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40. Auszug aus dem Urteil vom 29. April 1970 i.S. Politische Gemeinde Bachs gegen Regierungsrat des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Gemeindeautonomie |
Verhältnis von § 182 zürch. EG/ZGB (Kompetenz des Regierungsrats zum Erlass von Vorschriften auf dem Gebiete des Heimat- und Naturschutzes) zu § 68 a zürch. Baugesetz (Befugnis der Gemeinde zum Erlass einer Bauordnung mit Zonenplan) (Erw. 3). |
Das Bachsertal stellt eine schützenswerte Landschaft i.S. von § 182 EG/ZGB dar; die bezügliche Schutzverordnung vom 3. Juli 1969 verletzt die Gemeindeautonomie nicht (Erw. 4-6). | |
Sachverhalt | |
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I. Zone: Naturschutzgebiet
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II. Zone: Landwirtschaftsgebiet
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III. Zone: Baugebiet (Bauten mit Bewilligung der Baudirektion)
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IV. Zone: Wald.
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Der Schutzverordnung ist ein Zonenplan beigegeben, der Bestandteil der Verordnung ist (§ 2 der Schutzverordnung).
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Gemäss § 5 ff. der Schutzverordnung sind im Landwirtschaftsgebiet (Zone II) Bauten nur zulässig, soweit sie für die Ausübung der herkömmlichen Land- und Waldwirtschaft notwendig sind und sich zudem gut in das Landschaftsbild einfügen. Dabei bedürfen alle Vorkehrungen und Einrichtungen, die im Landschaftsbild in Erscheinung treten, einer Bewilligung der Direktion der öffentlichen Bauten.
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Was das Baugebiet (Zone III) anbelangt, so bestimmt § 10 der Schutzverordnung, dass Bauten mit Bewilligung der Direktion der öffentlichen Bauten zulässig seien, dass aber die in § 8 festgelegten Bach- und Waldabstände zu beachten seien. - Die Gemeinde Bachs zählt gegenwärtig 430 Einwohner, wovon nicht ganz die Hälfte auf Aussenhöfen wohnt. Das im Zonenplan ausgeschiedene Baugebiet umfasst einschliesslich des heute bereits überbauten Gebiets 25 ha und soll es ermöglichen, rund 1000 Personen in Einfamilienhäusern anzusiedeln. Die neu geschaffenen Baugebiete liegen
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- am Südhang westlich von Neu-Bachs und nördlich der Kantonsstrasse Bachs-Kaiserstuhl/AG (Baugebiet I),
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- südlich von Alt-Bachs auf einem leicht nach Norden geneigten Gelände (Baugebiet III).
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Das Baugebiet II soll sich nach Ansicht der kantonalen Behörden auch zur Ansiedlung von gewerblichen Betrieben eignen.
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B.- Die Gemeinde Bachs führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV und der Gemeindeautonomie (Art. 48 KV). Sie stellt folgende Anträge:
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"1. Die Verordnung zum Schutze des Bachsertales vom 3. Juli 1969 mit zugehörigem Zonenplan sei aufzuheben.
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2. Eventuell: Die Verordnung zum Schutze des Bachsertales vom 3. Juli 1969 mit zugehörigem Zonenplan seien mit Bezug auf die III. Zone (Bauten mit Bewilligung der Direktion der öffentlichen Bauten) aufzuheben.
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3. Eventuell: Der Bestandteil der Verordnung zum Schutze des Bachsertales vom 3. Juli 1969 bildende Zonenplan sei insoweit aufzuheben, als die sogenannte "Eichgass" (= Tobel im Südwesten des Dorfteiles Alt-Bachs, beim Eichhof) der Zone I (Naturschutzgebiet) zugeschieden wird."
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Die Beschwerdebegründung ergibt sich, soweit notwendig, aus den nachfolgenden Erwägungen.
