![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
54. Urteil vom 1. Juli 1970 i.S. "Elan" Hemijska Industrija gegen Tivoli-Werke AG und Obergericht des Kantons Basel-Landschaft. | |
Regeste |
Schiedsvertrag; kantonales Beschwerdeverfahren. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
B.- Am 16. August 1965 rief die Tivoli-Werke AG die Internationale Handelskammer in Paris an mit dem Begehren, es sei ein Schiedsrichter zu bestellen und die "Elan" zu verurteilen, bis zum 19. Juni 1966 gemäss Vertrag Halbfabrikate im Gesamtpreis von DM 2'702,415.-- abzunehmen, eventuell DM 162'145.-- Schadenersatz zu bezahlen.
| 2 |
Die "Elan" bestritt die Zuständigkeit des Schiedsgerichts und beantragte in der Sache selbst Abweisung der Klage, wobei sie insbesondere geltend machte, die Vereinbarung vom 20. Juni ![]() | 3 |
Der Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris bestellte am 13. April 1966 Prof. Dr. E. Fischli, Präsident des Verwaltungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft in Liestal, zum Einzelschiedsrichter. Prof. Fischli führte eine mündliche Verhandlung sowie einen doppelten Schriftwechsel durch und fällte dann am 31. Oktober 1968 einen Schiedsspruch, in welchem er seine Zuständigkeit bejahte und die Beklagte zur Bezahlung von DM 160'000.-- an die Klägerin sowie zur Tragung der Verfahrenskosten verurteilte.
| 4 |
C.- Gegen diesen Schiedsspruch reichte die "Elan" beim Obergericht des Kantons Basel-Landschaft eine Beschwerde ein gestützt auf § 278 ZPO-BL, der in Abs. 1 bestimmt:
| 5 |
"Haben die Schiedsrichter nicht im Rahmen ihrer Befugnisse gehandelt, so kann das Obergericht auf erhobene Beschwerde und nach Anhörung der Parteien das Urteil entweder in seinem ganzen Umfange aufheben oder bloss in den betreffenden Punkten".
| 6 |
Sie beantragte Aufhebung des Schiedsspruchs und machte zur Begründung im wesentlichen geltend, die Schiedsklausel gemäss Punkt 11 des Vertrags vom 20. Juni 1963, auf welche der Schiedsrichter seine Zuständigkeit gestützt habe, sei aus zwei Gründen ungültig. Einmal fehle die nach den massgeblichen jugoslawischen Gesetzen erforderliche und in Punkt 12 des Vertrages vorbehaltene Genehmigung durch die jugoslawischen Behörden. Sodann sei Herr Eremija, der den Vertrag namens der "Elan" unterschrieben habe, weder gemäss Handelsregister noch durch Spezialvollmacht zeichnungsberechtigt gewesen.
| 7 |
Das Obergericht wies die Beschwerde am 29. Oktober 1968 ab. Es begründete seinen Beschluss im wesentlichen damit, dass die vorbehaltene behördliche Genehmigungspflicht sich lediglich auf den materiellen Teil des Vertrages und nicht auf die Schiedsklausel beziehe, sodass das Fehlen der Genehmigung deren Gültigkeit und damit die Zuständigkeit des Schiedsrichters nicht beeinträchtige. Hingegen könnte die geltend gemachte fehlende Zeichnungsberechtigung Herrn Eremijas zum Abschluss der Schiedsvereinbarung an sich die Gültigkeit der Schiedsklausel in Frage stellen, doch sei diese erstmals im ![]() | 8 |
D.- Gegen diesen Beschluss des Obergerichtes erhob die "Elan" am 13. Dezember 1968 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Artikel 4 BV.
| 9 |
Mit Urteil vom 18. Juni 1969 hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut und hob den angefochtenen Beschluss auf. Es liess sich dabei von folgenden Erwägungen leiten: Ob der von der "Elan" neu geltend gemachte Mangel der Vertretungsmacht Eremijas beachtlich war, hange davon ab, ob nach Natur, Sinn und Zweck des in § 278 ZPO vorgesehenen Beschwerdeverfahrens zur Begründung einer rechtzeitig erhobenen Unzuständigkeitseinrede neue Tatsachen aufgrund von § 37 ZPO zu hören oder gemäss § 107 ZPO nicht zu hören seien. Da das Obergericht diese Frage ausschliesslich unter dem Gesichtspunkt des § 107 ZPO geprüft und die für die Entscheidung offensichtlich ebenfalls massgebenden §§ 37 und 278 ZPO völlig ausser acht gelassen habe, habe es seine Prüfungspflicht und damit Art. 4 BV verletzt. Es sei Sache des Obergerichtes, abzuklären, in welchem Verhältnis die §§ 37 und 107 ZPO zueinander und zu § 278 ZPO stehen.
| 10 |
E.- In der Folge wies das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft mit Beschluss vom 23. September 1969 die Beschwerde der "Elan" erneut wegen Verspätung der Einrede der mangelnden Vollmacht Eremijas zum Abschluss der Schiedsklausel ab.
| 11 |
F.- Gegen diesen Entscheid des Obergerichtes hat die "Elan" staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV erhoben mit dem Antrag, ihn aufzuheben. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachstehenden Erwägungen.
| 12 |
G.- Die Tivoli-Werke AG beantragt Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht des Kantons Basel-Lansdchaft und der Schiedsrichter beantragen sinngemäss Abweisung der Beschwerde.
