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82. Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Juli 1969 i.S. Hausmann gegen Basel-Stadt, Regierungsrat. | |
Regeste |
Miteigentum. |
Verhältnis zwischen den Pfandrechten an der Sache selbst einerseits und an Miteigentumsanteilen anderseits. |
Tragweite der Vorschrift, wonach die Miteigentümer die Sache selbst nicht mehr mit Grundpfandrechten belasten dürfen, wenn solche an Miteigentumsanteilen bestehen (Art. 648 Abs. 3 ZGB). |
Diese Vorschrift verbietet nach ihrem Sinn und Zweck nicht, an der Sache selbst ein Pfandrecht zu errichten, das den bereits bestehenden Pfandrechten an Miteigentumsanteilen vorgeht, wenn alle Beteiligten, insbesondere die Gläubiger der Pfandrechte an den Anteilen, damit einverstanden sind. |
Für die Zustimmung dieser Gläubiger genügt eine schriftliche Erklärung. | |
Sachverhalt | |
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Am 29. November 1966 beurkundete Notar Dr. Andreas Saxer einen "Nachtrag zur Grundpfandverschreibung von Fr. 75 000.-- im I. Rang auf Parzelle 3998 ...", der u.a. vorsah, dass diese Grundpfandverschreibung um Fr. 10 000.-- auf Fr. 85 000.-- erhöht werde und dass die drei Miteigentümer Hans, Werner und Gertrud Hausmann sowie die Ehefrau des Miteigentümers Werner Hausmann der Gläubigerin diesen Betrag solidarisch schulden. In einem schriftlichen "Nachtrag zum Inhaberschuldbrief von Fr. 35 000.-- im II. Rang auf ein Drittel-Anteil von Parzelle 3998 ..." erklärte der Schuldbriefgläubiger mit Zustimmung einer als "Forderungspfandgläubigerin" bezeichneten Bank "den Rücktritt für sein gegenwärtiges Pfandrecht hinter einen Vorgang von nun Fr. 85 000.-- im I. Rang mit Zins bis 7%".
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Am 17. April 1967 wies das Grundbuchamt des Kantons Basel-Stadt den Antrag Dr. Saxers auf Eintragung der von ihm beurkundeten Änderung der Grundpfandverschreibung ab, weil nach der zwingenden Vorschrift von Art. 648 Abs. 3 ZGB das Grundstück als ganzes nicht mehr verpfändet werden könne, wenn einzelne Miteigentumsanteile verpfändet wurden.
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Die Beschwerde der drei Miteigentümer gegen diese Verfügung wurde am 9. November 1967 vom Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt als erstinstanzlicher und am 10. September 1968 vom Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt als zweitinstanzlicher kantonaler Aufsichtsbehörde in Grundbuchsachen abgewiesen.
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Gegen den Entscheid des Regierungsrates haben die Miteigentümer beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde ![]() | 5 |
Der Regierungsrat und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) beantragen in ihren Vernehmlassungen die Abweisung der vorliegenden Beschwerde.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist das Grundbuchamt an, die verlangte Eintragung vorzunehmen.
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Erwägungen: | |
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"Jeder Miteigentümer ist befugt, die Sache insoweit zu vertreten, zu gebrauchen und zu nutzen, als es mit den Rechten der anderen verträglich ist.
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Zur Verässerung oder Belastung der Sache, sowie zur Veränderung ihrer Zweckbestimmung bedarf es, insofern sie nicht einstimmig anders verfügt haben, der Übereinstimmung aller Miteigentümer."
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Das am 1. Januar 1965 in Kraft getretene Bundesgesetz über die Änderung des Vierten Teiles des ZGB (Miteigentum und Stockwerkeigentum) vom 19. Dezember 1963 (AS 1964 S. 993 ff.) ersetzte in Art. 648 Abs. 2 ZGB den eingeschobenen Nebensatz "insofern sie nicht einstimmig anders verfügt haben" durch den an den Schluss gestellten Nebensatz "soweit diese (die Miteigentümer) nicht einstimmig eine andere Ordnung vereinbart haben". Diese Änderung ist lediglich redaktioneller Natur (BBl 1962 II 1508; MEIER-HAYOZ, 4. Aufl. 1966, N. 20 zu Art. 688 ZGB).
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Aus Art. 648 Abs. 2 ZGB alter und neuer Fassung geht unzweifelhaft hervor, dass es grundsätzlich möglich ist, eine im Miteigentum stehende Sache als solche zu verpfänden, wenn alle Miteigentümer dieser Verfügung zustimmen.
