BGE 96 I 752 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
113. Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. Dezember 1970 i.S. Nordmark-Werke GmbH gegen Eidgenössisches Amt für geistiges Eigentum. | |
Regeste |
Markenrecht; Internationale Marke deutschen Ursprungs; Voraussetzungen der Eintragung in der Schweiz. Madrider Abkommen (Fassung von Nizza), Art. 5 Abs. 1; Pariser Verbandsübereinkunft (Fassung von Lissabon), Art. 6 Abs. 1, 6 quinquies lit. b Ziff. 2 und 3; Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG (Erw 1) |
Das Wort "Enterocura" gilt wegen der Verwechslungs- und Täuschungsgefahr nicht als schutzfähiges Phantasiezeichen für Medikamente und Mittel, die nicht der Darmbehandlung dienen (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
A.- Die Nordmark-Werke GmbH ist Inhaberin der internationalen Wortmarke Nr. 356845 "Enterocura", mit deutscher Priorität hinterlegt am 3. April 1969 für "Produits pour conserver les aliments-Médicaments, produits chimiques pour la médecine et l'hygiène, drogues pharmaceutiques, emplâtres, étoffes pour pansements, produits pour la destruction d'animaux et de végétaux, désinfectants".
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Am 24. März 1970 verweigerte das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum für diese Marke vorläufig den Schutz, weil die Bezeichnung "Enterocura" in italienischer und französischer Sprache unmittelbar auf "Darmbehandlung" hinweise, deshalb einerseits für Darmbehandlungs- und Darmheilmittel jeder Unterscheidungskraft ermangle, anderseits für die übrigen in der Warenliste vermerkten Erzeugnisse täuschend wirke oder defensiver Art sei.
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B.- Die Nordmark-Werke GmbH begehrt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die Verfügung des Eidgenössischen Amtes für geistiges Eigentum aufzuheben und dieses anzuweisen, die streitige Marke in der Schweiz zu schützen.
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Das Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Der Regelung der Pariser Übereinkunft entspricht die schweizerische Ordnung. Nach Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG ist die Eintragung einer Marke zu verweigern, wenn sie als wesentlichen Bestandteil ein als Gemeingut anzusehendes Zeichen enthält oder gegen die guten Sitten verstösst.
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a) Der Ausdruck "Enterocura", den die Beschwerdeführerin als Marke gewählt hat, ist gebildet aus den Teilen "entero" und "cura". "Entero" leitet sich ab aus dem griechischen "enteron", deutsch Darm (BENSELER, Griechisch-Deutsches Schulwörterbuch). "Cura" ist ein lateinisches Wort und heisst auf deutsch u.a. Sorge, Fürsorge, Pflege, Wartung (MENGE, Lateinisch-Deutsches Schulwörterbuch). Von ihm stammen auch das deutsche "Kur", das französische "cure", das italienische "cura".
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Die griechisch/lateinische Wortverbindung "Enterocura" bedeutet also in sinngetreuer deutscher Übersetzung "Darmpflege" oder "Darmkur".
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b) Die Beschwerdeführerin irrt in der Annahme, massgebend für die Wertung ihrer Marke sei das Verständnis des Durchschnittskäufers. Ein Wort ist schon dann nicht als Marke zu schützen, wenn nur ein bestimmter Kreis, z.B. die Fachleute, es allgemein zur Bezeichnung einer bestimmten Warenart verwendet (BGE 96 II 261 Erw. 3a, BGE 94 II 46,BGE 36 II 445f.).
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Fehl geht auch die Meinung, es komme nicht darauf an, dass die französische und die italienische Sprache wortstammässig gleiche Ausdrücke kennen. Das Französische wie das Italienische sind in der Schweiz dem Deutschen gleichgestellte Landessprachen. Erfüllt eine Marke nur für ein Sprachgebiet die gesetzlichen Bestimmungen nicht, so muss ihr der Schutz verweigert werden (BGE 93 I 576, 580, BGE 82 I 51,BGE 56 I 472,BGE 56 II 232).
