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25. Auszug aus dem Urteil vom 3. Februar 1971 i.S. Müller gegen The Bristol Steam Navigation Company Limited und Obergericht des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Schweizerisch-belgisches Vollstreckungsabkommen vom 29. April 1959. |
Verstösst das belgische Urteil im Sinne von Art. 1 lit. a des Abkommens gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz |
- wegen Nichtberücksichtigung der vom Beklagten erhobenen Verrechnungseinrede? (Erw. 5 a). |
- wegen missbräuchlicher, auf Umgehung schweizerischen Rechts gerichteter Klageerhebung an einem künstlich geschaffenen Gerichtsstand? (Erw. 5 b). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 12. Oktober 1963 liess die "Bristol" zwei Schiffsladungen, die sich im Hafen von Antwerpen befanden und nach ihrer Behauptung Müller gehörten, mit Arrest belegen. Hierauf leitete sie am 19. Oktober 1963 beim Gericht I. Instanz in Antwerpen gegen Müller Klage ein auf Zahlung von £ 18'220.17.- nebst Verzugszins seit 8. November 1962 sowie auf Vollstreckbarkeit durch Verwertung der Arrestgegenstände. Müller machte geltend, dass nicht das von der Klägerin angerufene englische, sondern das belgische Recht anwendbar und nach diesem die für Forderungen der vorliegenden Art geltende einjährige Verjährungsfrist abgelaufen sei; eventuell bestritt er die Gültigkeit des Arrestes mit der Begründung, die beschlagnahmte Ware sei nicht sein Eigentum gewesen.
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Das Gericht von Antwerpen hiess beide Klagebegehren mit Urteil vom 22. Juni 1964 gut.
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Müller reichte gegen dieses Urteil beim Appellationshof in Brüssel Berufung ein mit dem Antrag, die Klage sei wegen Verjährung abzuweisen, eventuell sei der Arrest ungültig zu erklären. Er machte wiederum geltend, dass belgisches Recht anwendbar sei, und bemerkte in diesem Zusammenhang, dass deshalb, weil Antwerpen beim Frachtvertrag Erfüllungsort sei, das Gericht von Antwerpen auch örtlich zuständig gewesen sei. Ferner führte er am Schlusse seiner Eingabe aus, die Erhebung der Verjährungseinrede sei durchaus gerechtfertigt, weil er gegen den Kläger eine die Frachtkosten übersteigende Schadenersatzforderung habe, wofür er sich auf die Korrespondenz vom Sommer 1962 berief.
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Der Appellationshof von Brüssel wies die Berufung mit Urteil vom 21. Oktober 1966 ab und bestätigte das angefochtene Urteil. Er betrachtete wie die Vorinstanz das englische Recht als anwendbar und schloss ihre Erwägungen mit der Feststellung, dass "im englischen Recht die Forderung nicht verjährt ist und Appellant weiterhin keinen Beweis erbringt, dass er infolge Havarie oder Fehler irgendeinen begründeten ![]() | 5 |
C.- Die "Bristol" unterliess es, die Verwertung der arrestierten Gegenstände zu verlangen. Dagegen betrieb sie Müller am 1. August 1968 in Erlenbach für Fr. 218'782.65 nebst 5 1/2% Zins seit 8. November 1962 und stellte, als der Betriebene Recht vorschlug, unter Berufung auf das schweizerisch-belgische Vollstreckungsabkommen vom 29. April 1959 (AS 1962 S. 894 ff., im folgenden kurz "Abkommen" genannt) das Gesuch um Vollstreckbarerklärung des Urteils des Gerichts von Antwerpen vom 22. Juni 1964 und um Erteilung der definitiven Rechtsöffnung. Der Audienzrichter des Bezirksgerichts Meilen erklärte das genannte Urteil für vollstreckbar und erteilte definitive Rechtsöffnung für Fr. 189'496.85 nebst 5 1/2% Zins seit 8. November 1962. Müller rekurrierte hiegegen an das Obergericht des Kantons Zürich, wurde aber mit Beschluss vom 2. März 1970 abgewiesen.
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D.- Gegen diesen Entscheid hat Müller staatsrechtliche Beschwerde erhoben.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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4. Das schweizerisch-belgische Vollstreckungsabkommen enthält im Gegensatz zum schweizerisch-französischen Gerichtsstandsvertrag keine für die Gerichte beider Staaten verbindlichen Gerichtsstandsvorschriften, sondern setzt, wie die meisten von der Schweiz abgeschlossenen Vollstreckungsabkommen ![]() | 10 |
Das Obergericht geht davon aus, dass weder der Beschwerdeführer noch seine Anwälte vor den belgischen Gerichten deren Zuständigkeit bestritten hätten. Diese Feststellung ist offenbar richtig und wird denn auch vom Beschwerdeführer nicht zu widerlegen versucht. Sein vor Obergericht erhobener Einwand, er habe seine belgischen Anwälte erfolglos aufgefordert, die Zuständigkeit der belgischen Gerichte zu bestreiten, ist in Erwägung 7 des angefochtenen Entscheids mit zutreffender Begründung zurückgewiesen worden und wird vor Bundesgericht nicht mehr vorgebracht.
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Der Beschwerdeführer hat zudem vor den belgischen Gerichten nicht nur vorbehaltlos zur Hauptsache verhandelt; vielmehr hat sein Anwalt vor dem Appellationshof noch ausdrücklich geltend gemacht, die belgischen Gerichte seien unabhängig vom Arrest auch deshalb zuständig, weil der Frachtvertrag in Antwerpen zu erfüllen gewesen sei. In der staatsrechtlichen Beschwerde wird freilich behauptet, diese Anerkennung sei nur unter der Voraussetzung erfolgt, dass das ganze Rechtsverhältnis der Parteien dem belgischen Recht unterstehe, was der Appellationshof abgelehnt habe. Für einen solchen Vorbehalt, dessen Zulässigkeit übrigens zweifelhaft erscheint, enthalten die Akten indessen keinen Anhaltspunkt. Davon abgesehen kommt der Frage, ob der Beschwerdeführer die Zuständigkeit der belgischen Gerichte im Verfahren vor diesen ausdrücklich anerkannt oder aber bestritten hat, keine entscheidende Bedeutung zu. Wenn nämlich ein Vollstreckungsabkommen keine Gerichtsstandsvorschriften aufstellt, sondern - wie das schweizerisch- ![]() | 12 |
Unter diesen Umständen vermag ihm auch der Einwand nicht zu helfen, er habe sich nicht freiwillig auf das Verfahren vor den belgischen Gerichten eingelassen, sondern sei durch den Arrest dazu gezwungen worden. Die Notwendigkeit, seine durch den Arrest gefährdeten Interessen zu wahren, mochte ihn allenfalls dazu veranlassen, sich trotz angeblicher Unzuständigkeit der belgischen Gerichte auf das Verfahren vor diesen einzulassen, hinderte ihn aber nicht, dabei zu erklären, dass er sich vorbehalte, gegen die spätere Vollstreckung des Urteils in der Schweiz Einsprache zu erheben. Aus dem gleichen Grunde ist auch der vom Obergericht übrigens mit zutreffender Begründung widerlegte Einwand des Beschwerdeführers unbehelflich, er habe dadurch, dass er vor den belgischen Gerichten (eventuell) die Ungültigerklärung des Arrestes beantragt habe, auch die Zuständigkeit dieser Gerichte bestritten.
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5. Nach Art. 1 lit. a des Abkommens setzt die Vollstreckung eines belgischen Urteils in der Schweiz voraus, dass es mit der ![]() | 14 |
a) Der Beschwerdeführer erblickt einen solchen Verstoss zunächst darin, dass die belgischen Gerichte über seine Behauptung, er habe der Klägerin gegenüber eine Gegenforderung, ohne materielle Prüfung hinweggegangen seien und ihm damit das rechtliche Gehör verweigert hätten.
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Der Einzelrichter von Meilen hat diesen Einwand abgewiesen mit der Begründung, es gehe aus dem Urteil des Appellationshofs von Brüssel nicht hervor, dass substantiierte Behauptungen des Beschwerdeführers betreffend Gegenforderungen nicht zum Beweis verstellt oder angebotene Beweise nicht abgenommen worden seien. Das Obergericht dagegen hat angenommen, der belgische Appellationshof habe in der Tat die Behauptungen des Beschwerdeführers hinsichtlich des Bestandes eines Schadenersatzanspruchs übergangen; der Beschwerdeführer habe es jedoch unterlassen, diesen Mangel durch eine Beschwerde an den belgischen Kassationshof zu rügen, und könne sich aus diesem Grunde nicht über eine Verletzung der öffentlichen Ordnung der Schweiz beschweren; dem stehe nicht entgegen, dass das Bundesgericht in BGE 85 I 50 /51 ausgeführt habe, die Berufung auf den ordre public setze nicht voraus, dass der Verurteilte im Ausland die gegen das Urteil zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ergriffen habe, denn der dort beurteilte Fall könne mit dem vorliegenden nicht verglichen werden.