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Die Befugnis, den Miteigentumsanteil zu verpfänden, die nach dem bei der Revision von 1963 nicht geänderten Art. 646 Abs. 3 ZGB jedem Miteigentümer zusteht, bleibt auch dann bestehen, ![]() | 13 |
Der Umstand, dass das Pfandrecht an der Sache selbst und dasjenige an einem Miteigentumsanteil rechtlich nicht den gleichen Gegenstand haben, ändert jedoch nichts daran, dass das Pfandrecht am Anteil letztlich wie das Pfandrecht an der ganzen Sache die Befriedigung des Gläubigers aus dem Wert der Sache bzw. aus einer bestimmten Quote dieses Wertes gewährleisten soll. Kommt es zur Verwertung der Sache selbst, was nicht nur infolge Betreibung durch den Gläubiger, dem die ganze Sache verpfändet ist, sondern wenigstens nach den bisher geltenden Vorschriften über die Zwangsverwertung von Grundstücken (Art. 73 lit. b und 102 VZG) auch infolge Betreibung durch den Gläubiger, dem ein Anteil verpfändet ist, geschehen kann, so muss entschieden werden, wieweit der Erlös dem einen und dem andern Pfandgläubiger zukommt. Über die Frage, in welchem Verhältnis die beiden Pfandrechte zueinander stehen, muss aber ![]() | 14 |
2. Während nie bezweifelt wurde, dass die einzelnen Miteigentumsanteile auch nach Verpfändung der Sache selbst verpfändet werden können (Erw. 1 hievor), war unter der Herrschaft der ursprünglichen Fassung von Art. 648 ZGB umstritten, ob umgekehrt eine Verpfändung der Sache selbst auch dann noch zulässig sei, wenn einer oder mehrere der Miteigentümer ihren Anteil verpfändet haben. LEEMANN (2. Aufl. 1920, N. 29 zu Art. 648 ZGB) hielt dafür, das sei rechtlich möglich; das Pfandrecht an der Sache selbst trete dann "für die bereits verpfändeten Anteile in den nachgehenden Rang"; mit Rücksicht auf die grossen Schwierigkeiten, die dadurch für die Pfandverwertung entstehen, sollte indes "die Verpfändung der Sache, nachdem bereits einzelne Anteile verpfändet worden sind, vermieden" werden. Demgegenüber vertraten namentlich GUHL (ZBJV 1917 S. 52), HAAB (N. 24 zu Art. 646 ZGB), FRIEDRICH (ZSR 1956 II 227 a) und MEIER-HAYOZ (3. Aufl. 1959, N. 29 zu Art. 648 ZGB) die Auffassung, nach Verpfändung einzelner Anteile sei die Verpfändung der Sache selbst nicht bloss unerwünscht, sondern unzulässig. Diese Auffassung wurde namentlich mit den - auch von LEEMANN anerkannten - grossen ![]() | 15 |
Der vorherrschenden Lehre folgend, fügte das Bundesgesetz vom 19. Dezember 1963 dem Art. 648 ZGB einen dritten Absatz bei, der lautet:
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"Bestehen Grundpfandrechte oder Grundlasten an Miteigentumsanteilen, so können die Miteigentümer die Sache selbst nicht mehr mit solchen Rechten belasten."
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Zu dieser Bestimmung, die in ihrem wesentlichen Inhalt auf die Vorentwürfe vom Mai 1957 und April 1958 zurückgeht, führt die Botschaft des Bundesrates vom 7. Dezember 1962 (BBl 1962 II 1461 ff.), die das Ergebnis der Beratungen der Studienkommission für das Stockwerkeigentum über die von ihr geprüften Vorentwürfe, Berichte und Vernehmlassungen zusammenfasst und der die nachfolgenden parlamentarischen Beratungen in diesem Punkte keine neuen Überlegungen beifügten, im wesentlichen aus, das in Art. 648 Abs. 3 ZGB ausgesprochene Verbot solle nicht nur die praktischen Schwierigkeiten der Zwangsverwertung vermeiden, sondern beruhe "auf einer grundsätzlichen theoretischen und praktischen Notwendigkeit"; zwischen den Pfandrechten an der Sache selbst und jenen an den Anteilen könne wegen Verschiedenheit der Pfandgegenstände kein Rangverhältnis bestehen; die Pfandrechte am einen und die am andern Gegenstand hätten aber das gleiche Verwertungssubstrat; bei Versteigerung der Sache auf Betreiben der Gläubiger, denen sie verpfändet ist, erwerbe der Ersteigerer an ihr Alleineigentum; da das Miteigentum untergehe, verlören die Gläubiger, denen Anteile verpfändet waren, ihre Pfandgegenstände; ob die Verwertung einen Überschuss ergebe, aus dem ihnen etwas zukäme, sei ganz unsicher; die Verpfändung der Sache, die bereits zum Verwertungssubstrat für Pfandrechte an Miteigentumsanteilen gemacht worden sei, müsse aber, wie HAAB in N. 24 zu Art. 646 ZGB ausführe, auch deswegen (gemeint: im Hinblick auf die Verfügung, die mit dieser Verpfändung ![]() | 18 |
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a) Eine nach der Verpfändung von Miteigentumsanteilen erfolgende Verpfändung der Sache selbst schafft bei der Zwangsverwertung dann erhebliche Schwierigkeiten, wenn das damit begründete Pfandrecht an der Sache selbst den Pfandrechten an den Miteigentumsanteilen nachgeht, d.h. wenn der Gläubiger, dem die Sache verpfändet ist, erst nach Befriedigung der Gläubiger, denen Anteile verpfändet sind, auf den Erlös der Sache Anspruch erheben kann. Es ist sehr schwierig, wenn überhaupt möglich, in einem solchen Fall einerseits die Rechte des Gläubigers, dem die Sache selbst verpfändet ist, zu wahren, anderseits aber zu vermeiden, dass die Miteigentümer, welche ihre Anteile nicht verpfändet haben, gegenüber den anderen in ungerechtfertigter Weise benachteiligt werden. Die Probleme, die sich bei der Zwangsverwertung stellen, wenn die Pfandrechte an der Sache selbst denen an Miteigentumsanteilen vorgehen, sind dagegen sehr wohl lösbar (vgl. Art. 73 lit. b VZG undBGE 69 III 12ff.). Soweit das Verbot der Belastung der Sache selbst nach Belastung von Miteigentumsanteilen das Entstehen erheblicher Schwierigkeiten bei der Zwangsverwertung verhindern soll, kann es sich also seinem Zwecke nach nur gegen die - von LEEMANN (a.a.O.) ins Auge gefasste und für rechtlich möglich gehaltene - Errichtung von solchen Pfandrechten an der Sache selbst richten, welche den Pfandrechten an den Miteigentumsanteilen nachgehen.
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Da im vorliegenden Falle die Miteigentümer selbst ein dem Pfandrecht am verpfändeten Anteil vorgehendes Pfandrecht am Grundstück errichten wollen, braucht heute nicht entschieden ![]() | 21 |
b) Gleich wie der Gläubiger, dem die Sache selbst verpfändet ist, kraft seines Pfandrechts gegenüber den Gläubigern, denen nachher Miteigentumsanteile verpfändet werden, ein Vorrecht auf die von seinem Pfandrecht erfasste Quote des Grundstückswertes besitzt (Erw. 1 hievor, am Ende), hat ein Gläubiger, dem vor Verpfändung der Sache selbst ein Miteigentumsanteil verpfändet wurde, bis zur Höhe der Pfandsumme ein Vorrecht auf den Bruchteil des Grundstückswertes, der dem quotenmässigen Umfang des verpfändeten Miteigentumsanteils entspricht (vgl. die in Erw. 2 hievor zusammengefassten Ausführungen im Kommentar HAAB und in der Botschaft vom 7. Dezember 1962). Ein solcher Gläubiger braucht sich daher nicht gefallen zulassen, dass die Miteigentümer ein seinem Pfandrecht vorgehendes Pfandrecht an der Sache selbst errichten, es wäre denn, dass vor Verpfändung des Miteigentumsanteils zulasten des im Miteigentum stehenden Grundstücks eine leere Pfandstelle geschaffen ![]() | 22 |
