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22. Urteil vom 27. Januar 1971 i.S. K. gegen Stadt Zürich und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich | |
Regeste |
Kantonales Steuerrecht. Treu und Glauben. Willkür. |
Voraussetzungen, unter denen der Erbe sich unrichtige Angaben, die der Erblasser in früheren Steuerverfahren gemacht hat, im Hinblick auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens entgegenhalten lassen muss (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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"Werden bei solchen Handänderungen Grundstücke übertragen, die vor dem 1. Januar 1963 infolge Erbteilung, Vermächtnisses oder Schenkung erworben worden waren, so ist für die Berechnung des Gewinnes und der Besitzesdauer auf diese letzte Handänderung abzustellen. Bei ganz oder teilweise unentgeltlichem Erwerb gilt der Verkehrswert des Grundstückes im Zeitpunkt des Erwerbes als Erwerbspreis."
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B.- Der 1930 verstorbene R. K. hinterliess seine Liegenschaft in Zürich seinen drei Söhnen Reinhold K., Fritz K. und Werner K. In diese Erbengemeinschaft traten 1951 mit dem Tod von Reinhold K. dessen Erben ein; sie schieden jedoch bereits am 18. Januar 1952 wieder aus, so dass nur noch die Brüder Fritz K. und Werner K. Gesamteigentümer der Liegenschaft waren. Gemäss öffentlich beurkundetem Vertrag vom 4. Februar 1955 schied auch Fritz K. aus der Erbengemeinschaft aus, wodurch Werner K. Alleineigentümer der Liegenschaft wurde. In Ziff. II des Vertrages heisst es: "Der Austritt des Miterben Fritz K. erfolgt für Fr. 382 500.-- (1/2 der Verkehrswertschatzung)". Hievon ausgehend auferlegte die Kommission für die Grundsteuern der Stadt Zürich dem Veräusserer Fritz K. am 1. September 1955 eine Grundstückgewinnsteuer von Fr. 30 457.--.
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Im Jahre 1962 starb Werner K. und die Liegenschaft ging auf seinen Sohn W. K. über. Dieser veräusserte sie am 21. Juni 1968 zum Preis von 2,4 Mio Franken.
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C.- Bei der Veranlagung der Grundstückgewinnsteuer für diesen Verkauf war zu berücksichtigen, dass der Vater und Rechtsvorgänger des Veräusserers die Liegenschaft zu einem Drittel durch Erbfolge im Jahre 1930, zu einem Sechstel durch ![]() | 5 |
Als Erwerbspreis wurde für die Drittelsquote ein aufgrund des Gutachtens eines Architekten auf das Jahr 1948 berechneter Verkehrswert von Fr. 800 000.-- und für die Sechstelquote im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen ein Verkehrswert per 1952 von 1 Mio Franken angenommen. Streitig blieb der Erwerbspreis per 1955 für die hälftige Quote. Während ihn der Steuerpflichtige auf 1,5 Mio Franken schätzte, setzte ihn die Kommission für die Grundsteuern der Stadt Zürich bei der Veranlagung vom 25. August 1969 entsprechend dem im Vertrag vom 4. Februar 1955 vereinbarten Übernahmepreis auf (2 x Fr. 382 500.-- =) Fr. 765 000.-- fest. Das ergab einen steuerbaren Gesamtgewinn von Fr. 1 566 439.-- und eine Grundstückgewinnsteuer von Fr. 388 949.-- (während sich bei einem Erwerbspreis von 1,5 Mio Franken ein Gesamtgewinn von Fr. 931 439.-- und, unter Berücksichtigung der Abzüge für die Besitzesdauer, eine Steuer von Fr. 284 714.-- ergeben hätte).
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Der Steuerpflichtige rekurrierte gegen diese Veranlagung an die Finanzdirektion des Kantons Zürich mit der Begründung, sein Vater habe den hälftigen Liegenschaftsanteil am 4. Februar 1955 teilweise unentgeltlich erworben; daher müsse gemäss Art. III Abs. 2 des Gesetzes vom 8. Juli 1962 als Erwerbspreis der damalige Verkehrswert gelten, der offensichtlich höher gewesen sei, nach Auffassung des Rekurrenten 1,5 Mio Franken betragen habe und nötigenfalls durch Expertise zu bestimmen sei.
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Die Finanzdirektion wies den Rekurs am 15. April 1970 ab. K. rekurrierte hiegegen an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, wurde aber mit Entscheid vom 6. August 1970 abgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Streitig sei nur, ob nach Art. III Abs. 2 der Gesetzesnovelle vom 8. Juli 1962 als Erwerbspreis für den hälftigen Grundstückanteil die am 4. Februar 1955 vereinbarte "Austrittsentschädigung" oder aber - was bei teilweise unentgeltlichem Erwerb vorgeschrieben sei - ein höherer tatsächlicher Verkehrswert zu berücksichtigen sei. Teilweise Unentgeltlichkeit könne nicht schon dann angenommen werden, wenn der vereinbarte Erlös den objektiven Verkehrswert unterschreite, sondern nur dann, wenn ein für den Veräusserer offenbares Missverhältnis zwischen Leistung ![]() | 8 |
D.- Gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts hat W. K. staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er macht Verletzung des Art. 4 BV geltend und rügt als Verweigerung des rechtlichen Gehörs, dass keine Expertise über den Verkehrswert des Grundstücks im Jahre 1955 eingeholt worden sei, und als Willkür, dass für die Veranlagung der Grundstückgewinnsteuer entgegen dem klaren Wortlaut von Art. III Abs. 2 des Gesetzes vom 8. Juli 1962 nicht der Verkehrswert des ![]() | 9 |
Die Begründung dieser Rügen ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachstehenden Erwägungen.