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C.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
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D.- Eine Instruktionskommission des Bundesgerichts hat am 9. März 1970 mit den Parteien einen Augenschein durchgeführt. Für dessen Ergebnis wird auf die nachstehenden Erwägungen verwiesen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Eine Gemeinde ist nach ständiger Rechtsprechung zur Autonomiebeschwerde legitimiert, wenn der kantonale Erlass oder Entscheid sie in ihrer Eigenschaft als Trägerin hoheitlicher Gewalt trifft und sie mit hinreichender Begründung eine Verletzung der Gemeindeautonomie rügt (BGE 95 I 36 mit Hinweisen). Nach Art. 48 zürch. KV sind die Gemeinden befugt, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der Verfassung und Gesetze selbständig zu ordnen. Die Beschwerdeführerin gehört zu denjenigen zürcherischen Gemeinden, deren Gebiet dem kantonalen Baugesetz für Ortschaften mit städtischen ![]() | 20 |
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Die Beschwerdeführerin geht davon aus, der Gemeinde wie dem Bürger stehe im Rechtsetzungsverfahren mindestens dann ein Anspruch auf rechtliches Gehör zu, wenn dabei in schwerwiegender Weise in den Autonomiebereich eingegriffen bzw. einschneidende Eigentumsbeschränkungen erlassen würden. Was das in Art. 4 BV begründete rechtliche Gehör des Bürgers bzw. Grundeigentümers anbelangt, so hat das Bundesgericht in seinem Urteil vom 11. September 1963 i.S. Basler Terraingesellschaft AG (abgedruckt in ZBl 65/1964, S. 216 ff.) erkannt, es bestehe in bezug auf die materielle Rechtsetzung im Sinne des Erlasses genereller und abstrakter Normen grundsätzlich kein derartiger Anspruch; es rechtfertige sich jedoch, die Grundeigentümer im Zusammenhang mit dem Erlass eines städtischen Bebauungsplans mit Rücksicht auf dessen fehlende Abstraktheit anzuhören, und zwar unbekümmert darum, ob es sich bei diesem Zonenplan um einen allgemein verbindlichen Erlass oder um eine Summe von Einzelverfügungen handle. Dabei hat das Bundesgericht insbesondere darauf hingewiesen, dass der Grundeigentümer in der Lage sei, wesentliches zur Sachabklärung und damit zu einer angemessenen Lösung beizutragen.
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Nach § 68 a BG steht es der Beschwerdeführerin frei, ob sie eine Bauordnung mit oder ohne Zonenplan erlassen will oder nicht. Sie ist auf diesem Gebiet "selbständig" im Sinne von Art. 48 KV und damit autonom (BGE 93 I 161 [Volketswil]). Diese Entscheidungsfreiheit wird erheblich eingeschränkt, wenn der Regierungsrat beinahe das ganze Gemeindegebiet gestützt auf § 182 EG/ZGB unter Landschaftsschutz stellt und eine Zonenordnung mit weitreichenden Baubeschränkungen aufstellt. Diese hoheitliche Umschreibung der Baugebiete ist geeignet, sich auf die Weiterentwicklung der Gemeinde entscheidend auszuwirken; sie kann der Ansiedlung neuer Einwohner und Gewerbe unter Umständen hinderlich sein und der Gemeinde erhebliche finanzielle Lasten (inbesondere im Zusammenhang mit einer allfällig notwendigen Erschliessung) auferlegen. Soll die Gemeindeautonomie ihrer Schutzfunktion, wie sie ihr nach der Verfassung und nach der neueren Rechtsprechung zukommt, genügen können, so darf in ihr nicht bloss der verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkt für die Anfechtung und Aufhebung eines zu ihr im Widerspruch stehenden kantonalrechtlichen Erlasses erblickt werden; sie schliesst vielmehr auch ein gewisses Mitspracherecht in sich, welches es der Gemeinde ermöglichen soll, sich im Zusammenhang mit dem Erlass der in ihren Autonomiebereich eingreifenden Vorschriften in angemessenem Umfang vernehmen zu lassen. Dieser Anspruch auf rechtliches Gehör findet seine verfassungsmässige Grundlage mithin nicht in Art. 4 BV, sondern in der Gemeindeautonomie selbst, ja ist mit ihr untrennbar verbunden. Der Regierungsrat glaubt demnach zu Unrecht, ein derartiger Rechtsanspruch stehe der Beschwerdeführerin von verfassungswegen nicht zu.
