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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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107. Auszug aus dem Urteil vom 23. Dezember 1970 i.S. Vischer und Schmid gegen Kantonsrat und Regierungsrat des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Kantonales Gesetz, das zum Schutz der Flughafenanwohner vor Fluglärm entschädigungspflichtige Eigentumsbeschränkungen vorsieht und die Finanzierung solcher Entschädigungen durch Fonds regelt. |
a) Begriff der "gebundenen Ausgabe" (Bestätigung der Rechtsprechung); eine solche sind die gestützt auf das Fluglärmgesetz zu bezahlenden Entschädigungen (Erw. 3). |
b) Die Einlagen in einen Fonds sind wie Ausgaben zu behandeln und der Volksabstimmung zu unterstellen, sofern die dafür massgebenden Beträge erreicht sind (Erw. 4). |
2. Delegation von Befugnissen der kantonalen gesetzgebenden Behörde an die kantonale Exekutive; Voraussetzungen für die Zulässigkeit (Erw. 5). |
3. Derogatorische Kraft des Bundesrechts (Erw. 6). | |
Sachverhalt | |
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In der Volksabstimmung vom 27. September 1970 nahmen die Zürcher Stimmbürger das "Gesetz über Massnahmen gegen die Auswirkungen von Fluglärm und Abgasen in den Randgebieten des Flughafens Zürich (Fluglärmgesetz)" an. Nach diesem Gesetz (FLG) unterliegen die Erstellung von Neubauten und die Benützung bestehender Gebäude den Beschränkungen, die erforderlich sind, um bestehende und voraussehbare Auswirkungen des Lärms und der Abgase von Flugzeugen, die bei ![]() | 2 |
"§ 8. Der Fonds wird aus den Überschüssen der Spezialrechnung für den Flughafen Zürich geäufnet. Für die ersten drei Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes werden diese Einlagen auf je zehn Millionen Franken festgesetzt. In den folgenden Jahren kann der Kantonsrat jährlich bis zu fünf Millionen Franken zuweisen.
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" Reichen die Erträgnisse der Spezialrechnung für den Flughafen Zürich während der ersten drei Jahre nicht aus, so ist der zusätzlich erforderliche Betrag der Ordentlichen Betriebsrechnung zu belasten. In den folgenden Jahren kann der Kantonsrat die Ergänzung der Zuweisung bis zum Höchstbetrag der jährlichen Quote zu Lasten der Ordentlichen Betriebsrechnung beschliessen.
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" Solange der Fonds nach Abzug der Einlagen der ersten drei Jahre einen Bestand von zehn Millionen Franken aufweist, ist die weitere Äufnung einzustellen.
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Bernhard Vischer und Hans H. Schmid haben staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und 2 Übbest. BV, Art. 30 Abs. 1 Ziff. 2 KV und des Prinzips der Gewaltentrennung erhoben. Es wird beantragt, das Fluglärmgesetz sei teilweise (§ 2 Abs. 3 und 4, § 5 Abs. 3 und §§ 6-10), ev. ganz aufzuheben. Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen.
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Aus den Erwägungen: | |
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Wie das Bundesgericht in den letzten Jahren verschiedentlich ausgeführt hat, ist der Sinn des Begriffs der Neuheit einer Ausgabe aus dem verfassungspolitischen Zweck des Ausgabenreferendums zu gewinnen. Dieser besteht einmal darin, dass dem Bürger ein Mitspracherecht gewährleistet sein soll bei Ausgaben, deren Grösse seine Belastung als Steuerzahler betrifft. Ausserdem soll der Stimmberechtigte über die Art und Weise der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben von grosser finanzieller Tragweite mitbefinden dürfen. Das Finanzreferendum will somit dem Volk ein Mitspracherecht bei der Bewilligung von erheblichen Ausgaben sichern, wenn der Verwaltung nach der Rechtslage und den Umständen eine verhältnismässig grosse Handlungsfreiheit zusteht, und nicht nur dann, wenn sie eine Ausgabe beschliesst, die ausserhalb der gesetzlichen Aufgaben liegt. Darf aber angenommen werden, das Volk habe mit einem Erlass auch die aus ihm folgenden Ausgaben bereits bewilligt, so gelten sie als gebunden und unterstehen nicht dem Finanzreferendum. Es wäre nicht sinnvoll, das Volk über die gleiche Ausgabe, über die ![]() ![]() | 9 |