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E.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und das Steueramt der Stadt Zürich beantragen Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Wenn ein Grundstück vor dem 1. Januar 1963 infolge Erbteilung erworben ist, so schreibt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend feststellt, Art. III Abs. 2 der Gesetzesnovelle vom 8. Juli 1962 für den Fall, dass dieser Erwerb teilweise unentgeltlich erfolgte, vor, dass der Verkehrswert im damaligen Zeitpunkt als Erwerbspreis gilt. Der Beschwerdeführer hat somit nach dieser Bestimmung einen Anspruch darauf, dass der Gewinn für den Hälfteanteil aufgrund des Verkehrswertes per 1955 berechnet wird, wenn dieser Anteil, wie er behauptet, damals teilweise unentgeltlich erworben wurde, was nach der zürcherischen Praxis dann der Fall ist, wenn ein für den Veräusserer ![]() | 13 |
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Was das aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende und hier in Frage stehende Verbot widersprüchlichen Verhaltens betrifft, so liegt sein Hauptgeltungsgebiet bei den fortgesetzt erhobenen Steuern und dem bei diesen dem Steuerpflichtigen nach dem Gesetz zustehenden Ermessen (BOSSHARDT a.a.O. S. 100/103; GEERING, Von Treu und Glauben im Steuerrecht, Festschrift Blumenstein 1946 S. 134/35; REIMAINN-ZUPPINGER-SCHÄRRER N. 34 zu § 71 StG). Wie weit sich ein Steuerpflichtiger im übrigen bei unrichtigen Angaben behaften lassen muss, ist ![]() | 15 |
4. Wenn ein Steuerpflichtiger zunächst einen zu niedrigen Wert als Verkehrswert bezeichnet und damit eine zu niedrige Besteuerung erwirkt, später aber den tatsächlich höheren Wert als Verkehrswert angibt, um bei einer andern Steuer niedriger eingeschätzt zu werden, so kann wohl ohne Willkür angenommen werden, dies verstosse gegen Treu und Glauben, da er den mit der zu niedrigen Wertangabe erzielten steuerlichen Vorteil genoss und nun billigerweise auch den damit verbundenen Nachteil in Kauf nehmen soll. Ein solches widersprüchliches Verhalten kann aber dem Beschwerdeführer selber nicht vorgeworfen werden. Es ist durch nichts dargetan, dass er selber mit der offenbar unrichtigen Verkehrswertangabe in dem zwischen seinem Vater und seinem Onkel abgeschlossenen Vertrag von 1955 das geringste zu tun gehabt hätte. Das Verwaltungsgericht glaubt indessen, der Beschwerdeführer habe sich das steuerlich relevante Verhalten seines Vaters beim damaligen Grundstückerwerb anrechnen zu lassen, für dessen "allenfalls treuwidriges Verhalten" einzustehen. Es beruft sich dabei auf MERZ N. 107 zu Art. 2 ZGB, wo ausgeführt wird, wie eigenes treuwidriges Verhalten sei das Verhalten von Personen anzurechnen, für die nach gesetzlicher Vorschrift eingestanden werden muss (Rechtsvorgänger, Vertreter, Organe und Hilfspersonen). Dieser Grundsatz mag, was Rechtsvorgänger betrifft, für das Gebiet des Privatrechts ohne weiteres gelten, so dass, wenn z.B. die Berufung einer Vertragspartei auf Formungültigkeit oder auf Verjährung gegen Treu und Glauben verstösst, sich dies auch ihr Rechtsnachfolger entgegenhalten muss. Im Steuerrecht dagegen wird das Anwendungsgebiet des Grundsatzes von Treu und Glauben durch denjenigen der Gesetzmässigkeit der Steuer beschränkt. Die Annahme, der Sohn habe für treuwidriges Verhalten des Vaters einzustehen, erscheint in Fällen wie dem vorliegenden vertretbar, wenn der Sohn und Erbe als Steuersukzessor in ein gegen den Erblasser hängiges ![]() | 16 |
Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben, der im allgemeinen die Gesetzmässigkeit der Steuer sichern will (BGE 78 I 208), würde bei der ihm vom Verwaltungsgericht beigelegten Tragweite im vorliegenden Falle zu einer Besteuerung führen, die erheblich abweichen würde von der gesetzlichen, nach der auf den objektiven Verkehrswert abzustellen ist. Wäre gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben ein solcher Einbruch in die gesetzliche Ordnung zulässig, so wäre es wohl auch der Steuerbehörde verwehrt, ein Steuerobjekt, das sie früher einmal in bestimmter Weise bewertet hat, in einem neuen Verfahren bei einem andern Steuerpflichtigen anders zu bewerten, wenn sich die Unrichtigkeit der früheren Bewertung herausstellt, was mit dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Steuer nicht vereinbar wäre.
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Ob dieser Grundsatz in einem Falle wie dem vorliegenden dann ausnahmsweise vor demjenigen von Treu und Glauben zu weichen hätte, wenn gewichtige Gründe dies als geboten erscheinen lassen, kann dahingestellt bleiben, da solche Gründe nicht dargetan sind. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, den seinerzeitigen Vertragsparteien sei es offenkundig darum zu tun gewesen, die Grundstückgewinnsteuer des Veräusserers sowie die Liegenschaften- und Vermögenssteuer des Erwerbers möglichst niedrig zu halten, würde nur zutreffen, wenn in Wirklichkeit ein höherer als der im Vertrag von 1955 genannte Übernahmepreis ![]() | 18 |
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