BGE 96 I 437 | |||
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68. Auszug aus dem Urteil vom 4. November 1970 i.S. von Däniken gegen Staatsanwaltschaft und Kantonsgericht Graubünden. | |
Regeste |
Art. 4 BV; Art. 9 Abs. 3 KV; Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel; Unverletzlichkeit des Hausrechts. | |
Sachverhalt | |
Erich von Däniken wurde im Februar 1969 vom Kantonsgericht des Kantons Graubünden der wiederholten und fortgesetzten Veruntreuung, des Betrugs, des gewerbsmässigen Betrugs sowie der wiederholten und fortgesetzten Urkundenfälschung schuldig erklärt und zu 3 1/2 Jahren Zuchthaus, abzüglich 300 Tage Untersuchungshaft, sowie zu 3000 Franken Busse verurteilt. Er führte staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV und Art. 9 Abs. 3 KV (Unverletzlichkeit des Hausrechts). Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
3. Ein Teil des den Beschwerdeführer belastenden Materials wurde am 21. Oktober 1968 anlässlich einer Durchsuchung des vom Beschwerdeführer gepachteten, zu jener Zeit geschlossenen Hotels Rosenhügel in Davos gefunden. Der Untersuchungsrichter leitete im September 1968 eine Strafuntersuchung ein, nachdem er erfahren hatte, dass der auf einer Weltreise abwesende Beschwerdeführer dem Kurverein Davos Kurtaxen im Betrage von rund Fr. 8000.-- schuldete, und nachdem im Amtsblatt zwei Konkursandrohungen und drei Zahlungsbefehle publiziert worden waren. Im Laufe des weitern Verfahrens liess der Untersuchungsrichter das Hotel des Beschwerdeführers zunächst zwecks Sicherung allfälligen Beweismaterials versiegeln. Als der Bruch der Siegel festgestellt wurde, ordnete der Untersuchungsrichter am 21. Oktober 1968 die Hausdurchsuchung an. Dabei wurden eine Reihe von Schriftstücken beschlagnahmt, welche für die weitere Untersuchung von Bedeutung waren.
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In der staatsrechtlichen Beschwerde wird geltend gemacht, durch diese Hausdurchsuchung sei Art. 9 Abs. 3 KV (Unverletzlichkeit des Hausrechtes) missachtet worden; denn die Voraussetzung der Hausdurchsuchung - das Vorliegen bestimmter Verdachtsgründe - habe gefehlt, und entgegen Art. 94 Abs. 3 des bündnerischen Gesetzes über die Strafrechtspflege vom 8. Juni 1958 (StPO) seien weder die Ehefrau des abwesenden Beschwerdeführers noch der mit der Interessenwahrung beauftragte Rechtsanwalt Dr. Wäsch, Davos, zur Hausdurchsuchung beigezogen worden. Das Fehlen eines Protokolls mit der Angabe bestimmter Verdachtsgründe wird überdies als formelle Rechtsverweigerung gerügt. Aus der Behauptung, anlässlich der Hausdurchsuchung seien wesentliche Verfahrensvorschriften sowie Art. 9 Abs. 3 KV verletzt worden, zieht der Beschwerdeführer den Schluss, das auf diesem Wege gefundene Beweismaterial dürfe bei der Beurteilung nicht verwendet werden, da es sich um rechtswidrig erlangte Beweise handle.
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a) Art. 9 Abs. 3 KV garantiert das Hausrecht ("Hausuntersuchungen dürfen nur in den vom Gesetz bestimmten Fällen und unter Beobachtung der vorgeschriebenen Formen durch die zuständigen Beamten vorgenommen werden"). Art. 94 StPO (Marginale: "Hausdurchsuchung") lautet:
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"Die Hausdurchsuchung darf nur auf bestimmte, im Protokoll anzugebende Verdachtsgründe hin stattfinden.
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Sie bezweckt die Festnahme eines Angeschuldigten oder Verdächtigen, die Erhebung von wesentlichen Beweismitteln oder die Rekonstruktion der Vorgänge bei Begehung der Tat.
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Der Untersuchungsrichter ordnet für die Hausdurchsuchung das Notwendige an. Er hat dabei mit gebührender Schonung, unter Wahrung des Untersuchungszweckes, vorzugehen. In der Regel wird die Hausdurchsuchung in Gegenwart des Eigentümers des Hauses bezw. Inhabers der Wohnung oder seines Vertreters durchgeführt".