4. Zur Begründung ihres weiteren Vorbringens, die in den §§ 6 ff. FLG getroffene Fondslösung zur Finanzierung der Entschädigungsleistungen stelle eine Umgehung des Finanzreferendums dar, gehen die Beschwerdeführer gleichfalls davon aus, dass es sich dabei um eine neue Ausgabe handle. Da sich diese Auffassung als unrichtig erweist, ist ihrer Rüge schon der Boden entzogen. Ob eine Ausgabe neu oder gebunden ist, kann indessen gar nicht ausschlaggebend sein für die Frage, ob ein Fonds, der zum Zwecke der Finanzierung dieser Ausgabe geschaffen wird, dem Referendum unterliege oder nicht. Die Ausgabe, die in der Äufnung eines Fonds gesehen wird, ist etwas grundsätzlich anderes als die - gebundene oder neue - Ausgabe im zuvor umschriebenen Sinne, die in Erfüllung einer staatlichen Aufgabe getätigt wird. Mit der Zuwendung von Mitteln an einen Fonds und damit deren Bindung für einen bestimmten Zweck, sei es, dass sie aus dem allgemeinen Staatsgut ausgeschieden werden, sei es, dass eine Einnahmequelle nicht ins Finanzvermögen fliesst, werden nämlich dem Staat Mittel entzogen, die sonst in das allgemeine Staatsgut flössen. Die Einlagen in den Fonds sind deshalb wie Ausgaben zu behandeln, die der Volksabstimmung ![]() | 10 |
Allerdings konnten hier die Stimmberechtigten nicht über einen oder mehrere zahlenmässig festgelegte Beträge befinden, weil die jährliche Zuweisung der Millionenbeträge an den Fonds für eine nicht begrenzte Zahl von Jahren vorgesehen ist. Der Fonds ist aber dennoch nicht verfassungswidrig. In Fällen wie dem vorliegenden, wo die Aufwendungen aus dem Vollzug des Fluglärmgesetzes, insbesondere Höhe sowie Zeitpunkt der einzelnen Auszahlungen an die von Eigentumsbeschränkungen Betroffenen, ungewiss sind, liegt in einer derartigen Fondsregelung gerade die sachgerechte Lösung. In Anbetracht des Umstandes, dass die aus dem FLG zu erwartenden Entschädigungsansprüche nicht feststehen, erschiene es wenig sinnvoll, die zu deren Deckung abzuzweigenden Mittelbereits aufeine bestimmte Höhe festzulegen. Die vorliegend getroffene Regelung ermöglicht vielmehr, die ungleich hohen Aufwendungen über Jahre hinaus auszugleichen. Entscheidend ist, dass eine solche Reservestellung durch Fonds wie eine Ausgabe der Volksabstimmung unterstellt wird. Damit ist dem Referendumsrecht der Stimmbürger Genüge getan, und eine Mitsprache bei der Verwendung der Mittel durch die ermächtigte Behörde, die selbstverständlich im Rahmen des Zweckes zu erfolgen hat, ist - auch abgesehen davon, dass es sich hier um eine bereits gebundene Ausgabe handelt - nicht mehr erforderlich. Das Fluglärmgesetz verstösst somit auch unter diesem Gesichtspunkt in keiner Weise gegen Art. 30 Abs. 1 Ziff. 2 KV.
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5. Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, mit § 2 ![]() ![]() | 12 |
6. Als unbegründet erweist sich sodann die Rüge, Art. 5 Abs. 3 FLG missachte die derogatorische Kraft des Bundesrechts, weil er für Enteignungsstreitigkeiten die Anwendung des zürcherischen Gesetzes betreffend die Abtretung von Privatrechten und nicht des eidgenössischen Enteignungsrechts vorsieht. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer folgt daraus, dass der Flughafen Zürich aufgrund einer eidgenössischen Konzession betrieben wird (Art. 37 Luftfahrtgesetz) nicht notwendig, dass das Enteignungsrecht nach den bundesrechtlichen Vorschriften auszuüben sei. Nach Art. 50 Luftfahrtgesetz kann der Bundesrat für die Anlage und den Betrieb von Flugplätzen sowie für Vorkehren zur Flugsicherung das Enteignungsrecht an Dritte übertragen, und nach Art. 119 EntG kann der Enteigner bestimmen, nach welchem Rechte die Enteignung durchzuführen ist, wenn diese sowohl nach eidgenössischem als nach kantonalem Rechte möglich ist. Vor allem aber haben die im Fluglärmgesetz vorgesehenen Beschränkungen des Grundeigentums nicht Anlage und Betrieb des Flughafens oder der Flugsicherung zu dienen, sondern sie bezwecken den Schutz der Anwohner vor Lärmeinwirkungen aus dem Luftverkehr. Dieser Gegenstand ist vom Bund nicht geregelt worden, weshalb die derogatorische Kraft des Bundesrechts entsprechende kantonale Rechtsnormen nicht ausschliesst (BGE 93 I 518 mit Verweisungen).
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