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In der staatsrechtlichen Beschwerde wird dem entgegengehalten, dass BGE 85 I 50 /51 klar und eindeutig einen allgemeinen ![]() | 17 |
Aus den Akten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer weder vor dem Gericht von Antwerpen noch vor dem Appellationshof von Brüssel ausdrücklich die Verrechnungseinrede erhoben, sondern dass er seine Gegenforderung jeweils nur erwähnt hat, um sich gegen den Vorwurf missbräuchlicher Erhebung der Verjährungseinrede zu verteidigen. Das mag erstaunen, ist jedoch offenbar darauf zurückzuführen, dass die Verrechnungseinrede, wie in der staatsrechtlichen Beschwerde aufgrund von Auskünften der belgischen Anwälte des Beschwerdeführers ausgeführt wird, nach belgischem Recht nur hätte erhoben werden können, wenn die Gegenforderung vor Ablauf der einjährigen Verjährungsfrist in Belgien gerichtlich geltend gemacht worden wäre. Hat der Beschwerdeführer aber die Verrechnungseinrede nicht erhoben, so kann den belgischen Gerichten kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie die Begründetheit der Gegenforderung des Beschwerdeführers nicht geprüft haben.
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Dazu kommt, dass nur das Gericht von Antwerpen sich überhaupt nicht mit der Gegenforderung befasst hat, während der Appellationshof von Brüssel immerhin am Schlusse seiner Erwägungen festgestellt hat, dass der Beschwerdeführer keinen Beweis für die behauptete Schadenersatzforderung erbracht habe. Diese Feststellung, die zeigt, dass der Appellationshof die Beurteilung der Schadenersatzforderung nicht versehentlich unterlassen oder von vorneherein abgelehnt hat, kann zweierlei bedeuten. Entweder hätte der Beschwerdeführer - mangels einer Widerklage - nach belgischem Recht bestimmte Urkunden (rechtskräftiges Urteil, Schuldanerkennung, Vergleich oder dergleichen) vorlegen sollen, und dann besagt die Bemerkung des Appellationshofs lediglich, dass dies nicht geschehen sei. Oder aber der Appellationshof konnte über die zur Verrechnung gestellte Schadenersatzforderung entscheiden, in welchem Falle jene Feststellung besagt, dass der Anspruch mangels genügender Beweise abgewiesen werde. Ob dies zu Recht geschehen ist, kann aber nicht geprüft werden, da die Art. 3 und 7 des Abkommens jede sachliche Nachprüfung der im andern Vertragsstaate ![]() | 19 |
b) Nach Auffassung des Beschwerdeführers verstossen die belgischen Urteile auch deshalb gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz, weil damit ein gegen Treu und Glauben verstossendes Verhalten der Gegenpartei geschützt worden sei. Zur Begründung dieses Vorwurfs verweist er auf seinen Briefwechsel mit der Gegenpartei vom 19./29. November 1962, und behauptet, damit hätten die Parteien vereinbart, einen allfälligen Prozess in Zürich zu führen. Statt jedoch dort, wie angedroht, sofort Klage einzuleiten, habe die "Bristol" monatelang zugewartet und dann in Antwerpen einen Arrest erwirkt, um hier künstlich einen Gerichtsstand zu schaffen und den Beschwerdeführer daran zu hindern, sich durch Geltendmachung der Verrechnung mit seiner Gegenforderung zu verteidigen. Einen Beweis für solch missbräuchliches Vorgehen erblickt der Beschwerdeführer darin, dass die "Bristol" es trotz Obsiegens im Prozess in Belgien unterlassen habe, den in Antwerpen erwirkten Arrest bis zur Verwertung zu verfolgen.
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Auch diese Vorbringen vermögen indes nicht darzutun, dass die Urteile der belgischen Gerichte mit der öffentlichen Ordnung der Schweiz unvereinbar sind. Zunächst kann keine Rede davon sein, dass die "Bristol" mit dem Mahnschreiben ihres Anwalts vom 29. November 1962, das übrigens auf das Schreiben des Beschwerdeführers vom 19. November 1962 nicht einmal Bezug nimmt, sich verpflichtet hätte, ihre Ansprüche nur vor einem schweizerischen Gericht einzuklagen. Nähere Prüfung verdient nur der Vorwurf, die Beschwerdegegnerin habe einen künstlichen Gerichtsstand geschaffen, um die materiellen und prozessrechtlichen Vorschr iften der Schweiz über die Verrechnung zu umgehen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass ein als Gesetzesumgehung zu betrachtendes Vorgehen einer Prozesspartei ein ausländisches Urteil als mit der öffentlichen Ordnung der Schweiz unvereinbar erscheinen lässt und deshalb seine Vollstreckung ![]() | 21 |
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