c) Das Bestehen von Grundpfandrechten an der Sache selbst bedeutet, wie die zutreffenden Ausführungen der bundesrätlichen Botschaft über die möglichen Folgen einer von Gläubigern solcher Pfandrechte veranlassten Verwertung der Sache zeigen, ganz allgemein eine Gefahr für den Fortbestand des Miteigentums und damit auch einen erheblichen Nachteil für die Inhaber von Miteigentumsanteilen. Abgesehen davon, dass die Miteigentümer riskieren, ihre Anteile infolge Untergangs des Miteigentums zu verlieren, kann das Bestehen von Pfandrechten an der Sache selbst auch die Belehnung der Anteile erschweren. Der Gesetzgeber hat aber hieraus nicht die Folgerung gezogen, die Begründung von Miteigentum zu verbieten, solange Pfandrechte an der Sache selbst bestehen, und die Verpfändung einer Sache nach der Begründung von Miteigentum daran allgemein zu untersagen. Er lässt vielmehr die Pfandrechte an der Sache selbst, wenn daran Miteigentum begründet wird, einfach fortbestehen (vgl. BBl 1962 II 1501 Abs. 2) und erlaubt den Miteigentümern sogar die Neubegründung solcher Pfandrechte; das wenigstens solange, als keine Pfandrechte an Anteilen bestehen (Art. 648 Abs. 2 und 3 ZGB). Unter dem Gesichtspunkte der Gefährdung des Miteigentums macht es aber keinen Unterschied aus, ob die Pfandrechte an der Sache selbst vor oder nach der Verpfändung von Anteilen begründet werden; die Gefährdung ist vielmehr in beiden Fällen die gleiche. Da der Gesetzgeber es nicht für nötig hielt, allgemein zu verhindern, dass an einer im Miteigentum stehenden Sache diese selbst erfassende Pfandrechte ![]() | 23 |
d) Art. 648 Abs. 3 ZGB verbietet also den Miteigentümern eines Grundstücks schlechthin, dieses nach der Verpfändung von Miteigentumsanteilen mit Pfandrechten zu belasten, die den Anteilspfandrechten nachgehen würden, weil dadurch bei der Zwangsverwertung grosse Schwierigkeiten entstünden. Ferner verbietet diese Vorschrift den Miteigentümern, nach der Verpfändung von Anteilen das Grundstück selbst gegen den Willen der Anteilspfandgläubiger mit einem den Pfandrechten an den Anteilen vorgehenden Pfandrecht zu belasten, weil das ein unzulässiger Eingriff in die Rechte der Anteilspfandgläubiger wäre. Sie schliesst dagegen nach ihrem Sinn und Zweck nicht aus, dass ein solches Pfandrecht mit Zustimmung der Gläubiger der Pfandrechte an den Anteilen errichtet wird. Diese Auffassung wurde denn auch, wie die Beschwerdeführer mit Recht bemerken, schon in den Beratungen der Studienkommission für das Stockwerkeigentum vertreten (Protokoll der Sitzungen vom 18. bis 20. und 23. September 1957, S. 17: Voten Cavin und Liver; abweichend das Votum Deschenaux). Warum der entsprechende ![]() | 24 |
"... Wird die Sache verwertet und erzielt sie keinen Überschuss über die Forderungen der Gläubiger, denen sie als Pfand haftet, so gehen die Gläubiger, denen die Anteile als Pfand haften, leer aus, und die Anteile verschwinden; daher müssen denn auch die Gläubiger, denen die Anteile haften, in die nachträgliche Belastung der Sache einwilligen."
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In der bundesrätlichen Botschaft und bei der parlamentarischen Beratung wurde die Frage, ob nach der Verpfändung von Miteigentumsanteilen auch das Grundstück selbst noch verpfändet werden könne, falls die Anteilspfandgläubiger zustimmen, nicht erörtert, und auch das Schrifttum behandelt diese Frage nicht. Wie zuzulassen ist, dass das Rangverhältnis zwischen beschränkten dinglichen Rechten am gleichen Gegenstand durch Vereinbarung aller Beteiligten abweichend von der gesetzlichen Ordnung geregelt wird (WIELAND N. 4, HOMBERGER N. 21 zu Art. 972 ZGB; LIVER, Einleitung zum 21. Titel, N. 42; Art. 812 Abs. 2 ZGB), darf grundsätzlich auch zugelassen werden, dass beim Bestehen von Pfandrechten, die rechtlich nicht den gleichen Gegenstand betreffen, aber das gleiche "Verwertungssubstrat" haben, die Beteiligten die Frage, in welcher Reihenfolge sie dieses Substrat für die Deckung ihrer Forderungen in Anspruch nehmen können, in allseitigem Einverständnis abweichend von der aus dem Gesetz sich ergebenden Ordnung regeln. Art. 648 Abs. 3 ZGB beschränkt diese Befugnis nach seinem wahren Sinn nur insofern, als er den Miteigentümern zur Vermeidung von grossen Schwierigkeiten bei der Zwangsverwertung schlechthin (auch für den Fall des Einverständnisses aller Beteiligten) verbietet, das Grundstück selbst nach Verpfändung von Anteilen mit einem Pfandrecht zu belasten, das den Anteilspfandrechten im angegebenen Sinne (hinsichtlich der Reihenfolge des Zugriffs auf das gemeinsame Verwertungssubstrat) nachgehen würde.
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