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Dass die Hausdurchsuchung vom zuständigen Beamten angeordnet wurde (Art. 94 Abs. 3 StPO), ist unbestritten. An die Bestimmtheit der Verdachtsgründe als Voraussetzung der Untersuchungshandlung können bei einer Hausdurchsuchung keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Es handelt sich dabei um eine Massnahme, die - gerade bei Betrugsfällen - oft in der ersten Phase des Strafverfahrens notwendig ist, wenn die Untersuchungsinstanz auf Grund einiger konkreter Anzeichen Anlass hat, sich vom gesamten Geschäftsgebaren eines Angeschuldigten ein Bild zu verschaffen. Im vorliegenden Fall hat der zuständige Untersuchungsrichter zunächst die Siegelung des Hotels verfügt. Erst als festgestellt wurde, dass jemand unter Bruch der Siegel ins Hotel eingedrungen war, wurden die Räume durchsucht und das vorhandene Beweismaterial beschlagnahmt. Für eine Hausdurchsuchung waren in diesem Zeitpunkt genügend Verdachtsgründe vorhanden, zumal sich der überschuldete Beschwerdeführer auf eine Weltreise begeben hatte und der Verdacht bestand, er könnte sich die hiefür benötigten Mittel durch betrügerische Machenschaften beschafft haben. Dem Untersuchungsrichter war zudem bekannt, dass der Beschwerdeführer über die Einleitung eines Strafverfahrens ins Bild gesetzt worden war. Unter diesen Umständen ist die Anordnung einer Hausdurchsuchung nicht zu beanstanden; der Untersuchungsrichter blieb damit im Rahmen der ihm nach Art. 94 StPO zustehenden Befugnisse und verstiess nicht gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete Hausrecht.
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Der Grund für die Untersuchungsmassnahme wurde im abschliessenden Hausdurchsuchungsbericht vom 26. November 1968 mit dem Ausdruck "Vermögensdelikte" nur summarisch angegeben, weil hinterher nach dem Ergebnis der Massnahme eine ausführliche Darlegung der Verdachtsgründe als überflüssig erschien. Im massgebenden Hausdurchsuchungsbefehl vom 21. Oktober 1968 wurde die Ausgangslage mit der Wendung "Veruntreuung und Betrugsverdacht" so genau umschrieben, wie es nach dem damaligen Stand der Dinge möglich war. Eine ungenügende Protokollierung der tatsächlich vorhandenen Verdachtsgründe hätte im übrigen einer Berücksichtigung der beschlagnahmten Schriftstücke nicht entgegengestanden, da ein solcher Formmangel nicht die Unverwertbarkeit der erlangten Beweise zur Folge haben kann. Was unter lit. b hinsichtlich der Folgen eines vorschriftswidrigen Verzichts auf den Beizug eines Vertreters auszuführen ist, gilt sinngemäss auch für den Fall unvollständiger Protokollierung der Verdachtsgründe.
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b) Das sogenannte "Verbot der Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel" bedeutet nicht, dass Formfehler, welche im Zusammenhang mit der Beschaffung eines Beweismittels begangen werden, den Richter in jedem Fall daran hindern, auf den betreffenden Beweis abzustellen (vgl. H. WALDER, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Strafprozess, ZStR 1966, S. 36 ff.; H. SENDLER, Die Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel im Strafprozess, Diss. Berlin 1956). Eine unzulässige Verwertung rechtswidrig erlangter Beweise liegt nur vor, wenn Beweismittel berücksichtigt werden, die rechtmässig nicht beschafft werden können. Schliessen beispielsweise Gesetz oder Rechtsprechung die Narkoanalyse aus, so darf auf das Ergebnis einer solchen Untersuchung nicht abgestellt werden. Schreibt das Gesetz vor, dass Zeugen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht aufmerksam zu machen sind, so erscheint es als folgerichtig, Aussagen einer zeugnisverweigerungsberechtigten Person, die nicht ordnungsgemäss auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hingewiesen worden ist, von der Verwertung auszuschliessen, sobald der Befragte nach gehöriger Belehrung von seinem Recht Gebrauch macht (vgl. dazu E. SCHMIDT, Lehrkommentar zur deutschen StPO, Göttingen 1957, S. 121, N. 21 zu § 52; noch weitergehend § 42 StPO Basel-Stadt). Ähnlich verhält es sich, wenn Aufzeichnungen zeugnisverweigerungsberechtigter Personen trotz ausdrücklichem gesetzlichem Beschlagnahmeverbot dennoch zu den Akten genommen werden (vgl. WALDER, a.a.O., S. 50; SENDLER, a.a.O., S. 161; K. PETERS, Strafprozess, Karlsruhe 1952, S. 244 lit. b). Wird indessen bei der Beschaffung eines Beweises eine Verfahrensvorschrift missachtet, die weder bestimmt noch geeignet ist, die Beibringung dieses Beweismittels zu verhindern, so bewirkt dies nicht, dass der auf diesem Weg erhobene Beweis nicht verwertet werden dürfte.
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Art. 94 Abs. 3 StPO sieht vor, dass die Hausdurchsuchung in der Regel in Gegenwart des Eigentümers des Hauses bzw. Inhabers der Wohnung oder seines Vertreters durchgeführt werden soll. Nach dem Gesagten ergibt sich, dass die anlässlich der Hausdurchsuchung sichergestellten Beweismittel selbst dann hätten verwendet werden dürfen, wenn die Untersuchungsbehörden im vorliegenden Fall zu Unrecht von der soeben erwähnten Regel abgewichen wären, denn diese soll lediglich dazu dienen, den Eingriff in die Privatsphäre zu mildern; der Wohnungsinhaber oder sein Vertreter haben keine Möglichkeit, durch ihre Anwesenheit auf legalem Wege die Beschlagnahme von Beweismaterial zu verhindern. Der Vorwurf einer unzulässigen Verwendung rechtswidrig erlangter Beweismittel erweist sich daher als unbegründet.
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