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In welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt die Gemeinde anzuhören ist, braucht indessen im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Die Vertreter der Beschwerdeführerin wurden vor dem Erlass der angefochtenen Schutzverordnung zu einer Besprechung eingeladen. Diese fand am 27. Juni 1969 in Zürich statt; vonseiten der Beschwerdeführerin nahmen daran der Gemeindepräsident, der Gemeinderatsschreiber sowie vier Mitglieder des Gemeinderats teil. Der Gemeindepräsident ![]() | 25 |
3. § 182 EG/ZGB ermächtigt den Regierungsrat zum Erlass von Schutzverordnungen im Interesse des Natur- und Heimatschutzes. Diese Befugnis schränkt die Gemeindeautonomie ein, denn diese besteht gemäss Art. 48 KV bloss im Rahmen der durch Verfassung und Gesetzgebung gezogenen Schranken (vgl. BGE 93 I 158). Die Beschwerdeführerin bestreitet denn auch nicht, dass der Regierungsrat gestützt auf § 182 EG/ZGB grundsätzlich zum Erlass der angefochtenen Schutzverordnung berechtigt war. Sie macht jedoch geltend, er habe dabei insoweit in ihren durch Verfassung und Gesetz garantierten Autonomiebereich eingegriffen, als er selbständig eine Zonenordnung aufgestellt habe; dieses Recht stehe gemäss § 68 a BG der Gemeinde zu und gehe der regierungsrätlichen Rechtssetzungsbefugnis auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes nach dem Grundsatz "lex posterior derogat legi priori" vor, zumal § 68 a BG die jüngere Gesetzesbestimmung sei. Diese Ansicht geht fehl. Eine Schutzverordnung, die beinahe das ganze Gemeindegebiet zum Gegenstand hat, enthält notwendigerweise eine Aufteilung desselben; mindestens eine Bau- und eine Landwirtschaftszone bzw. ein "übriges Gemeindegebiet" müssen darin ausgeschieden werden, denn eine Gleichbehandlung des ganzen Gemeindegebietes liesse sich mit einem sinnvollen Landschaftsschutz nicht vereinbaren. Die in § 182 EG/ZGB enthaltene regierungsrätliche Kompetenz schliesst mithin bereits ihrem Wesen nach eine gewisse Beschränkung der gemeindlichen Entscheidungsfreiheit auf dem Gebiete des Bauwesens in sich. Dazu kommt, dass auch das 1959 revidierte BG die Belange des Heimatschutzes nicht regelt, so dass es als jüngeres Gesetz ohnehin ausser Betracht fällt. § 182 EG/ZGB und § 68 a BG stehen demnach nicht in positiver Normkonkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich vielmehr in dem Sinn, als die Gemeinde im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit bloss noch insoweit selbständig Bauvorschriften erlassen kann, als diese Befugnis nicht durch eine Heimat- bzw. Landschaftsschutzverordnung eingeschränkt wird. Die Gemeindeautonomie hat somit vor dem von der übergeordneten kantonalen Behörde zu wahrenden Interesse an der Erhaltung ![]() | 26 |
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Die Beschwerdeführerin hält die Schutzverordnung für überflüssig mit der Begründung, es sei ihr bisher gelungen, das Tal vor landschaftsstörenden Überbauungen und Verbauungen zu bewahren. Dieser Einwand ist unbehelflich. Die Rechtssetzungsbefugnis auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes steht - wie bereits in Erw. 3 erwähnt - grundsätzlich dem Regierungsrat zu; ob er von ihr Gebrauch machen will, liegt in ![]() | 28 |
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Die Beschwerdeführerin tut nicht dar, mit welchen andern Mitteln das Orts- und Landschaftsbild ebensogut geschützt werden könnte, sondern sie macht bloss geltend, der Grundsatz der Verhältnismässigkeit sei deshalb verletzt, weil die Schutzverordnung keine Revisionsbestimmung enthalte und ![]() | 30 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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