| 13 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Obergericht habe Art. 4 BV verletzt, weil es die entscheidende Frage, ob das von ihm festgestellte Verhältnis zwischen § 37 und § 107 ZPO ![]() | 14 |
15 | |
a) Schiedsverträge, Schiedsklauseln und Prorogationsverträge sind nicht privatrechtlicher Natur, sondern prozessuale Verträge, die vom öffentlichen Recht beherrscht sind. Die Schiedsabrede bewirkt die Unzuständigkeit des an sich zuständigen staatlichen Richters und begründet die Zuständigkeit des ![]() | 16 |
Das basellandschaftliche Zivilprozessrecht hat Geltung und Wirkungen der Offizialmaxime im Schiedsgerichtsverfahren in keiner Weise beschränkt. § 37 ZPO, wonach das Gericht seine Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen hat, gilt im Schiedsgerichtsverfahren gleichermassen wie im ordentlichen Verfahren. Dem Schiedsrichter obliegt keine weniger weitgehende und weniger umfassende Prüfungspflicht hinsichtlich der Zuständigkeitsvoraussetzungen als dem ordentlichen staatlichen Richter. Auch im schiedsgerichtlichen Verfahren hat demnach der Richter für die Zuständigkeit massgebliche Tatsachen in jedem Stadium des Prozesses zu beachten. Dass insbesondere im Beschwerdeverfahren nach § 278 ZPO der Grundsatz der Offizialmaxime nur beschränkt anwendbar sei, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen; dies widerspräche schon Sinn und Zweck dieser Beschwerde, die eigens in Fällen gewährt wird, da die Schiedsrichter nicht im Rahmen ihrer Befugnisse handeln, also gerade auch gegen Entscheide unzuständiger Schiedsrichter. Die mit der Zulassung des Schiedsgerichtsverfahrens den Parteien eingeräumte "Autonomie in der Wahl des Gerichtsstandes", bzw. Richters, hat somit den basellandschaftlichen ![]() | 17 |
b) Die Gültigkeit der Schiedsklausel, bzw. des Schiedsvertrages, ist eine Voraussetzung der Zuständigkeit des Schiedsrichters. Die vom Schiedsrichter von Amts wegen vorzunehmende Prüfung seiner Zuständigkeit bedingt daher die Überprüfung des Schiedsvertrages auf seine Gültigkeit hin. Diese beurteilt sich nach den Bestimmungen des anzuwendenden Prozessrechtes über den Abschluss des Schiedsvertrages. Soweit solche fehlen, kommen die Normen des Privatrechts analog zur Anwendung. Das gilt namentlich hinsichtlich der Frage der Beachtlichkeit von Willensmängeln, während sich die Frage, ob die vertragschliessenden Parteien die nötige Befähigung zum Vertragsabschluss hatten, nach den Normen über die Prozessfähigkeit und über die Prozessvollmacht beurteilt (GULDENER a.a.O. S. 212).
| 18 |
Gemäss § 271 ZPO muss der Schiedsvertrag schriftlich abgefasst und von den Parteien unterzeichnet sein. Weitere Bestimmungen über den Vertragsabschluss enthält die ZPO nicht, sodass für die Beurteilung der Gültigkeit auch die angeführten Grundsätze heranzuziehen sind. Ob nun der Richter seiner Pflicht, den Schiedsvertrag auf seine Gültigkeit hin zu überprüfen, bereits Genüge getan hat, wenn er sich von dessen Schriftlichkeit und dem Vorhandensein der Unterschriften der Parteien überzeugt hat, oder ob er z.B. auch die Zeichnungsberechtigung der Unterzeichneten zu überprüfen und den Vertrag auf allfällige Willensmängel hin zu untersuchen hat, kann offen bleiben. Hier steht allein in Frage, inwieweit das Gericht eine die Gültigkeit des Schiedsvertrages berührende Tatsache, von der es Kenntnis hat, zu beachten verpflichtet ist. Dadurch, dass sich die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren ausdrücklich auf die fehlende Zeichnungsberechtigung Eremijas berief, erhielt es Kenntnis vom allfälligen Vorliegen eines Vertragsmangels. Es handelt sich dabei um eine Tatsache, die für die Zuständigkeit erheblich ist, weshalb sie, um die Fällung eines Sachurteils bei mangelnder Prozessvoraussetzung zu vermeiden, in jedem Stadium des Prozesses vom Gericht zu berücksichtigen ![]() | 19 |
c) Das Obergericht hat entgegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes und ohne sachlich vertretbare Gründe die nach den §§ 37 und 278 ZPO für die Überprüfung der Zuständigkeit geltende Offizialmaxime hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Tatsache der fehlenden Zeichnungsberechtigung Eremijas ausgeschlossen und dafür die Eventualmaxime des § 107 ZPO sowie das Novenrecht des § 130 ZPO anwendbar erklärt. Indem es gestützt auf diese völlig unhaltbare Auslegung der Zivilprozessordnung auf die im Beschwerdeverfahren erhobene Einrede der fehlenden Vollmacht wegen Verspätung nicht eingegangen ist, hat es seine Überprüfungsbefugnis willkürlich beschränkt. Dadurch hat es der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör verweigert und damit Art. 4 BV verletzt (BGE 92 I 80 lit. c). Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben.
| 20 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 21 |
22 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |