Beschwerdeführer auf das Prinzip der Verhältnismässigkeit geht fehl. Regalgebühren mit Fiskalcharakter dürfen gerade mehr als kostendeckend sein. Ob man fiskalisch ausgestaltete Regalgebühren als "Sondersteuern" bezeichnen will, ist eine Frage der Benennung. Auf keinen Fall ist einzusehen, weshalb eine solche Sondersteuer unter dem Gesichtspunkt der Fiskalhoheit der Kantone unzulässig sein soll, wie die Beschwerdeführer behaupten. Der Kanton bestimmt im Rahmen der Verfassung seine Abgabenobjekte frei.
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Ebensowenig hilft den Beschwerdeführern der Hinweis auf den Finanzausgleich. Dieser soll ja gerade finanzschwachen Kantonen dienen, die trotz Ausschöpfung der eigenen Finanzquellen - und dazu gehören auch die Regalrechte - ihre Ausgaben nicht aus eigenen Kräften decken können.
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6. Die Beschwerdeführer weisen schliesslich darauf hin, dass die Sportfischerei längst die Kantonsgrenzen gesprengt habe und durch ihre finanziellen Leistungen dazu beitrage, den Edelfischbestand über jene Grenzen hinweg zu erhalten und zu entwickeln. Deshalb könne man heute den Fischbestand nicht mehr als ein Gut erachten, das den Kantonseinwohnern allein gehöre. Damit wird im Grunde geltend gemacht, die kantonalen ![]() | 42 |
Im Rahmen des geltenden Rechts kann deshalb dem Bündner Gesetzgeber nicht vorgeworfen werden, er habe die Verfassung zum Nachteil der ausserkantonalen Schweizerbürger verletzt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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