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c) Die für Medikamente, pharmazeutische Heilmittel, Verbandsartikel, Desinfektionsstoffe zuständigen Fachleute sind vorab Ärzte und Apotheker. Ob sie klassische Sprachen als solche studiert haben, ist unerheblich. Auch wenn sie es nicht taten, mussten sie sich die hier interessierenden Kenntnisse im Laufe ihrer Fachausbildung aneignen. Denn der Wortbestandteil "enter" oder "entero" gehört sowohl für die Benennung von Darmkrankheiten, Darmbehandlungsmethoden, operativen Eingriffen im Darmbereich, chirurgischen und Untersuchungsinstrumenten wie in Eigenschaftswörtern zur festen medizinischen Terminologie. Zu denken ist hier etwa an Enteralgie (Darmschmerz), Enteritis (Darmentzündung), Enterorrhagie (Darmblutung), Enteroskop (Darmuntersuchungsinstrument), Enterotomie (Darmschnitt), enterogen (im Darm entstanden oder vom Darm her verursacht) usw. Solche Fachausdrücke sind, gerade wegen ihres altsprachlichen Ursprungs, in Fachkreisen international gebräuchlich und verständlich. Zudem gibt es im Französischen und im Italienischen viele annähernd gleichlautende oder zumindest gleichstämmige Ausdrücke. "Cura" sodann ist als lateinisches Originalwort in Fachkreisen und in den deutschen, französischen, italienischen Ableitungen darüber hinaus gleicherweise geläufig für Pflege, Behandlung, Kur. Das alles kann weitgehend als gerichtsnotorisch gelten und wird, insofern es dessen noch bedarf, durch eine breite Dokumentation aus Sprach- und Fachwerken unwiderleglich nachgewiesen (z.B. DER GROSSE DUDEN, Fremdwörterbuch, 1960, S. 168; DER GROSSE BROCKHAUS, Bd. 3 1953, S. 581; PSCHYREMBEL, Klinisches Wörterbuch, 1969, S. 314/15; GUTTMANN, Medizinische Terminologie, 16.-20. Aufl. 1922, S. 347; GHIOTTI, Vocabolario scolastico italiano-francese, 1947, S. 323; PETSCHENIG, Der kleine Stowasser, lateinisch-deutsches Schulwörterbuch, 1949, S. 149; WAHRIG, Deutsches Wörterbuch, 1968, S. 2194 f.; PETROCCHI, Nuovo Dizionario scolastico della lingua italiana, 1957, S. 317; VEILLON/NOBEL, Medizinisches Wörterbuch, englisch-deutsch-französisch, 1969, S. 282 f.; SACHS-VILLATTE, Französisch-Deutsch und Französisch-Deutsches Wörterbuch, Bd. I, 1911, S. 361/62; NOUVEAU LAROUSSE MEDICAL, 1952, S. 381).
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Die aus "entero" und "cura" zusammengesetzte Marke "Enterocura" hat also sprachlich einen eindeutigen Sinn. Sie ist in Fachkreisen für spezifische Medikamente und Behandlungsmittel Sachbezeichnung, daher Gemeingut.
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Im übrigen, was den Durchschnitts- oder letzten Abnehmer betrifft, pflegt auch er Medikamente nicht nach Phantasienamen, sondern zu Behandlungszwecken nach ärztlicher Verordnung oder fachkundiger Beratung zu kaufen, so dass sich unter diesem Gesichtspunkte ebenfalls rechtfertigt, auf das Wissen der Fachkreise entscheidend abzustellen.
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d) Daraus, dass andere Marken mit Bestandteilen "Entero...", "Derma...", "Cor..." vielfach registriert sind, kann die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten folgern. Das Amt hält zunächst entgegen, dass jene Marken häufig auch Bestandteile wie "...col", "...zima", "...dyl" aufweisen, die ihnen gesamthaft betrachtet einen gewissen Phantasiegehalt verleihen. Ob das die Eintragungen hinlänglich begründete, ist nicht zu untersuchen. Selbst wenn die Entgegennahme jener Marken falsch war, gibt das der Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Zulassung ihrer Marke. Denn es kann Verwaltungsbehörden und Gerichten nicht verwehrt sein, von einer als unrichtig erkannten Praxis abzugehen (BGE 89 I 296, 303, BGE 92 I 306, BGE 93 I 565). Eine solche Praxisänderung ist im Gange, kann sich indessen nur allmählich vollziehen.
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Allein, eine Wortverbindung, die für bestimmte Produkte so klare Sachbezeichnung ist, wie "Enterocura" für Medikamente und Mittel zur Behandlung von Darmkrankheiten, und die deshalb als Marke für solche Produkte nicht taugt, wird nicht schon durch blosse Verwendung für andere Waren zum schutzfähigen Phantasiezeichen, wenn und solange diese Waren nicht von jenen Produkten derart verschieden sind, dass durch ihre besagte Kennzeichnung keinerlei Täuschung und Irreführung bewirkt werden kann. Das trifft nun, wie das Amt mit Recht einwendet, für die von der Beschwerdeführerin unterstellten Erzeugnisse nicht zu. Für Medikamente und pharmazeutische Produkte, die nicht der Darmbehandlung dienen, ist eine Bezeichnung mit "Enterocura", eben wegen der in Fachkreisen unmissverständlichen Bedeutung, offenkundig falsch und täuschend. Anderseits liegen Medikamente und Erzeugnisse zur Konservierung von Nahrungsmitteln oder Schädlingsbekämpfung im Aussehen sowohl wie in den gebräuchlichen Handelsformen viel zu nahe beieinander, als dass bei Kennzeichnung von Waren der zweitgenannten Gruppe mit der Marke "Enterocura" die Möglichkeit von Verwechslung und Täuschung sich mit hinlänglicher Gewissheit ausschliessen liesse; insbesondere wiederum nicht in den französisch- und italienisch-schweizerischen Sprachgebieten. Nach ständiger Rechtsprechung genügt das objektive Vorhandensein solcher Gefahr zur Verweigerung des Markenschutzes wegen Sittenwidrigkeit; einer Täuschungsabsicht des Markeninhabers bedarf es nicht (BGE 93 I 575, 579,BGE 78 I 280, in Verbindung mit den vorstehend unter Ziff. 2b Abs. 2 angemerkten Verweisungen). Ob die Beschwerdeführerin auch Defensivtendenzen verfolge, braucht alsdann nicht geprüft zu werden.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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